Corona 1 - Glosse "Klopapier".

Ist ein Leben ohne Klopapier denkbar? Klopapier gehört zu den am meisten gehamsterten Artikeln. Es ist ja nicht mal ein Lebensmittel, obwohl es in Supermärkten verkauft wird. Es ist ein Hygieneartikel, wie eben Seife, deren Platz im Regal jetzt bei vielen Einkäufen ebenfalls leer ist. Dabei hatten Seifenstücke vor der Krise ein eher randständiges Dasein gefristet. Flüssigseifen, in vielen verschiedenen Geruchsvarianten hatten ihnen den Rang abgelaufen.
Nur diejenigen, die angefangen hatten, Plastikmüll zu vermeiden, waren wieder zu den in Karton eingepackten Seifenstücken zurückgekehrt. Es ist schon erstaunlich, wie lange man die Hände an so einem Seifenstück reiben kann, bevor es merklich kleiner wird. Wahrscheinlich musste deshalb eine Variante erfunden werden, die sich schneller verbraucht und die mehr Gewinn abwirft – Plastik hin oder her.
Na klar, ich hamstere auch, nicht im großen Stil, sondern eher bescheiden, wie es meinem Naturell entspricht. Ich fülle die Klopapiervorräte nicht wie in Vorcoronazeiten, erst auf, wenn die letzten 3 Rollen im Anbruch sind, sondern ich kaufe dann eine neue Packung, wenn beim Einkauf – auf den ich noch nicht verzichte – gerade welches im Regal liegt. Aber mehr als zwei zusätzliche Vorratspackungen hole ich nicht. Ich hoffe ja, dass Corona vorbeigeht und wir dann wieder zu unserem Alltag zurückkehren können.
Als Nachkriegskind habe ich ja noch erlebt, das man sich auch mit Zeitungspapier den Hintern abwischen kann. Das war die frühe Form von Recycling, denn für Luxusgüter- und dazu gehörte Klopapier – war kein Geld übrig. Unser Klo befand sich außerhalb der Wohnung. Es war so kalt, dass man im Winter Angst haben musste auf dem Klodeckel festzufrieren. Es gab dort einen Nagel, auf dem handliche Stücke der Westfälischen Nachrichten aufgespießt waren. Im Sommer, wenn es warm war, konnte man einen interessanten Artikel über das Leben der Reichen und Schönen noch einmal nachlesen, wenn er nicht gerade in der Mitte zerteilt war, dann war es eine Fantasieübung die Sätze zu vervollständigen, so wie wir es im Schreibkurs manchmal taten. Vielleicht ist damals meine Liebe zum Schreiben entstanden, ich erinnere es nicht mehr.
Ich komme noch mal auf meine Anfangsfrage zurück: Ist ein Leben ohne Klopapier denkbar? Ja, es ist – natürlich haben sich unsere Hintern an weiches, saugfähiges Papier gewöhnt. Es gab auch die weniger aufwendige Variante, hergestellt aus Recyclingpapier, also schon ein bisschen dichter an meiner Kindheitserinnerung. Aber bunt eingefärbt, mit Bildern oder Sprüchen bedruckt und vielleicht noch mit Duft versehen, das brauchen wir nicht, da hatte die manipulative Werbung ihre Hände im Spiel.
Vielleicht könnte das eine Lehre aus der Coronakrise sein, sich mehr auf das wirklich Notwendige zu besinnen. Ich höre schon die Unkenrufe, wie viele Arbeitsplätze dann wegfallen würden, Menschen die ausschließlich damit beschäftigt sind, uns von der Notwendigkeit des nicht Notwendigen zu überzeugen.

Maria Schmelter 17.3.2020

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