Was führt zum
Glauben?
von Manfred Mätzke
Religion und Glauben sind fester
Bestandteil unseres Alltags. Immer wieder treffen wir auf Aussagen oder
Zeichen zum religiösen Empfinden einzelner Menschen.
Allein schon, wenn wir Kirchgänger auf der Straße sehen, sagt uns das
etwas über deren Glauben. Zuweilen wird uns im persönlichen Gespräch
eine Haltung zu Gott und seinem Wirken vermittelt. Auch im Fernsehen, in
Interviews oder Talkrunden werden die Gesprächspartner hin und wieder
zu Äußerungen über ihren Glauben veranlasst.
Und wenn wir uns selbst befragen? Fühlen wir uns getragen von einer
höheren Macht? Fühlen wir uns eingebunden in eine religiöse
Gemeinschaft? Oder sind wir (immer noch) auf der Suche danach und
beneiden alle, die aus der Kraft ihrer Religion leben. Woher kommt die
in fast allen Ländern der Welt verbreitete Neigung zur Religiosität?
Hier einige Antworten.
Erfahrungen
Der einstige Erzbischof von Westminster, George Basil Hume (1923 –
1999), nennt drei Erfahrungen, die ihn zur Reflexion und
schließlich zum Glauben gebracht haben: Ein Sarg, den er in den Straßen
von Newcastle erblickt hat.
„Warum ereignet sich so etwas wie der Tod? Ist er das Ende von
allem oder ein neuer Beginn?“ fragte sich der Knabe.
Als Student sollte er ein Essay zum Begriff „Glück“ schreiben.
Ein Thema, das ihn weiterhin beschäftigte und ihn zu der Hoffnung
führte, dass „wir an einem anderen Ort und in einer anderen Form von
Existenz eine Freude finden, die vollständig und endlos ist.“
Schließlich als Drittes die Erfahrung der Liebe. Aus ihr entstand
in ihm in einem weiteren Klärungsprozess die Erkenntnis, „dass Gott die
Liebe ist.“
Bestimmt können wir von ähnlichen Erfahrungen berichten. Von den Fragen,
die sie ausgelöst haben. Und vielleicht haben wir auch unsere Antworten
gefunden.
Seelisches Erleben
Von anderen Erlebnissen berichtet William James. „Die Vielfalt
religiöser Erfahrung“ heißt sein erstmals 1902 in England erschienenes
Buch. Im Mittelpunkt seiner empirischen Studie steht das seelische
Erleben von Menschen. Erlebnisse, die aus dem Augenblick heraus den
beteiligten Menschen bekehren, erwecken oder zumindest aufrütteln. Das
Buch ist ein Klassiker der Religionspsychologie und nach wie vor
aktuell.
„Für James ist Religiosität eine seelische Regung wie viele andere, die
untersucht, analysiert und verstanden werden kann.
“Vermutlich ist das wirklich der einzig richtige Weg eines aufgeklärten
Menschen, Religionen zu begegnen mit Neugier und Respekt, aber ohne
dabei einen Schritt zurückzuweichen vom Standpunkt der forschenden
Vernunft.“ schrieb kürzlich der Schriftsteller Michael Kehlmann.
Gott als Projektion
Für Ludwig Feuerbach schafft sich der Mensch ein Gottesbild,
das seinen Bedürfnissen und Wünschen entspricht. Ein Wunschgebilde
seiner eigenen Hoffnungen und Sehnsüchte. Deshalb sind die Religionen so
verschieden wie die Menschen. - Der Mensch hält es nicht aus
unvollkommen und endlich zu sein. So erfindet er sich ein vollkommenes
und allmächtiges Wesen. Und weil er selbst nicht sterben will, erfindet
er die Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele. Weil er die
Ungerechtigkeit auf Erden nicht erträgt, kommt er auf den Gedanken einer
himmlischen Gerechtigkeit.
Gott und Psychoanalyse
Auch für Sigmund Freud ist die Entstehung von Religion ein
psychologisches Problem: Die Psychoanalyse habe uns gezeigt, dass der
persönliche Gott psychologisch nichts anderes sei als ein erhöhter
Vater. Zudem führe sie uns täglich vor Augen, wie jugendliche Personen
den religiösen Glauben verlieren, sobald die Autorität des Vaters bei
ihnen zusammenbricht. Aus der Erfahrung der eigenen Hilflosigkeit sucht
sich der Erwachsene bei dem „Ersatzvater“ Gott Schutz, Gerechtigkeit,
Hilfe gegen seine Ängste, kurz: Antworten auf die Rätselfragen des
Lebens. Dies ist jedoch für Freud eine „Illusion“ und durch keine
Erfahrung gedeckt.
Das Gottes-Gen
Der Glaube hat biologische Ursprünge behauptet die junge
Wissenschaftsdisziplin Neurotheologie. Sie geht davon aus, dass
religiöse Erfahrung mit bestimmten neuronalen Prozessen einhergeht, die
man in dafür spezialisierten Hirnregionen nachweisen kann. Für die
Vertreter dieser Forschungsrichtung ist Religiosität ausschließlich von
ihrer neurobiologischen Grundlage her zu verstehen.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Genforschung. In dem Buch „Das
Gottes-Gen. Warum uns der Glaube im Blut liegt.“ wird ihre Verbindung
zur Religiosität beschrieben. Der renommierte amerikanische
Molekularbiologe Dean Hamer stellt darin als Ergebnis seiner
Untersuchungen fest: Die Fähigkeit zum religiösen Glauben sei in den
Genen verortet und damit erblich.
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Weiterführende Links
Mehr zu Basil Hume
http://griess.st1.at/hume1.htm
Zu William James: Die Vielfalt religiöser Erfahrung
http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=7090&ausgabe=200406
Zu Gott als Projektion
http://www.buber.de/christl/unterrichtsmaterialien/
Umfassend zu Religionskritik
http://www.lehrer-online.de/dyn/9.asp?url=235163.htm
Zu Hirnströmen und Gottes-Genen
http://www.zeit.de/2005/20/Glauben
http://www.hsk-wiesbaden.de/Home/Kliniken/Neurochirurgie/News/Gott_im_Gehirn.htm
Zwei Antworten aus dem Max-Planck-Institut
http://www.ds.mpg.de/FragdW/2006/09/index.html
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