von Dr. Erna Subklew In der letzten Zeit häufen
sich die Berichte, dass junge türkischstämmige Akademiker, die in Deutschland
geboren sind und zum Teil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, wieder in
die Türkei zurückwandern.
Im Mai 2008 brachte der Spiegel einen Artikel unter
dem Titel „Jung, gut und unerwünscht". Er beschreibt die Situation junger
türkischer Akademiker in Deutschland. Der Artikel beruht auf einer Forschung
des Krefelder Instituts „futurorg", das 250 junge türkische und
türkischstämmige Akademiker, von denen etwa 75 Prozent hier geboren sind, über
ihre Gedanken zur Zukunft befragte. 38 Prozent von ihnen sagten, dass sie in
die Türkei auswandern wollten. Von diesen gaben viele als Grund an, dass ihnen
in Deutschland das „Heimatgefühl" fehle. Die überwiegende Mehrzahl, also 80
Prozent gab auch an, dass die Integrationspolitik in Deutschland nicht
glaubwürdig sei.
Kamuran Sezer, der Leiter dieser Studie, bewertet diese Aussagen als ein
Armutszeugnis für Deutschland, das angesichts des großen Bedarfs an Akademikern
nicht fähig ist, die qualifizierten Kräfte im Land zu behalten.
Akademikerbedarf in Deutschland
Inzwischen wissen wir alle, dass unser Bedarf an Akademikern nur noch mit Hilfe
von Migranten gedeckt werden kann. Und hier verzichtet man auf ein Potenzial,
das im Lande ausgebildet wurde. In Deutschland besuchen inzwischen ungefähr
20.000 junge türkischstämmige Studenten die Universität, von denen 7.000 wieder
in das Land der Eltern zurückkehren werden, wenn die Aussage eintrifft.
Akademikerbedarf in der Türkei
Die Türkei hat in den letzten Jahrzehnten eine ungeahnte Industrialisierung
erlebt. Der Bedarf an Experten ist sicherlich fast so groß, wie in den
westlichen Ländern. Es ist daher nur natürlich, dass man sich um die gut
ausgebildeten Akademiker aus Deutschland bemüht. Diese jungen Leute sind
zweisprachig aufgewachsen und sprechen zusätzlich mindestens noch Englisch,
wenn nicht noch eine vierte Sprache. Durch die in Deutschland und in der Türkei
unterschiedliche Art der Lehrstoffvermittlung wird zugleich eine andere
Arbeitshaltung mittransportiert. So gut ausgebildete Akademiker sind in der
Türkei rar. In der Regel sprechen die Studenten dort nur eine Fremdsprache
neben ihrer Muttersprache. Es sei denn, sie gehören einer Minderheit an oder
haben eine Privatschule besucht. So verwundert es nicht, wenn man gern im
Ausland ausgebildete Akademiker einstellt, auch wenn man ihnen oft ein höheres
Gehalt zahlen muss.
Die Jobsuche
Viele türkische Akademiker in Deutschland beklagen, dass sie aufgrund ihres
fremd klingenden Namens bei der Arbeitssuche benachteiligt würden, selbst dann,
wenn sie die besseren Zeugnisse hätten. Das mag im Einzelfall so sein. Dagegen
spricht aber, dass es bei Fernsehen und Rundfunk viele Menschen mit einem auf
eine Einwanderung hinweisenden Namen gibt. Angefangen von den Sprechern bis zu den
Kabarettisten, Schauspielern und dem technischem Personal, wobei auffallend
viele türkische Namen erscheinen. Vor einigen Jahren war die jüngste
Professorin Deutschlands türkischstämmig.
Kann es sein, dass die Ablehnung mehr gefühlt als real ist? Wie könnte es sonst
sein, dass die fünf Akademikerkinder eines türkischen Schreiners vom Schwarzen
Meer keine Schwierigkeit hatten bei ihrer Jobsuche?
Überlegung
Es ist meiner Meinung nach so, dass das Heimatgefühl, das die türkischen
Akademiker hier vermissen, in der Türkei vorhanden ist. Dies hat mehrere
Gründe: Ungefähr 80 Prozent der türkischen Familien der zweiten Generation
erziehen ihre Kinder noch so, wie sie es von der Türkei her gewohnt sind. Man
fährt zwar nur in den Ferien in die Türkei, aber der größte Teil der Familien
hat dort noch Verwandte und ein Haus. Die Bindung ist nie abgerissen. Im
Gegenteil, das Ansehen des Landes ist noch gestiegen, weil es nun für sie zum
Urlaubsland geworden ist, weil man dort nicht arbeitet und die Zeit genießt.
Bei einer Rückkehr in die Türkei mit einem guten Job steigt das soziale Ansehen
vor allem im Familienkreis, aber auch generell hat dort ein Akademiker ein
größeres Ansehen als in Deutschland. Daneben spielt sicherlich auch eine große
Rolle, dass neben dem fast gleichen oder sogar höheren Gehalt, die
Lebenshaltung günstiger ist. Damit hat man in der Türkei das bessere
Lebensgefühl.