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„Erinnern ist nicht genug“
                              von Roland Huber
„Erinnern muss auch eine Perspektive der Gegenwart und der Zukunft haben". Diese Sätze schrieb mir Hedy Epstein in das Exemplar ihrer gleichnamigen Biografie.

Besuch einer alten Dame
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Am 24. Oktober 2001 kam die zierliche Frau aus St. Louis USA im Rahmen einer  Vortragsreise durch Deutschland auch nach Gottmadingen. 1924 wurde sie als Hedy Wachenheim geboren. Ihre Heimat war einmal das badische Kippenheim. Ihre jüdischen Eltern schickten das begabte Mädchen auf das Realgymnasium in Ettenheim.

Reichskristallnacht
Weil sie ein jüdisches Kind war, wurde sie am 9. November 1938 für immer der Schule verwiesen. Den Vater hatten SA-Leute abgeholt und ins Konzentrationslager Dachau transportiert. Die übrige Familie verblieb in Angst und Ungewissheit. Nach vier Wochen kehrte der Vater kahl geschoren und krank wieder nach Hause zurück. Die Eltern versuchten nun auszuwandern, aber vergeblich.

Kindertransport
Am 18. Mai 1939 stand Hedy mit ihren Eltern auf dem Frankfurter Bahnhof. Es waren die letzten gemeinsamen Minuten. Zusammen mit anderen 500 Kindern wurde sie nach England verschickt. Erst Jahre später verstand sie, dass ihre Eltern an diesem Tag ihr zum zweiten Mal das Leben geschenkt haben.

Über Gurs nach Auschwitz
Am 22. Oktober 1940 wurden auch die Eltern und Verwandten aus Kippenheim vertrieben und in das Internierungslager nach Gurs in Südfrankreich verschleppt. Baden ist judenfrei, meldete der Gauleiter Robert Wagner dem Führer nach Berlin. Bald wurden auch die Eltern auseinander gerissen. Der Vater kam in ein Arbeitslager in der Nähe von Marseille. Einige Briefe konnten noch wechselseitig ausgetauscht werden. Nach zwei Jahren kam eine letzte Postkarte, mit zittriger Hand geschrieben, in England an: „Meine liebe Hedi, auf der Fahrt nach Osten sendet Dir von Montauban noch viele innige Abschiedsgrüße - Deine liebe Mutti - 4. September 1942".

Nach dem Kriege
Hedy Wachenheimer arbeitete eine Zeitlang beim Nürnberger Ärzteprozess für die Anklagevertretung. 1947 machte sie einen Besuch in Kippenheim, in eine amerikanische Uniform gehüllt. Sie brachte es nicht über sich, in ihr Elternhaus einzutreten. Sie spürte einen tiefen Hass gegen alles Deutsche und entschloss sich, in die USA auszuwandern. Hedy heiratete und wurde Frau Epstein. 1960 ging sie zum ersten Mal als US-Staatsbürgerin zur Wahl.

Pilgerfahrten  in die Vergangenheit
Im Sommer 1970 besuchte sie mit ihrem Mann und ihrem vierzehnjährigen Sohn Kippenheim und zeigte ihnen, wo sie als Kind gewohnt hatte. In den Gesprächen mit Kippenheimern wurde sie gewahr, dass kein Hass mehr sie erfüllte.
1980 kam sie von neuem nach Europa zurück. Zuerst besuchte sie das ehemalige Camp de Gurs und  entdeckte dort das Grab ihres Großvaters. Sie fuhr weiter nach Dachau und Auschwitz. Vor Ort, nach über 35 Jahren, begann sie zu begreifen und zu akzeptieren, dass ihre Eltern der Mordmaschinerie nicht entgangen waren.

Gegenwart und Zukunft
Für Hedy Epstein bezieht sich das „Nie wieder" nicht nur auf Juden, sondern auf alle Menschen. Unzählig sind ihre Einsätze als Bürgerrechtlerin, in den USA und in vielen anderen Ländern der Erde. Hier nur zwei aktuelle Beispiele:
Sie kämpft für die Gleichberichtigung der Palästinenser, hat freundschaftliche Beziehungen zu palästinensischen Familien. Sie macht bei der internationalen Initiative „Free Gaza" mit.
Nach den schrecklichen Ereignissen des 11. September 2001 steuert Hedy Epstein gegen das allgemeinen Misstrauen an. Sie und eine Gruppe von Leuten helfen Menschen, die wie Araber aussehen und Angst haben auf die Strasse zu gehen. Sie begleiten sie bei alltäglichen Besorgungen, Arztterminen, gehen mit den Kindern auf einen Spielplatz, suchen Wohnungen für immigrierte Araber.

Ausblick
Wie es der alten kämpferischen Dame wohl geht? Ich stelle mir vor,  dass die Inauguration von Barack Obama  als Präsident der Vereinigten Staaten sie mit Freude und  neuer Hoffnung erfüllt hat.
Was ziehen wir für Konsequenzen aus unseren Erinnerungen?
Robert Krais, der Vorsitzende des Deutsch-Israelischen-Arbeitskreises Südlicher Oberrhein e.V. hat im Jahr 1997 einem Vortrag das Motto vorangestellt:
Durch Begegnen zum Erinnern - Durch Erinnern zum Begegnen - Erinnerung als Ende der Verdrängung
Zur Zeit befasst sich der Bundestag mit der Absicht, die so genannten „Kriegsverräter" im 2. Weltkrieg generell zu rehabilitieren. Es sind 63 Jahre seit dem Kriegsende vergangen

Links:
Besuch Hedy Epstein besucht die Realschule Ennepetal
 
Geschichtskurs des Gevelsberger Gymnasiums
 
Beschreibung der Biografie „Erinnern ist nicht genug"
 
Berlin-Mitte Jugendtheaterwerkstatt Moabit   zeigt prämiertes Schauspiel  „Der Sprung"  - Hedi Epstein lehrt die Freiheit

Zeit-Artikel
 
Eine heimatliche Ehrung von Hedy Epstein  in Alemannischer Sprache  in der Badischen Zeitung Mundartglosse Lueginsland
 
Besuch beim Wittener Berufskolleg
 
Neue Rheinische Zeitung

Interview mit Hedy Epstein  von Silvia Cattori

Kindertransporte nach Großbritannien 1938/39


 

 
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