Ausgabe Nr. 36                         Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung älterer Erwachsener
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Eine Heimkehr

                                                                        von Alfred Weiss



Blick auf das heutige Breisach

Breisach ist eine kleine Stadt am Oberrhein. Sie ist meine Heimatstadt. An der Grenze zu Frankreich gelegen hat sie schon vieles erdulden müssen. Hier meine Erinnerung an das Kriegsende 1945:
Für uns war der Krieg zu Ende, am 5. Mai 1945, irgendwo in Dänemark. Jeder wollte möglichst schnell nach Hause. Zusammen mit zwei Kameraden verließ ich unsere Einheit und machte mich auf eigene Faust auf den Weg nach Deutschland. Um dem Gefangenenlager zu entgehen, arbeitete ich in Flensburg auf einem Bergungsschlepper. Erst als sicher war, dass ich gleich entlassen würde, meldete ich mich in einem Auffanglager. Das war dann im August 45. Mit vom Engländer ausgestellten Entlassungspapieren machte ich mich auf den Weg nach Breisach – zunächst nur bis Stuttgart. Denn immer wieder hörte man, dass in der französischen Besatzungszone heimgekehrte Soldaten trotz Entlassungsschein wieder festgenommen und nach Frankreich verschleppt wurden.


Mit einem der wenigen Züge ging es von Karlsruhe in Richtung Freiburg. In Offenburg hieß es dann aber bereits für alle „Aussteigen!“. Am Ausgang stand ein kräftiger, groß gewachsener Schwarzer in französischer Uniform, der die Ankommenden genau musterte. Ich war mit einer blauen Marinehose, einem Hemd, einer zivilen Jacke sowie einer roten Krawatte bekleidet. Auf dem Rücken trug ich allerdings einen großen, unförmigen Seesack. Ob ein französischer Soldat aus Afrika wohl den Seesack eines deutschen Matrosen kennen würde? Ich hatte Angst. Doch der Soldat ließ mich passieren. Ich atmete auf. Die erste Schwierigkeit war überwunden.
Auf der Ladefläche eines Lastwagens (Holzvergaser) erreichte ich das zerbombte Freiburg, von wo es, wiederum mit einem LKW, an den Kaiserstuhl weiterging. Erst die letzten Meter des Weges nach Breisach hatte ich zu Fuß zurückzulegen. Auf dem begegnete mir Heidi, ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Sie berichtete mir, dass mein Elternhaus zerstört sei, Vater und Mutter jedoch noch lebten – in einer Wohnung in der Rempartstraße. Ich musste sie also gar nicht lange suchen, sondern konnte direkt zu ihnen gehen. Die Wiedersehensfreude war groß.


Die Lebensbedingungen nach dem Krieg

Heute kaum noch vorstellbar: die Zerstörung am Ende des Krieges; Bildquelle: Stadtarchiv Breisach

Die Lebensbedingungen waren dagegen umso härter. Es gab fast nichts zu essen. Meine Mutter machte oft zu Fuß den weiten Weg von Breisach bis Tunsel oder Schlatt, um ein paar Kartoffeln zu erbetteln. Da man Lebensmittelkarten nur bekam, wenn man arbeitete, musste ich zusehen, wo ich mich nützlich machen konnte. Nur wo, wenn alles zerstört ist? Die einzige Möglichkeit bot der Wiederaufbau des Breisacher Münsters. Stadtpfarrer Hugo Höfler war es gelungen, aus der Schweiz Baumaterial zu organisieren. Also wurde ich Hilfsarbeiter bei Maurermeister Gervas Haury. Mit einer Gruppe von Arbeitern wurde ich nach St. Ottilien bei Freiburg gebracht, um dort Gerüststangen zu schlagen. Geschlafen wurde in der Gaststätte, wo wir auch verpflegt wurden.


Treffpunkt der Heimkehrer

 Viel Arbeit gibt es beim Wiederaufbau
; Bildquelle: Stadtarchiv Breisach

Der Münster-Bauplatz wurde immer mehr zum Treffpunkt aus dem Krieg zurückgekehrter Freunde und Kameraden. Es gab viel zu erzählen. Natürlich trafen wir uns auch abends in dem einen oder anderen Haus, allerdings nicht ohne Schwierigkeiten. Da um neun Uhr Sperrstunde war, gab es regelmäßig Ärger mit französischen Militärstreifen. Auch wurde mein Entlassungsschein gegen den französischen „Fiche Signaletique“ eingetauscht, was zur Folge hatte, dass ich mich jede Woche bei der französischen Kommandantur melden musste. Später musste ich sogar jeden Monat einmal nach Tuttlingen fahren, um mich dort zu melden.


Ein erster Eigenbau

Wohnen auch in Trümmern
; Bildquelle: Stadtarchiv Breisach
Ein Freund hatte es da schlauer angestellt. Wenn schon auf dem Bau arbeiten, dann wenigstens mit Lehrvertrag. Als Maurerlehrling galt er unter uns Hilfsarbeitern schon als Fachmann, nicht zuletzt weil er auch beim privaten Wiederaufbau anpackte. In seinem zerstörten Elternhaus in der Muggensturmgasse war eine Betonterrasse unversehrt geblieben, die das Fundament für ein Ein-Zimmer-Behelfsheim bildete. Wir sammelten Backsteine in den Trümmergrundstücken, um damit die Wände hochzuziehen. Auch geeignete Balken für den Dachstuhl und genügend unversehrte Ziegel fanden sich in den Trümmern. Brunos Häuschen wurde viel bestaunt, war es in der völlig zerstörten Stadt doch ein erstes Zeichen für einen möglichen Wiederaufbau.


Link
Die in Freiburg erscheinende „Badische Zeitung“ hat 2005 zum 60. Jahrestag eine große Zahl von Berichten über das Kriegsende gesammelt. Diese sind nachzulesen unter:
http://www.badische-zeitung.de/aktionen/2005/dossiers/kriegsende/?page=2
 

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