von Uwe Bartholl So fragte einst ein Literat. Klar, Heimat ist für
mich ... Doch die vermeintliche Klarheit verschwimmt in zahlreichen
Verästelungen. Indem Sie diesen nachspüren, entdecken Sie den Bauplan dessen,
was Ihnen Heimat ist. Ein klärendes Unterfangen.
In der Fremde
In der Fremde
Theodor Fontane schreibt im Vorwort zu Wanderungen
durch die Mark Brandenburg:
"Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen". Wir kennen dieses
Gefühl der Sehnsucht nach dem Vertrauten, das uns fern ab der Heimat schmerzt.
Heimweh, wer hat nicht als Kind diese Erfahrung der Verlassenheit gemacht, die
nicht an Alter gebunden ist. Wir kennen die Freude nach Reisen oder längeren
Arbeitsaufenthalten in der Ferne, die das Heimkommen begleitet. Schmerz und
Freude, beides lässt uns, mit zahlreichen Bildern unterlegt, Heimat fühlen. Was
vermissen wir, worauf freuen wir uns?
Wo ich die Liebste fand...
...singt Freddy Quinn, da ist mein Heimatland. Und er fragt in seinem Song
„Heimweh" weiter, wie lang bin ich noch allein? Es sind Menschen, mit denen wir
unser Leben teilen, die uns verstehen. Sie kennen uns und wir sie, unser Fühlen
und Denken - und unsere Unzulänglichkeiten. Gemeinsame Erlebnisse, Geschichte,
Tradition verbinden uns. Sie befinden sich im Mittelpunkt dessen, was wir mit Heimat suchen.
Heimwärts aus Dakar, Landung in Frankfurt. Die Melodie der Muttersprache wärmt
Herz und Gemüt. Zuhause angekommen setzt das Mundartliche und die vertraute
Umgebung noch eins drauf. Und dann die Umarmung! Angekommen. Hier gehöre ich
hin, ich gehöre dazu. Ich bin einer von euch. Hier kenne ich mich aus. Wie
lange war ich in der Fremde ein Fremder!
Mit dem Zoom-Objektiv auf Heimatsuche
Heimatmuseum
Ganz nah dran ist meine Heimat, mein Zuhause, meine Wohnung, Haus, Garten mit
den Menschen, mit denen ich dort lebe. My homeismycastle. Ein Ort für die Ewigkeit. Auch, wenn ich ihn verlassen
muss, ich möchte immer wieder zurückkommen können. Mit etwas mehr Abstand habe
ich die Region im Objektiv. Das sind vor allem Landschaft, Menschenschlag und
Brauchtum. Und der Duft und Gaumenkitzel der regionalen Küche. Das Objektiv
noch weiter zurückgefahren, erfasse ich das Land, dessen Staatsbürger ich bin.
Geprägt durch diesen Kulturraum, verbunden mit seiner Geschichte,
mitverantwortlich für seine gesellschaftliche und politische Entwicklung sind
verbindende Elemente, die Zugehörigkeit stiften. Ließe sich mit noch größerem
Abstand Europa als Heimat einfangen?
Verlorene Heimat
Menschen, die ihre Heimat aus freien Stücken verließen oder aber verlassen
mussten, bewahren sie in der Erinnerung. Die vergilbten Bilder sind kostbarer
Besitz. Wenn auch nach langer Zeit am neuen Wohnort ein neues Heimatgefühl
entsteht, oft ist die alte Heimat nicht zu ersetzen. Die Erinnerung bewahrt ein
Standbild mit der dazugehörigen Gefühlswelt. Häufig stimmt diese Vorstellung
schon längst nicht mehr überein mit der Wirklichkeit; zu viel hat sich
verändert. Menschen, die das durch eine Reise in die alte Heimat erfahren,
berichten von dem endgültigen Verlust dessen, was die Erinnerung jedoch
weiterhin festhält.
Heimatlos
Wer heimatlos ist, der beklagt das Fehlen dieses besonderen Ankerplatzes, an
dem er festmachen kann, wo im Fühlen, Denken und Sein alles stimmt. Die
Hoffnung, dorthin zurückkehren zu können, um die als wertvoll erkannte Bindung
neu zu beleben, gibt es nicht mehr.
Der politische Alltag führt uns vor, dass im geistig-gesellschaftlichen Umfeld
ebenso Heimatlosigkeit entstehen kann und neue Heimaten gesucht werden. Das
gilt für alle geistigen Gemeinschaften, in denen Auseinandersetzung und
Entwicklung geschehen und die Erkenntniswege sich trennen.
Parteiausschlussverfahren wie kirchlich verordnete Lehrverbote sind dafür
Zeichen in der Öffentlichkeit. Die Geschichte ist voll von solcher Art
ausgestoßener Menschen, die das Umfeld ihrer geistigen Heimat verlassen
mussten. Manch einen hat diese Einsamkeit getötet.
Die letzte Heimstatt
Wegweiser?
Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. So
schreibt Paulus an die Hebräer. Nach christlicher Auffassung ist das, was hier
zur Suche ansteht, die uneingeschränkte Geborgenheit bei Gott, der absolute
Friede, eine unbedingte Zugehörigkeit. Nach dem christlichen Bestattungsritus
ist der Entschlafene heimgegangen. Alles Suchen hat ein Ende.
Ist es diese paradiesische Vorstellung, die uns leitet, wenn wir fragen,
Heimat, wo ist dein Zuhause, und wenn wir festhalten, was wir an Heimat
erkennen? Hier scheint etwas auf, das Heimat
dem Wandel unterworfen sein kann und damit auch deren Verortung in unserem
Leben. Nicht an die Heimat gekettet zu sein schafft diese Freiheit zur
Wandlungsfähigkeit. Der Bauplan, der für meine Heimatvorstellung gilt, lässt
mich die Baustellen erkennen, an denen es Arbeit gibt.
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