Hochspannung im St. Annen-Kloster

Das verblüfft die Besucher: Beim Eintritt in das Lübecker St. Annen-Museum treffen sie im Vorhof auf den Mast einer Hochspannungsleitung. Künstler Kurt Fleckenstein hat ihn für die Ausstellung seiner Werke dort montieren lassen.
Fleckenstein reizte das ehemalige Kirchenschiff als Kontrast zu einem Hochspannungsmast, den er in drei Teile geteilt, liegend vor und in das Gebäude gestellt. Dort war der Standort der 1843 niedergebrannten St. Annen-Kirche.

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Eingang zum St. Annen-Museum

„Der Mast einer Hochspannungsleitung wird in das Erdgeschoss der ehemaligen St. Annen Kirche liegend montiert. Bereits im offenen Eingangsbereich wird der Besucher mit einer ihm bekannten und doch fremden Konstruktion konfrontiert. In der Kunsthalle sind nur noch bedingt Zeichen zu erkennen, die auf die Funktion und Architektur der ehemaligen Kirche hinweisen. Der Mast einer Fernleitung bildet ein Kreuz, welches der Größe des gesamten Kirchenbaues entspricht. Das Kreuz Christi versinnbildlicht durch eine Konstruktion, die dem nationalen und internationalen Energietransport dient.“ So der Künstler zu seiner Installation.
Den komplizierten Aufbau übernahmen spezielle Techniker, die solche Masten sonst für die Stromkonzerne aufstellen.

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Teile des Strommastes im Eingangsbereich

Die Ausstellung wurde am Sonntag, den 4.3.2012 eröffnet. Während der Eröffnung konnten die Besucher durch das Stahlungetüm, das in der musealen Umgebung eine eigene Ästhetik bekam, klettern und die technische Konstruktion des zusammengeschraubten Mastes aus der Nähe bewundern. Ironischerweise nennt der Künstler seine Installation “Unberührbar“, meint damit aber die unter Strom stehenden Originale.

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Klosteranlage St. Annen

Museumsdirektor Thorsten Rodiek, in seiner Eröffnungsrede bemüht klar zu machen, warum auch banale, technische Gegenstände in musealer Umgebung zur Kunst werden können, erinnerte an das berühmte Ready-made von Marcel Duchamp, der ein simples Urinal zur Kunst erklärte. Und als solches ist es bis heute akzeptiert. Er wies noch darauf hin, dass durch die Präsentation eines solchen Mastes im Museum die Bedeutung sich ändert und vielfältigst interpretierbar ist. So kann der Mast auch zum Fanal der Diktatur der Energiekonzerne werden.
Nach der Eröffnungsrede wurde ein Dauerton eingeschaltet, der den tatsächlichen Geräuschen einer Hochspannungsleitung entspricht. Da der Ton auch in den beiden Obergeschossen zu hören war und es somit kein Entrinnen gab, dachte ich voller Mitleid an das Aufsichtspersonal, das dem nun ununterbrochen ausgesetzt ist. Mir reichte eine halbe Stunde.

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Grundriss der Installation (Kreuz)

Mich hat der Einbau von technischer Infrastruktur in musealen Räumen, die zudem in einem mittelalterlichen Kloster untergebracht sind, tief beeindruckt. Auf solche einfache und zugleich geniale Idee kann nur ein ehemaliger Landschaftsarchitekt kommen, der sich nun ganz der Kunst verschrieben hat.
Das Lübecker St. Annen Kloster beherbergt nach meiner Meinung eine der schönsten modernen Kunsthallen in historischen Gebäuden.

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Strommast in der Kunsthalle

Im Jahre 2003 fertiggestellt steht der moderne Bau aus Stahl, Glas und Beton genau an der Stelle, an der sich die 1843 niedergebrannte St. Annen Kirche befand. Die bis heute erhaltenen Ruinenreste wurden fantasievoll in den Neubau integriert.
Genau diese Situation reizte den Künstler Kurt Fleckenstein, der in den letzten Jahren mit vielen Projekten, Ausstellungen und Installationen in Polen und der Bundesrepublik bekannt wurde. Fleckenstein hat Landschaftsarchitektur studiert an der Fachhochschule Weihenstephan, Volkswirtschaft in Mannheim und Regionalwissenschaft an der Universität Karlsruhe. Schwerpunkte des promovierten Wissenschaftlers waren Untersuchungen zum Thema raumplanerische Auswirkungen von großräumigen Infrastrukturvorhaben.
Im Alter von 50 Jahren beendete er die wissenschaftlich/planerische Tätigkeit und widmete sich ganz dem künstlerischen Schaffen. Seitdem hat er viele Ausstellungen in der Bundesrepublik gemacht, etliche auch in Polen und Russland.

Seine Objekte setzen sich mit der sie umgebenden Landschaft oder dem Stadtraum auseinander. Fleckenstein lebt in Mannheim, Wroclaw und Kiew. Die Lübecker Ausstellung ist bis zum 27. Mai zu sehen.

Text und Fotos Axel (07.03.2012, Quellen: Wikipedia, Kunsthalle St. Annen, Lübecker Nachrichten.)

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