Erinnern und Vergessen
Wie Gehirn und
Gesellschaft das Gedächtnis machen
von Dr. Erna Subklew
Im April 2005 brachte 3sat zum Gedenken an den sechzigsten
Jahrestag des Kriegsendes eine dreiteilige Sendung unter dem oben
genannten Titel. Begleitet wurde die Sendung von
Jan Assmann, Ägyptologe und Kulturtheoretiker,
Gerald Hüther, Neurobiologe, Psych. Klinik der Uni Göttingen und
Harald Welzer, Soziologe, Kulturwissenschaftliches Institut Essen.
Die Sendung bestand aus drei Teilen:
- Wir wollen uns erinnern
- Dem Vergessen auf der Spur
- Rituale, Reden und Gedenkstätten.
Die folgenden Abschnitte bringen eine Inhaltsangabe der einzelnen
Sendungen.
Wir wollen uns erinnern
Erinnerungen organisieren unser
Leben. Sie verbinden Menschen zu Kollektiven und Nationen. Wie
funktioniert der Prozess der Erinnerung?
Das Gehirn verarbeitet eine Menge von Sinneseindrücken und Gedanken und
muss sich in kürzester Zeit entscheiden, was so wichtig ist, dass es
erinnert werden muss. Wenn aber Wichtiges gespeichert werden soll, muss
zunächst anderes vergessen werden. Forschern ist es gelungen
nachzuweisen, dass Botenstoffe und Strukturen beim Erinnern eine
wichtige Rolle spielen.
Ursprünglich wurde die Vergangenheit durch Zeichen, Riten, Tänze
und Lieder transportiert. Viel später kam dann die Verschriftlichung
dazu. Objektive Zeugen der Vergangenheit sind aber nur Bauwerke,
Monumente und Relikte. Alle anderen Quellen sind keine objektive
Historiographie.
Dem Vergessen auf der Spur
Unser Gehirn ist flexibler als ein Computer. Unterschiedliche
Informationen werden in verschiedenen Regionen des Hirns gespeichert. So
wird bewusst Gelerntes im semantischen Gedächtnis, persönliche
Erlebnisse und die eigene Lebensgeschichte im episodischen und
unbewusste Bewegungsabläufe im prozedualen Gedächtnis gespeichert. Muss
man sich eine Telefonnummer speichern, so kommt sie ins
Kurzzeitgedächtnis, aus dem sie wieder verschwindet, wenn sie nicht
wieder abgerufen wird.
Jede Nervenzelle ist durch Synapsen mit anderen verbunden und so bilden
die Zellen ein Netzwerk. Je nachdem wie oft Informationen gespeichert
oder gelöscht werden, bauen sich die Synapsen auf oder ab. Natürliches
Vergessen und krankhaftes Vergessen sind unterschiedlich.
Rituale, Reden, Gedenkstätten
Das einzige Mittel gegen das Vergessen ist, sich zu erinnern.
Zeitzeugen werden immer älter und können bald nicht mehr befragt werden.
Wir müssen aber das, was passiert ist, weitergeben, um das Geschehene
aufzuarbeiten. Wir müssen dafür sorgen, dass es nicht aus dem
kollektiven Gedächtnis schwindet. Die politische Kultur der
Bundesrepublik muss dafür sorgen, dass nicht noch einmal gegen die
Menschenwürde durch Verbrechen verstoßen wird. Dies geschieht durch
Gedenkstätten, Gedenktage und Reden. Die Auseinandersetzung mit den
Tätergeschichten kann man aber nicht in öffentlichen Veranstaltungen
sichtbar machen.
Hier kann man mehr erfahren:
http://www.3sat.de/delta78134/index.html
http://www.3sat.de/delta78135/index.html
http://www.3sat.de/delta78136/index.html
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