"Gehen, ging, gegangen"

Zur Vorbereitung auf das Buch "Gehen, ging, gegangen" von Jenny Erpenbeck:

Zwei Videos über/mit der Autorin.

Biographie
Jenny Erpenbeck (Autorin)

gefunden bei Perlentaucher

Jenny Erpenbeck wurde 1967 in eine Berliner Schriftstellerdynastie geboren. Ihre Großmutter Hedda Zinna schrieb Romane, ihr Großvater Fritz Erpenbeck war Krimiautor und gründete die Zeitschrift `Theater der Zeit`. Ihr Vater John Erpenbeck ist ein bekannter Physiker, Philosoph, Psychologe und Romanautor, und ihre Mutter Doris Kilias arbeitet als Übersetzerin. Nach einer Buchbinderlehre und Tätigkeiten als Requisiteuse und Ankleiderin an der Staatsoper Berlin studierte Jenny Erpenbeck in Berlin Theaterwissenschaften und Musiktheaterregie, u.a. bei Peter Konwitschny, Ruth Berghaus, Werner Herzog und Heiner Müller. Seit 1991 arbeitete sie zunächst als Regieassistentin und inszenierte danach Aufführungen für Oper und Musiktheater in Berlin und Graz. Sie lebt als freie Autorin und Regisseurin in Berlin.

Rezension
Marcus@BücherKaffee  Datum: 12.11.2015
gefunden bei Random House
www.buecherkaffee.de

In den Medien erfährt Richard von den Flüchtlingen, die über das Mittelmeer kommen. Er hört von Asylanten, die in seiner Heimatstadt Berlin für eine bessere Behandlung protestieren. Er fragt sich, wer diese Menschen sind, die aus Ländern stammen, von denen er weder die Hauptstadt nennen kann noch wo genau die sich auf dem afrikanischen Kontinent befinden. Um Antworten zu finden auf seine Fragen macht er das für ihn einzig sinnvolle: er sucht sie auf um sie zu befragen. Und so lernen er und wir als Leser einige der jungen Männer kennen, die nach ihrer langen Flucht in Berlin gelandet sind.
Täglich hören oder lesen wir von den vielen Menschen, die im Mittelmeer ertrinken. Von dem nicht abreißenden Strom derer, die vor Krieg und willkürlicher Gewalt fliehen, die Freunde und Familie zurücklassen oder verloren haben und in Europa, in Deutschland, Sicherheit und eine stabile Zukunft suchen. Die abstrakten Zahlen, die auf uns niedergehen, lassen viele abstumpfen, man gewöhnt sich daran. Jenny Erpenbeck gelingt es mit ihrem Buch, diese Distanz zu überbrücken. Sie beschreibt die Grausamkeiten, die viele der Flüchtlinge erlebt haben, die Wege, die Tausenden das Leben kosten und die Ungewissheit, wann und wo es für sie eine neue Existenz geben kann.
Sie entlarvt aber auch die abstruse Logik derer, die die Grenzen dichtmachen wollen und ihre Hilfe verweigern.
Führt der Frieden, den sich die Menschheit zu allen Zeiten herbeigesehnt hat und der nun in so wenigen Gegenden der Welt bisher verwirklicht ist, denn nur dazu, dass er mit Zufluchtsuchenden nicht geteilt, sondern so aggressiv verteidigt wird, dass er beinahe schon selbst wie Krieg aussieht?" (Seite 298)
Die allermeisten Orte in Deutschland werden Flüchtlinge aufnehmen, und ich bin erleichtert, dass sich auch in meiner Umgebung eine positive Willkommenskultur durchgesetzt hat. Es muss eine große Erleichterung sein für jemanden, der in einem fremden Land mit fremder Sprache ankommt, wenn er freundlich empfangen wird und ihm geholfen wird. So viel Menschlichkeit sollte eigentlich selbstverständlich sein.
Die jungen Männer dürfen nicht arbeiten und sie dürfen nicht reisen. Die Bürokratie und die Gesetzgebung der EU verdammen sie zum Nichtstun. Ich bekomme durch das Buch ein Gespür dafür, dass die Politik der Situation nicht gewachsen ist. Eine effektive Lösung ist in nächster Zeit wohl leider auch nicht zu erwarten. Hut ab vor all den Menschen und Organisationen, die hier einspringen und die Hilfebedürftigen auch durch den Paragraphenwald lotsen.
Richard lebt in Ostberlin, und so wurde er nach dem Fall der Mauer vom „Ossi" zum „Wessi". Ich finde es sehr bemerkenswert, wie die Autorin Richards Leben und damit auch die deutsche Geschichte mit in das Geschehen einbindet. Er weiß, dass die Gesellschaft sich immer wieder verändert. Daher steht er den Fremden völlig aufgeschlossen gegenüber. In einer sehr nüchternen Art betrachtet er, wie mit den Asylsuchenden umgegangen wird.

03.02.2016-Erna.

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