Warum Menschen glauben
von Dr. Erna Subklew
2005 erschien in der Zeitung „Die Zeit“ ein Artikel unter der
Überschrift „Warum Menschen glauben“. Ulrich Schnabel beschreibt darin
Forschungen von Wissenschaftlern an unterschiedlichen Universitäten, um
das Phänomen des Glaubens zu klären.
Das Experiment
Mitte der sechziger Jahre versuchte der Forscher Walter Pahnke an der
Harvard University zu beweisen, dass Psilocybin die spirituelle
Erfahrung während eines Gottesdienstes verstärkt. Seine Probanden nahmen
unter der Droge an einer Messe teil. Pahnke hat das Psilocybin nach dem
doppelten Blindverfahren verteilt und einer Kontrollgruppe harmlose
Pillen verabreicht. Bei acht von zehn Probanden, die Psilocybin erhalten
hatten, führte dies zu signifikant stärkeren Gefühlen von
Transzendenzerlebnissen als bei den anderen. Später stellte sich
allerdings heraus, dass die Probanden während des Gottesdienstes
miteinander gesprochen hatten. Sie konnten also feststellen, wer die
Droge bekommen hatte und wer nicht und machten damit das Experiment
hinfällig. Es war nun nicht mehr zu unterscheiden, ob das Psilocybin
oder die Erwartungshaltung die Bewusstseinsänderung hervorgerufen hatte.
Weitere Forschungen
Die durchgeführten Forschungen können trotzdem Einblicke in das
Wirken religiöser Systeme geben. Schon lange weiß die
Religionspsychologie, wie man große Wirkungen erzielt. Veranstaltungen,
die auf Gefühle und stimmungsvolle Musik setzen, beeindrucken mehr als
abstrakte Vorträge. Vor Jahren durchgeführte Untersuchungen, die
besagten, dass bei meditierenden Mönchen und Nonnen bestimmte
Veränderungen im Hirn stattfinden, waren aber wenig aussagekräftig.
Der Molekularbiologe Dean Hamer behauptet in seinem Buch „Das
Gottes-Gen“, dass anlässlich einer Studie, bei der nur einige Probanden
Fragen nach der Transzendenz beantworten mussten, er herausgefunden
habe, dass eine Variante des Gens VMAT2 die gleiche Punktzahl erzielt
habe, wie die der Gen-Träger bei einem Spiritualitätstest. Bei den
Probanden, die die Frage nicht in ihrem Test hatten, war die Punktzahl
niedriger. Schnabel bemerkt dazu, dass diese Aussagen so wenig
miteinander zu tun hätten, wie die Geburtenrate mit der Zahl der
Störche. Das „Gottes-Gen“ sei daher ebenso unwahrscheinlich wie das
„Schwulen-Gen“. Die Zwillingsforschung habe allerdings ergeben, dass
Erbanlagen das grundsätzliche Interesse an spirituellen Fragen
bestimmten.
Glaube bietet einen evolutionären Vorteil
Anthropologen und Evolutionspsychologen weisen auf die Tatsache hin,
dass in der ganzen menschlichen Entwicklungsgeschichte die
Gemeinschaften religiöse Strukturen hatten. Der Glaube an eine höhere
Macht muss also Vorteile bringen, sonst gäbe es ihn nicht mehr.
Auch heute noch nehmen religiöse Strömungen zu, so dass man annehmen
muss, dass der Glaube ein wichtiger Faktor beim Überleben spielt. Die
Anthropologie sagt dazu, dass angesichts des Fakts, dass alle sterben
müssen, der Glaube individuellen Trost spendet. Die Durchsetzung
ethischer Standards sichert den Zusammenhalt der Gesellschaft, und mit
religiösen Argumenten lässt sich Macht durchsetzen. Aufgrund der
Verbreitung charismatischer Bewegungen und des erstarkten Islams wären
Studien zur Wirkung religiöser Gemeinschaften wichtig. Leider gibt es
keinen Lehrstuhl für Religionspsychologie in Deutschland.
Seit 2002 forscht ein Gruppe an der Universität Trier mit 1,2 Millionen
Euro von der VW-Stiftung gefördert, zum ersten Mal über
Religionspsychologie.
Forschung in den USA
In den USA forscht mit einem Etat von 40 Millionen Dollar die Templeton
Foundation-Stiftung, wie Wissenschaft und Religion miteinander in
Einklang zu bringen sind. Gefördert werden Projekte, die einen positiven
Nutzen der Religion auf das Leben nachzuweisen versuchen. Die
Universität Frankfurt bekam 400.000 Dollar von der Stiftung für ein
Projekt, das sich damit beschäftigen soll, ob es eine biologische Basis
des Glaubens gibt.
Die Förderung hat eine Flut von Beiträgen zur Spiritualität erzeugt, die
ihre gesundheitsfördernde Wirkung belegen sollen. Leider haben die
bisherigen Studien noch keine aussagekräftigen Ergebnisse gebracht.
Viele Studien sagen mehr über den Glauben der Beteiligten, als über die
objektive Wirkung des Glaubens aus.
Seit einiger Zeit bemüht sich eine Arbeitsgruppe um Sebastian Murken in
Bad Kreuznach, die Wirkung des Glaubens bei der Bewältigung von Krebs zu
erforschen. Der Entschluss, den Willen und das Leben der Sorge Gottes
anzuvertrauen, hat sich positiv auf den Heilungsprozess ausgewirkt.
Da wir die Grundfragen des Lebens - Woher wir kommen, wohin wir gehen,
wofür ist etwas gut - nicht beantworten können, werden wir dafür
weiterhin religiöse Glaubensgebäude brauchen.
Wenn Sie mehr über diese Frage wissen wollen, gehen Sie zu dem Link
http://www.zeit.de/2005/20/Glauben_?page=2
Ein Interview mit dem Berliner Bischof Huber zum Thema Glauben finden
Sie unter
http://zeus.zeit.de/text/2005/20/Glauben-Huber
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