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Colonia Tovar
                              von Alfred Weiss
Ein deutsches Dorf, mitten im tropischen Urwald. Gibt es das?
Ja. In Venezuela, 54 Kilometer von Caracas entfernt.

Die Vorgeschichte

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Agustin Codazzi, C. Martinez

Zwischen 1810 und 1830 wurde Venezuela von mehreren Katastrophen heimgesucht. Ein Erdbeben im Jahre 1812 und die Pest forderten über 30.000 Opfer. Und mehr als 150.000 Menschen starben in den Unabhängigkeitskriegen. Weite Landstriche waren durch den Krieg verwüstet oder lagen aus Mangel an Arbeitern brach. Damals begann die Regierung nach Möglichkeiten zu suchen, um europäische Auswanderer nach Venezuela zu holen. Sie beauftragte den Militär-Ingenieur und Geografen Oberst Agustin Codazzi, nach Auswanderwilligen zu suchen. Codazzi nahm sich vor, selbst eine landwirtschaftliche Kolonie zu gründen.

Die Auswanderer
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Endingen

Von vornherein suchte Codazzi Auswanderer aus Deutschland. Ein Freund von ihm stammte aus Endingen am Kaiserstuhl. Und hier, zwischen Oberrhein und Schwarzwald, machte man sich auf die Suche nach Auswanderwilligen. Dieses Land war schon mehrfach verwüstet worden, zuletzt 1814 bei den napoleonischen Feldzügen. 1841 und 1842 führte schlechtes Wetter zu Missernten, die viele Menschen in Armut stürzten. Von einer Auswanderung versprach man sich ein besseres Leben. Codazzi war 1842 im Pfauen in Endingen abgestiegen. Dort wurden die Verträge mit den Auswanderern unterschrieben. 389 Personen, davon 239 Männer und 150 Frauen waren schließlich zum Auswandern bereit.

Die Überfahrt
Am 18. Dezember 1842 verließen die Auswanderer Endingen in Richtung Wyhl und erreichten dort den Rhein. In Barkassen ging es weiter stromabwärts nach Straßburg.
Dort begann am nächsten Tag die französische Route von Straßburg nach Le Havre. 690 Kilometer legten die Auswanderer mit Pferdefuhrwerken oder zu Fuß in 19 bis 22 Tagen zurück und erreichten Le Havre am 9. Januar.
Oberst Codazzi hatte für die Überfahrt eine Fregatte von 600 Tonnen gechartert, die „Clemence". Die Auswanderer gingen an Bord und am 19. Januar stach das Schiff in See. Schon am vierten Tag waren fast alle Passagiere seekrank; man hatte unter der qualvollen Enge und verschiedenen Krankheiten zu  leiden. Am 4. März kam der Hafen von La Gueira in Sicht; doch die Gesundheitsbehörde stellte das Schiff unter Quarantäne. Erst 16 Tage später konnten die Auswanderer an Land gehen. Es folgte der beschwerliche Aufstieg durch den Urwald über die Küstenkordilleren.
Am 8. April 1843 erreichte die Gruppe das Gebiet Palmar del Tuy. Es gilt dies als Beginn der Colonia Tovar. Die Gruppe zählte noch 374 Menschen, seit dem Abschied von Endingen waren 112 Tage vergangen.

Die Kolonie
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Tovar Kirche, M. Eitenbenz

Die Kolonisten gingen mit allen Kräften daran, Wohnungen, eine Kirche, ein Magazin, Wege und Straßen zu bauen. Die Männer arbeiteten, ihrer Qualifikation entsprechend, in verschiedenen Gruppen. Die Frauen und Jüngeren bepflanzten das kleine Stück Land, das ihnen zugeteilt war.
Schon am 28. August 1843 wurde die Kirche eingeweiht. In ihr steht eine Statue des Heiligen Martin von Tours, die die Auswanderer aus Endingen mitgebracht hatten.
Um 1880 begannen die Einwanderer mit großer Begeisterung und Beharrlichkeit, Kaffee anzupflanzen. Große Ernten und gute Kaffeepreise führten in der Folgezeit zu einem bescheidenen Wohlstand.
In ihrer Abgeschiedenheit haben die Tovarer ihre alten Bräuche bewahrt. Auch haben sie ihren deutschen Dialekt beibehalten und sprechen das Alemannische noch in der Form, wie es vor hundert Jahren gesprochen wurde. Seit einigen Jahren werden Verbindungen zur alten Heimat gepflegt, um dieses Kulturgut zu erhalten.

Tovar heute

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Im Dezember 1963 wurde die asphaltierte Straße nach Tovar freigegeben. Damit war die Zeit der Abgeschiedenheit vorbei. Dies bedeutete eine große Umstellung für die Kolonie. Zunächst einmal hat man sich dem Tourismus geöffnet. Es gibt heute viele Hotels und Ferienwohnungen. Sie heißen: Kaiserstuhl, Edelweiß, Freiburg, Rebstock und so weiter. Und im viel besuchten Cafe Muuhstall zieren deutsche Sprüche in Sütterlinschrift die Wände. Serviert wird Eisbein mit Sauerkraut zu deutschem Bier oder gar Schwarzwälder Kirschtorte. Es sind Gruppen entstanden, die Brauchtum, Tänze und Gesänge der alten Heimat im Kaiserstuhl und Schwarzwald lebendig erhalten wollen.
Und der „Club der Jokili" bemüht sich, alte Fasnachtsbräuche aus Endingen auch in Tovar einzuführen. So haben die Menschen in Tovar ihre Lebensweise der neuen Zeit angepasst und haben trotzdem ihre alte, tiefverwurzelte Kultur nicht aufgegeben.

Links
Bericht des SWR über Tovar:

Ein Besuch in Tovar:
 
Schriftenreihe des Freundeskreises der Stiftung Tovar:

 
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