Die Reise nach Madagaskar

Ein schöner Tag – eigentlich der 2. von zwei schönen Tagen – der 3. und 4. 7. 1993

Im Dezember 1992 hatte mein Sohn Gregor, geboren 1972, seinen 14-monatigen Zivildienst beendet und war auf der Suche nach einem für ihn passenden Beruf. Nach einigen Praktika in Schreinerbetrieben beschloss er, eine Schreinerlehre zu machen, die am 1. 9. 1993 beginnen sollte. Bis dahin verdiente er Geld als Praktikant und plante mit seinem zwei Jahre jüngeren Freund eine sechswöchige Radtour durch Madagaskar. Ich, eine ängstliche Mutter, war von dieser Idee gar nicht angetan, hatte aber dem Plan der jungen Erwachsenen nichts entgegenzusetzen.

Gemischte Gefühle

Der Reisebeginn wurde auf den 3. 7. festgelegt, der Flug ab Zürich gebucht, die Jungen bereiteten sich gründlich vor.
Mein anderer Sohn Clemens kam eigens von München, seinem Studienort, um mit mir seinen Bruder zu verabschieden. Außerdem hatten wir an diesem Wochenende einen Gast im Haus, den Berliner Sänger Jörg G., der als Solist mit dem Chor, dem ich angehörte, die Baritonpartie im Messias in Roggenburg singen sollte.
So hatten wir ein interessantes und lebendiges Wochenende. Ich blickte einerseits besorgt der Abreise der Jungen entgegen, andererseits war ich von großer Vorfreude auf die Aufführung des Messias erfüllt.
Am Samstagnachmittag, 3. 7., fuhren die Eltern von Gregors Freund und ich mit meinen beiden Söhnen mitsamt Gregors Fahrrad zum Flughafen Zürich. Wir verabschiedeten uns und sahen noch, wie die Jungen ins Flugzeug einstiegen und die Fahrräder eingeladen wurden, dann fuhren wir nach Hause zurück – beunruhigt, ob wohl alles gut gehen würde.

Ende gut – alles gut

In der Nacht wurde ich öfter wach und hörte Nachrichten. Als bis zum nächsten Morgen kein Flugzeugabsturz gemeldet wurde, waren wir beruhigt und sicher, dass die Jungen heil angekomnmen sein mussten – Verständigung über E-Mail und Handys gab es ja damals noch nicht. Bei den Jungen herrschte sowieso die Überzeugung, dass keine Nachrichten gute Nachrichten seien.
So konnte ein glücklicher Tag beginnen: Keine (= gute!) Nachrichten von den Jungen, die (nicht so häufige) Anwesenheit des älteren Sohnes, ein interessanter Gast, der meinem Sohn die Spannung auf das Konzert vermittelte, stundenlange Musik in Form der Generalprobe und der Aufführung des Messias in der wunderschönen Rokokokirche Roggenburg - vor vollem Haus, mein Sohn vor mir in der ersten Reihe, der vielleicht ohne die gute Vorbereitung durch J. G. gar nicht mitgekommen wäre – das war der Nachmittag eines glücklichen Tages.
PS: Die Jungen kamen wohlbehalten nach den geplanten 6 Wochen voller Erlebnisse heim. Ihre tollen Fotos durften sie später beim Alpenverein in Ulm vor viel Publikum zeigen. Die Karte, die sie als einzige Nachricht geschickt hatten, kam erst hier an, als sie schon zu Hause waren.

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