Drei hessische Minister kümmern sich um Altersarmut

Es ist schon überraschend: Während die Parteien des Bundestages das Problem der kommenden Altersarmut unbeachtet lassen, haben sich drei hessische Landesminister zusammengesetzt und einen Vorschlag erarbeitet. Ihre Idee einer sogenannten Deutschland-Rente soll die Lücke schließen, die durch die von der Politik verordnete kontinuierliche Absenkung der Rentenansprüche entsteht.

Die Minister – der Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Tarek Al-Wazir (Grüne), Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) und Finanzminister Dr. Thomas Schäfer (CDU) – haben ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie ihre Vorschläge veröffentlichen. „Die betriebliche und private Altersvorsorge sind in Deutschland unterentwickelt“, schreiben sie darin. Der Staat müsse daher stärker in die Verantwortung gehen, ansonsten drohe zukünftige Altersarmut:

Ihre Deutschland-Rente soll eine einfache, sichere und günstige zusätzliche Altersvorsorge und ein Standardprodukt für jedermann werden. Sie könnte zum Selbstkostenpreis von einem zentralen Rentenfonds verwaltet werden, damit das Geld, das Bürger für ihre zusätzliche Altersvorsorge beiseitelegen, sicher vor überteuerten Angeboten ist.  

Nachdem der Gesetzgeber bereits begonnen habe, das Standard-Rentenniveau um fast 20 Prozent abzusenken und die Verbreitung von zusätzlicher Riesterrente oder betrieblichen Altersvorsorge völlig unzureichend sei, die die Lücke schließen, soll die vorgeschlagene Deutschland-Rente so funktionieren:

Arbeitgeber sollten die Beiträge für das Standardprodukt an die Deutsche Rentenversicherung abführen, ähnlich wie die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Das sei ein unbürokratischer Weg. Die Anlage der eingezahlten Beiträge würde dann einem Deutschlandfonds obliegen- ein eigenständiger zentraler Rentenfonds -  der ohne eigenes Gewinninteresse auf Selbstkostenbasis arbeitet und  geschützt vor politischem Zugriff sein soll. Die Erfahrungen mit großen Staatsfonds anderer Ländern seien beispielgebend. So komme der norwegische Staatsfonds seit seiner Gründung im Jahr 1997 auf eine durchschnittliche Rendite von über 5 Prozent.

Mit der Deutschland-Rente könnten auch junge Beschäftigte quasi automatisch einen frühzeitigen und einfachen Zugang zur zusätzlichen Altersvorsorge erhalten. Wer nicht widerspricht, dessen Arbeitgeber führt einen bestimmten Betrag ab und der Arbeitnehmer erwirbt einen Anspruch. Andere Länder hätten auf diese Weise einen Verbreitungsgrad von etwa 90 Prozent erreicht. „Auch in Deutschland können wir auf diesen sanften Zwang nicht verzichten, wenn wir ernsthaft Altersarmut bekämpfen wollen“, meinen die drei Minister.

Das hessische Modell soll nun mit Fachleuten aus Politik, Wirtschaft und Verbänden diskutiert werden, um dann als Bundesratsinitiative in den Bundesrat eingebracht zu werden.

Eine positive Stimme

Einen positiven Kommentar gibt es bereits: In einem Gastbeitrag für die FAZ schreibt Professor Gert Wagner, Vorstandsmitglied des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung, ohne eine kapitalgedeckte Zusatzrente würden künftig viele Rentenversicherte von Altersarmut bedroht sein. „Die Riester-Rente hat diese Lücke bislang nicht schließen können. Im Gegenteil: Sie steht wegen ihrer oft hohen Kosten stark in der Kritik. Und die Riester-Rente hat – zusammen mit der betrieblichen Altersvorsorge nur etwa 70 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten erreicht.“

Der Vorschlag aus Hessen und ein ähnlicher von den Magdeburger Ökonomen Andreas Knabe und Joachim Weimann sollten ernsthaft in der Öffentlichkeit diskutiert werden, meint Wagner. Für Arbeitgeber hätte die Deutschlandrente den Vorteil, dass sie nicht selbst dafür haften. Der eigentliche Pfiff der Deutschlandrente wäre die Unabhängigkeit von den Rendite-Schwankungen am Kapitalmarkt: Die Rente würde anhand der Durchschnittsverzinsung der vergangenen Jahrzehnte berechnet werden.

Viele Fragen seien noch zu klären, glaubt der Professor und schließt seinen Artikel mit der Feststellung: „Unabhängig von den Details einer Deutschlandrente muss eins klar sein: Mehr private Alterssicherung ist im Niedriglohnsektor nur sinnvoll, wenn bei der Grundsicherung im Alter Freibeträge eingeführt werden. Nach geltendem Recht wird die private Rente auf die Grundsicherung angerechnet, wodurch sich für Niedrigverdiener, die später nicht über die Grundrente hinauskommen, private Vorsorge nicht rechnet – wie das im Wirtschaftsleben gerne genannt wird. Die vollständige Anrechnung müsste wegfallen. Dann wäre eine Deutschlandrente auch für Menschen mit geringen Erwerbseinkommen lohnenswert.“

Offene Fragen

Vieles bleibt noch offen in dem Positionspapier der drei Minister. Nicht erwähnt sind die Risiken von Berufsunfähigkeit, Erwerbsminderung und Witwenansprüchen. Wie hoch sollte der Prozentsatz vom Einkommen sein, der für die Deutschland-Rente abgezweigt würde? Und, wäre es nicht einfacher, den gesetzlichen Rentenbeitrag um diese Summe zu erhöhen und zu der  alten, bewährten Rentenformel zurückzukehren?

Ökonomen fordern Alternative zur Riester-Rente

Führende Ökonomen fordern jetzt auch im SPIEGEL. die staatlich subventionierte Riester-Rente abzuschaffen und durch andere Formen der Sparförderung zu ersetzen.

Der Würzburger Ökonom Peter Bofinger wird im Spiegel mit dem Vorschlag zitiert, der Staat solle "eine Staatsanleihe mit ein bis zwei Prozentpunkten Zinsaufschlag, aber nur für Sparer, die in diese Anleihe für die private Altersvorsorge investieren" auflegen, eine Art "Schäuble-Bond". DIW-Chef Fratzscher habe eine Reform nach dem Vorbild USA angeregt. "Dort erhält jeder Arbeitnehmer attraktive staatliche Anreize, aber er kann weitgehend selbst bestimmen, wie er die Vorsorge gestaltet." 

Horst (20.02.2016, Quellen Hess. Finanzmin., FAZ, Spiegel)

Diskussion über die kommende Altersarmut im Forum !

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