Ausgabe Nr. 36                         Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung älterer Erwachsener
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Sind Erinnerungen authentisch?

                                                                    von Dr. Erna Subklew

 

Bei der Recherche zu Lerncafe 36 fand ich im Internet eine Buchbesprechung von Iris Mainka aus der Zeitung  „Die Zeit“ 37/96  über das Buch:
John Kotre: Weiße Handschuhe. Wie das Gedächtnis Lebensgeschichte schreibt.(Hanser Verlag 1996)
Hier eine Zusammenfassung des sehr interessanten Artikels.

Inhalt des Buches
Der Autor kann sich noch gut an die weißen Handschuhe seines Großvaters erinnern. Vor allem an den Tag, als der Großvater seine weißen Seidenhandschuhe samt seiner Klarinette auf den Speicher trug.  Großvater wollte damit einen Schlussstrich unter sein bisheriges unsicheres Leben als Musiker ziehen, es  beenden und einem sicheren Broterwerb nachgehen.
Als sein Enkel eines Tages in einer Lebenskrise steckt, taucht in seinem Gedächtnis jenes Ereignis auf. Nur hat der Autor dieses Ereignis nie miterlebt, er hat weder die Handschuhe noch die Klarinette gesehen, sondern kennt alles nur aus den Erzählungen seines Vaters.

Wahres oder Unwahres
John Kotre, Psychologiedozent an der Universität  Michigan-Dearborn befasst sich seit Jahren mit dem Wahrheitsgehalt von Lebensgeschichten. Lebensgeschichten und Oral History haben in den letzten Jahren einen immer höheren Stellenwert erhalten. Kotre sagt, dass unser Gedächtnis nicht wie ein Videorecorder arbeitet, der auf Knopfdruck Gespeichertes getreu wiedergibt. Das Gedächtnis schreibt vielmehr Erfahrenes ständig um, es fügt hinzu und streicht und es misst dem Erinnerten auch eine andere Bedeutung zu.
Der Psychologin Elisabeth Loftus ist es in einer Pilotstudie gelungen, nachzuweisen, dass Erfundenes, das in die jeweilige Lebensgeschichte passt, sehr schnell  in die Reihe der eigenen Erinnerungen aufgenommen wird. So erzählte man einem 14jährigen Jungen, dass er als Kleinkind beim Einkauf mit seiner Mutter verloren gegangen und schließlich bei einem alten Manne aufgefunden worden sei. Schon nach kurzer Zeit gab der Proband  diese Erzählung als eigenes Erlebnis wieder. In dem Fall löst dies vermutlich nur ein Lächeln aus. Was aber ist, wenn man sich in wichtigen Situationen falsch erinnert?

Falsche Erinnerungen
Was  passiert, wenn wir uns z.B. bei Gericht bei einer Zeugenaussage falsch erinnern? Bei der Watergate-Affäre bewunderte man einen Zeugen wegen seines außerordentlich guten Gedächtnisses. Wenig später entdeckte man, dass bei dem Ereignis, dass er beschrieben hatte, tatsächlich ein Tonband gelaufen ist und verglich Tonband und Aussage. Man stellte fest, dass der Zeuge in seinen Bericht Einzelheiten hineingenommen hatte, die er zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnte und erst viel später gehört hatte.
Noch viel vorsichtiger muss man bei Erinnerungen von Kindern sein, denn das Gedächtnis des Menschen entwickelt sich Schritt für Schritt.
Daneben ist das Erinnern stark durch die Art der Befragung beeinflussbar, und der Wahrheitsgehalt nimmt bei jeder Befragung ab. Der Erzähler aber glaubt aber immer fester an das, was er erzählt hat.
Eine lesenswerte Rezension, ein lesenswertes Buch.
http://www.zeit.de/1996/37/thema.txt.19960906.xml?page=all 

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