von Margret Budde
Diagnose: "Hepatitis C". Ich bin entsetzt.
Dann höre ich auf die Frage, wie lange ich noch zu leben habe, die Antwort
"vielleicht ein Jahr ---- eventuell aber auch noch zwanzig oder
dreißig". Da scheint die Welt zusammenzubrechen. Jedoch es kommt anders.
Beginn eines Dramas
Die Nachricht über die Erkrankung erhielt ich 1996 bei einer
Routineuntersuchung und musste erst einmal damit fertig werden. Da zu dieser
Zeit kaum etwas über Hepatitis C bekannt und die Erforschung dieser
Virusinfektion im Anfangsstadium war, hatten auch die Hausärzte nur wenig
Wissen hierüber. Erst Ende der achtziger Jahre konnte die Hepatitis C
diagnostiziert werden, die bis dahin "Hepatitis Non A -Non B" hieß.
Als ich nach einigen Tagen mit einem Zettel und fünfzehn Fragen zu meinem Arzt
kam, sah ich nur große Augen. "Hoffentlich kann ich alles
beantworten", sagte er. Zum Teil konnte er es. In der Folgezeit lieh ich
in jeder erreichbaren Bücherei Medizinbücher aus. Denn 1996 konnte man im
Internet noch wenig recherchieren. Ein Arbeitskollege riet mir, keinem weiteren
Kollegen von dieser Erkrankung zu berichten, um nicht alle Kontakte zu
verlieren - unberechtigt .Hepatitis C galt als hoch ansteckende Erkrankung. Ist
sie auch.
Aber Unwissen macht Menschen ängstlich.
Die erkrankte Leber
Hepatitis bedeutet Entzündung der Leber. Neben den Viren A, B, C - um die
wichtigsten zu nennen - und Autoimmunerkrankungen, bei denen der Körper sein
eigenes Immunsystem angreift, stellen Toxine durch Alkohol und Medikamente aber
auch Stoffwechselerkrankungen und Übergewicht die Ursache für eine
Lebererkrankung dar. Wenn nach sorgfältiger Untersuchung die Ursache der
Erkrankung feststeht, muss das geeignete Mittel gesucht werden. Jede einzelne
Hepatitis muss anders behandelt werden. Was für die eine notwendig ist, kann
für eine andere absolut schädlich sein. Einige Lebererkrankungen heilen aus,
andere werden chronisch und bringen den Betroffenen mit ihren
Folgeerscheinungen wie Zirrhose und Leberzellkarzinom in eine lebensbedrohliche
Situation. Da die Leber selbst nicht schmerzt, wird oft erst dann die Krankheit
festgestellt, wenn sie Schaden genommen hat. Darum gilt eine gesunde Lebensweise
nebst medizinischem Wissen über seinen Körper zur wichtigsten Prävention.
Hepatitis C
Bei mir wurde eine chronische Hepatitis C mit der Vorstufe zur Zirrhose
festgestellt. Also musste ich, um ein Fortschreiten des Leberzerfalls
aufzuhalten, an einer Interferon/Ribavirin-Therapie teilnehmen.
Ein Jahr lang jede Woche Interferon spritzen und jeden Tag Tabletten einnehmen,
die erhebliche Nebenwirkungen hatten, stand mir bevor. Ich wurde über die
Nebenwirkungen aufgeklärt, dies bedeutete: sehr wahrscheinlich ein Jahr lang
mit schweren weiteren Beschwerden, die wieder mit Medikamenten und deren
Nebenwirkungen gelindert werden mussten und mir den Alltag mühevoll gestalten
sollten. Aber als Ergebnis stand mir wenigstens ein Stillstand des
Leberzerfalls oder gar eine Heilung wie in 60 Prozent der Fälle bevor. Es
musste also weitergehen.
Monatliche Zeitungsnotiz; M. Budde
Da kam mir die oft schon gelesene und als allgemeine Information für mich
gespeicherte Zeitungsnotiz über eine Selbsthilfegruppe für Hepatitis C
Erkrankte wieder in den Sinn. Könnte ich dort eventuell Rat und Hilfe erfahren?
Hepatitis C Selbsthilfegruppe
Fragen über Fragen tauchten auf. Bei der nächsten Gelegenheit notierte ich die
Telefonnummer, rief an und konnte mit diesem Menschen sehr ausführlich über
meine Fragen und Nöte sprechen. Die Einladung zum Gruppentreffen nahm ich
dankend an. Fortan traf ich mich monatlich mit damals durchschnittlich zwanzig
Hepatitis Erkrankten, von leicht Erkrankten bis hin zu den vom Krebs gezeichneten,
oder solchen, die kurz vor einer Lebertransplantation standen und um ihr Leben
kämpften.
Jeder in der Gruppe konnte die Beschwerden aus eigener Erfahrung nachempfinden
und oft besser verstehen, als die Menschen im engsten Umfeld. Das Sprechen in
diesem Kreis tat mir gut. Hier spürte ich, dass die Last, die ich trug, in
dieser Gemeinschaft auf mehreren Schultern ruhte. So wie ein Tisch auf nur
einer Säule schwerlich in Balance gehalten werden kann, so wurde in dieser
Gruppe einmal mehr deutlich, dass viele Säulen gemeinsam eine weitaus größere
Last tragen können.
Die Gruppe
Hepatitisgruppe Kreis Unna; M. Budde
Seit Bestehen der Selbsthilfegruppe trifft diese sich monatlich einmal. In
erster Linie kann hier jeder wichtige Informationen über seine Erkrankung
erhalten. Denn die Person, die sich als Ansprechpartner für eine Gruppe bereit
erklärt hat, ist Mittler zwischen Krankenhäusern, Ärzten und sonstigen
Institutionen und uns Erkrankten. Diese erhält von übergeordneten Stellen wie
Krankenhäusern, Universitäten und Ärzten medizinische Weiterbildung aber auch
Fachschriften, um uns zu unterstützen. Hierarchisches Denken ist hier gänzlich
unbekannt. Wir sind uns gegenseitig Stütze besonders durch Zuhören. Der
gewählte Sprecher trägt aber die Aufgabe jeglicher Organisation, was als
meistens selbst Erkrankter mit teilweise erheblichen gesundheitlichen
Beeinträchtigungen in einer großen Gruppe nicht immer ganz einfach ist.
Oberster Grundsatz ist die Verschwiegenheit, da in solch einem Kreis ganz persönliche
Befindlichkeiten ausgetauscht werden.
Von der Gruppe zum Verein
Kamen in den ersten Jahren nur Erkrankte aus dem Kreis Unna zu uns, so weitete
sich der Kreis auf die angrenzenden Städte und Kreise aus. Wir gründeten einen
gemeinnützigen Verein mit zwei weiteren Gruppen in den Nachbarstädten. Das
bedeutete, dass neben der Vereinsführung auch drei Gruppen betreut werden
mussten. Für alle Beteiligten war dies eine große Herausforderung sowohl in
organisatorischer als auch zeitlicher Hinsicht.
Veranstaltungsplakat; M. Budde
So war nicht nur in der Gründungsstadt Unna der jährliche Arzt-Patiententag in
einem Krankenhaus auszurichten, sondern auch in den beiden anderen Städten
Soest und Hamm sollten wenigstens alle zwei bis drei Jahre die Menschen in
einer großen Veranstaltung Informationen über die Hepatitis erhalten können.
Kontakte zu den einzelnen Krankenhäusern und Fachärzten wurden geknüpft. Als
Verein waren wir in der Pflicht, auch mit anderen Organisationen
zusammenzuarbeiten, was für eine Gruppe nicht erforderlich war.
Aufgaben und Ziele
Neben der gegenseitigen persönlichen Hilfestellung haben wir uns aber auch
allgemeine Aufgaben und Ziele gesetzt. Die selbst erstellten Gruppenflyer und
Flyer für die einzelnen Hepatitis Erkrankungen verteilen unsere
Gruppenmitglieder in Gesundheitsämtern, bei Ärzten, Apotheken und in allen
öffentlichen Gebäuden. Bei den jährlichen Arzt-Patientenseminaren in den
Krankenhäusern sehen wir wachsende Besucherzahlen. Das zeigt uns die
Verantwortung der Menschen für sich selbst und das Bedürfnis nach Gesundheit
und Wohlergehen. An Gesundheitstagen und -ausstellungen beteiligen wir uns mit
einem Infostand. Aber wir bieten auch bei einer Anfrage in Schulen und
Kindergärten unsere Hilfe an. Das geschaltete Infotelefon wird besonders häufig
genutzt. Auf der seit 2005 geschalteten Internetseite sind außerdem wichtige
Informationen und Adressen der mit uns kooperierenden Institutionen abzurufen.
Bis 2008 betreute ein Gruppenmitglied Hepatitiserkrankte in einem Zuchthaus.
Unsere Unterstützer
Signet der Deutschen Leberstiftung; M. Budde
Diese umfangreiche Arbeit können wir allerdings nicht ohne Hilfestellung
leisten. Als wichtigste sind die Ärzte zu nennen. Sie halten ihre Vorträge für
uns nicht nur kostenlos, sondern sind in allen drei Städten sofort bereit, auch
zu Gesprächen in die Gruppen zu kommen. In der ärztlichen Sprechstunde bleibt
einfach in heutiger Zeit zu wenig Raum für die Belange eines chronisch Kranken
übrig. Alle Ärzte weisen der Arbeit in einer Selbsthilfegruppe hohen
Stellenwert zu. Nicht umsonst wird bei einer Behandlung besonders in den
Universitäten und auf Hepatitis spezialisierten Kliniken sehr oft nach der
Mitgliedschaft in einer Selbsthilfegruppe gefragt. Weiterhin finden alle Selbsthilfegruppen
tatkräftige Unterstützung in den Kontaktinformationsstellen K.I.S.S., die uns
Ansprechpartnern das nötige Rüstzeug für alle organisatorischen Arbeiten geben.
Durch gesetzliche Regelung zahlen die Krankenkassen auf Antrag eine kleine
Summe für bestimmte Ausgaben.
Was bedeutet Selbsthilfe für mich?
In Deutschland schätzt man die Zahl der chronisch Erkrankten bei Hepatitis B
und
Hepatitis C auf je 500 000 Personen. Ich habe das große Glück gehabt, zu den 60
Prozent der Geheilten zu gehören.
Als ich mir ausmalte, dass mein Leben eventuell nur noch einige Wochen dauern
könnte, hat mir die Gruppe immer wieder Mut gemacht, die schwierige Therapie
durchzuhalten. Wir unterstützen und stützen uns gegenseitig.
Jetzt sehe ich nach der Heilung meine Aufgabe darin, diese erfahrene Hilfe
weiterzugeben an Menschen, die meiner Hilfe bedürfen. Neben der
Erfahrungsweitergabe helfen wir bei der Facharzt- und Fachkliniksuche und
verteilen Informationsschriften. Denn Aufklärung ist dringend erforderlich.
Alle Hepatitis Erkrankungen können behandelt werden,
einige können geheilt werden,
viele könnten vermieden werden.
Krankheit ist ein Teil unseres Lebens. LEBEN ist der andere Teil.
Dem wenden wir uns in besonderer Weise zu.
Links:
Hepatitis Hilfe Unna Hamm Soest
Deutsche Leberhilfe als größte Deutsche Selbsthilfevereinigung für Hepatitis
Erkrankte
Hier ist es möglich, einen Lebertest online zu machen
Das staatliche Institut für Krankheitsüberwachung und Prävention
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