Populistische Parteien erstarkten in Tschechien

Am 25. und 26. Oktober 2013 fand in Tschechien vorgezogene Abgeordnetenhauswahl statt, nachdem das Abgeordnetenhaus am 20. August 2013 seine Auflösung beschlossen hatte. Eine politische Krise hatte das politische Geschehen im Sommer total gelähmt.

Zur Wahl traten insgesamt 23 Parteien an, davon 17 landesweit. Alle Parteien - also auch die etablierten - versuchten, sich mit populistischen Aussagen zu übertreffen. Das  gilt jedoch insbesondere für die 

  • rechtsextreme DSSS – Delnicka stranu socialni Spravedlnosti - (Arbeiterpartei der Sozialen Gerechtigkeit),
  • die linkspopulistische Strana Práv Občanů ZEMANOVCI (SPOZ) - Partei der Bürgerrechte)  und für
  • die liberalpopulistische Akce nespokojnych obcanu (Aktion unzufriedener Büger), kurz ANO 2011. Sie ist die bisher programmlose Partei des Milliardärs Andrej Babiš; Slogan "ANO, bude líp" (Ja, es wird besser).

Während die DSSS bei dieser Herbstwahl nur 0,9 Prozent erreichte, errang die ANO 2011 aus dem Stand 18,65 Prozent und war damit zweitstärkste Kraft in Tschechien, denn die bisher regierende zweitstärkste Demokratische Bürgerpartei (ODS) war auf 7,7 Prozent abgestürzt. Auch die Regierungspartner der ODS erlitten Verluste. Die Tschechische Sozialdemokratische Partei (ČSSD) hatte ebenfalls Verluste und nur noch 20,45 Prozent erreicht.

Die Regierung sieht derzeit wie folgt aus: der Regierungschef ist der Ministerpräsident Bohuslav Sobotka, Staatspräsident ist  Miloš Zeman. Das Kabinett setzt sich aus 8 Vertretern der sozialdemokratischen ČSSD, 6 Vertretern der populistischen ANO 2011 und 3 Vertretern der christdemokratischen KDU-ČSL zusammen.

Damit ist die ANO voll an der Regierung beteiligt. Erster Stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister ist Andrej Babiš, der Agro-Millardär und Gründer der ANO. Weitere von der ANO geführte Ressorts sind: Verteidigung, Justiz, Verkehr, Regionale Entwicklung.

Dem 61-jährigen Babiš gehört der Konzern Agrofert, zu dem etwa 250 Unternehmen in 18 Ländern zählen: Chemiewerke, Hühnermastanlagen, Fleischfabriken, Firmen für Landwirtschaftstechnik, Forstbetriebe. Der Gesamtumsatz im Jahr 2014 liegt bei mehr als 6 Milliarden Euro. In Deutschland beschäftigt Babiš alleine in den Stickstoffwerken Piesteritz in Sachsen-Anhalt und in der Großbäckerei Lieken knapp 4500 Mitarbeiter. In Tschechien gehören Babiš auch zwei wichtige Tageszeitungen und ein Radiosender. Seine Hauptaussagen: Politiker seien allesamt korrupt und unfähig, sie und die vielen Flüchtlinge bedrohten den hart erarbeiteten Wohlstand in Tschechien.

Derzeit ermitteln die tschechische Polizei und OLAF, die Anti-Betrugsbehörde der EU, gegen Firmen aus dem Babiš-Imperium – wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug. Unabhängig davon, wie die Ermittlungen ausgehen, sicher ist schon jetzt: Die Regierungsbeteiligung des Firmenmoguls bringt einen gewaltigen Interessenkonflikt mit sich – von europäischer Tragweite.

Wenn aus Brüssel Geld nach Tschechien fließt, führt an Andrej Babiš kaum ein Weg vorbei. Agrofert bezieht EU-Gelder in dreistelliger Millionenhöhe. Zugleich ist es die Abteilung 52 im von Babiš geleiteten Finanzministerium, die darüber wacht, ob diese Gelder gerecht verteilt werden. Außerdem sitzen ehemalige und aktuelle Agrofert-Manager in Ministerien, Parlamentsausschüssen und Fonds, die das Geld der EU verwalten.

Regionalwahlen fanden am 7. und 8. Oktober 2016 statt. Nichts destottrotz setzt ein Jahr vor den Parlamentswahlen die populistische Bewegung ANO von Andrej Babiš ihren Siegeszug fort. Die Zersplitterung der Parteienlandschaft in der Tschechischen Republik ist größer denn je.

Während die ANO in 9 Regionen die meisten Stimmen erreichte, erreichten die Sozaldemokraten von Premier Bohuslav Sobotka  nur in zwei und die Christdemokraten gar nur  in einer Region die meisten Stimmen. In der Region Liberec gewann die regionale Liste Starostové pro Liberecký kraj (Bürgermeister für die Region Liberec) die meisten Stimmen. Auch die linken Parteien erlitten eine bedeutende Niederlage.

Trotz dieses Erfolges in den Regionalwahlen zeigt das Ergebnis der ANO von 21 Prozent, dass sie bislang nicht die dominante Stärke etwa von Fidesz in Ungarn oder Smer in der Slowakei haben. Das Gesamtwahlergebnis von ANO ist das schwächste Ergebnis, das eine Siegerpartei in den tschechischen Regionalwahlen je erreicht hat. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich auch nach den kommenden Parlamentswahlen in Herbst 2017 der in Visegrád-Nachbarländern auffällige Trend zur Domnanz einer Einzelpartei in der Tschechischen Republik eher nicht durchsetzen könnte.

Am 11.1.2017 wurde in Tschechien ein Gesetz zur Verhinderung von Interessenkonflikten bestätigt, das längst "Lex Babiš" genannt wird. Es sieht unter anderem vor, dass ein Unternehmen, in dem ein Regierungsmitglied einen Anteil von mehr als 25 Prozent besitzt, sich nicht um staatliche Aufträge bewerben darf.  Für den Babiš-Konzern Agrofert  ein herber Schlag. Die Entflechtung von Politik und Medien bedetet obendrein, dass Babiš auch keine Medien mehr besitzen dürfte. Für Babiš jedoch ist das Gesetz lediglich eine "Farce", ein billiger Trick seiner Gegner, die ihn aus der Politik drängen wollten.

Friedel (07.02.2017, Quellen: Wikipedia, ZEIT, Prag aktuell, Konrad Adenauer Stitung)

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