Die deutsche Grenze

Mit der Eroberung Deutschlands durch die alliierten Streitkräfte war der wahnsinnige zweite Weltkrieg beendet. Der Artilleriebeschuss hörte auf, alles verlief friedlich, unser Haus war beschädigt, aber bewohnbar.

Unter amerikanischer Besatzung

Im Frühjahr 1945, am 15.4. zogen In meinem Heimatort die Amerikaner ein. Es war ein wunderschöner Frühlingstag.   Die Amerikaner fuhren in ihren Jeeps durch die Straßen, kümmerten sich wenig um die Zivilbevölkerung.
Doch nach ein paar Wochen kursierten Gerüchte. In solchen Zeiten haben Gerüchte Hochsaison. Es gab kaum Informationsmöglichkeiten, sehr spärlich über den Rundfunk. Das Gerücht hieß: „Die Russen kommen.“ Deutschland war erobert, russische und amerikanische Streitkräfte trafen sich viel weiter östlich von uns, etwa im Elbbereich (Mitteldeutschland.)

Darum konnten wir das nicht glauben, denn wir waren doch bereits amerikanisches Besatzungsgebiet. Niemand konnte das glauben. Warum sollte die russische Armee hierherkommen, ein Vierteljahr nach Kriegsende? Welch ein Unsinn!

Russische Besatzung

Aber Ende Juni neunzehnhundertfünfundvierzig zogen die Amerikaner ab, mit Sack und Pack. Am ersten Juli 1945 kamen sie, die russischen Soldaten, ein ganzer LKW voll. „Sie sind am Kurpark“, sagte meine Mutter, „aber du bleibst hier.“ Ich schlich mich trotzdem davon, blieb in respektabler Entfernung stehen: tatsächlich, da lachten sie, spielten auf dem Akkordeon und verteilten Bonbons an die Kinder drum herum. Sie waren sehr freundlich. Was vorher verbreitet worden war, stimmte also gar nicht, dachte die Elfjährige. Sie sangen fremdartige schöne Lieder, das gefiel mir. Trotzdem blieb ich auf Distanz.

Was war geschehen? Was hatte das zu bedeuten?

Es war ein Territoriumsdeal unter Siegermächten. Das Territorium der Hauptstadt war von der sowjetischen Armee erobert worden. Die anderen (von Westen kommenden) Siegerstaaten wünschten auch ein Besatzungsrecht in der Hauptstadt.  Dafür erhielten die Eroberer anderes erobertes Territorium. Das war ein Teil von Mitteldeutschland und dazu gehörten wir. Die Grenze zum weiteren amerikanischen Besatzungsgebiet verlief genau westlich von unserem Städtchen. Sie gehörte dann zur nach Norden und Süden verlaufenden deutsch-deutschen Grenze. Das war der Anfang einer unvorstellbaren Grenzziehung mitten durch Deutschland, später mit Elektrozäunen, Todesstreifen, Wachtürmen und Schießanlagen. Der „eiserne Vorhang“ hatte 46 Jahre Bestand. Er teilte ein Volk in zwei Denk- und Lebenslager.

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