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Deutsche Exilliteratur 1933 bis 1945
                                    vonSibylle Sättler
Die größte Gruppe in der Geschichte der Exilliteratur bilden die während des Nationalsozialismus aus rassischen oder politischen Gründen im Ausland lebenden deutschsprachigen Schriftsteller.

Vorboten der Exilauslöser

Schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten existierten Verbotslisten mit vermeintlich anti-deutscher oder „nicht-arischer“ Literatur, erarbeitet von nationalsozialistischen und nationalistischen Vereinigungen. Autoren und Verleger wurden per einschlägiger Propaganda öffentlich diskriminiert und unter Druck gesetzt. Nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 verschärften sich die Kontrollen; die Verbotslisten wurden erweitert. „Literatur“ hieß jetzt „Schrifttum“. Gegen unerwünschte Autoren, Verlage und Pressestellen gingen die Nazis aggressiver vor und untersagten oder unterwanderten Autoren- und Publikationsverbände. Davon war auch die „Preußische Akademie der Künste“ mit Thomas Mann und Käthe Kollwitz als bedeutenden Mitgliedern betroffen.

Ausgangspunkt der Exilbewegung
Illustration
Bücherverbrennung 1933; Wikipedia Commons

Dieser ist eindeutig an dem Tag der Bücherverbrennung, dem 30. Mai 1933, festzumachen. Mit dem Akt der „Säuberung des Schrifttums“, der deutschlandweit an vielen Universitäten zeitgleich stattfand, wurden alle als nicht-arisch deklarierten Werke der bestehenden „Schwarzen Listen“ feierlich verboten und verbrannt. Es kam zu einer kompletten Literatur-Kontrolle und -Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten. Viele Autoren und Publizisten verließen daraufhin das Land. In den Folgejahren und während der gesamten Zeit des Nazi-Terrors von 1933 bis 1945 rechnet man mit einer halben Million Menschen, die aus Deutschland vertrieben wurden, davon circa 30.000 politisch Verfolgte, 5.000 „Kulturschaffende“ und circa 2.500 Autoren und Publizisten.

Wohin ins Exil?
Die deutschen Exilautoren fand man in der ganzen Welt verstreut. Man habe die Länder öfter als die Schuhe gewechselt, wird Bertolt Brecht zitiert. Er lebte zum Beispiel während des Exils in Frankreich, Dänemark, Schweden, Finnland, in der Sowjetunion und dann in den USA. Welches Land Asyl gewährte, hing weitgehend von der politischen Orientierung ab. Zentren des Exils waren Paris, Amsterdam, Stockholm, Zürich, Prag und Moskau. Nach Ausbruch des Krieges wurde Nordamerika zum wichtigsten Exilland für die gesamte deutsche Literaturelite mit den Schwerpunkten New York City und Kalifornien, so auch für Bertolt Brecht und die Familie Mann. Ferner waren Mexiko, Chile, Argentinien und Palästina begehrte Exilländer.

Schwierige Lebensbedingungen im Exil
Die Emigranten gingen zunächst davon aus, dass das Hitler-Regime über kurz oder lang durch die deutsche Armee oder Putschversuche aus der Bevölkerung gestürzt würde. Niemand rechnete mit langer Dauer des Exils, aber durchaus mit freundlicher Aufnahme, da man aus einem diktatorisch geführten Land floh. Diese Erwartungen erfüllten sich nicht. Man sah sich mit strengen Einreisebedingungen konfrontiert: Einreisevisa, Arbeits- und Publikationsgenehmigungen wurden verlangt. Eine Arbeitserlaubnis erhielt nur, wer eine Aufenthaltsgenehmigung und gültige Ausweise vorweisen konnte. Viele Emigranten auf der Flucht besaßen keine gültigen Papiere oder nur gefälschte. Eine Aufenthaltsgenehmigung auf Dauer wurde zur Ausnahme. Von deutscher Seite betrieb man zudem die Ausbürgerung der Regime-Gegner im Ausland, deren Pässe damit ausliefen.

Der Lebensunterhalt - ein Problem
Nur wenige Schriftsteller konnten im Gastland mit Schreiben Geld verdienen. Viele litten als Deutsche unter zunehmenden Diskriminierungen. Extremistische und antisemitische Tendenzen bildeten sich auch im Exil heraus, besonders während der Kriegsjahre.
Innerdeutsche Konten wurden nach und nach für Emigrierte gesperrt. Damit schwand der Zugriff auf eigene Reserven; oft wurde die Existenz zum Problem. Gehälter und Honorare der Exilverlage waren gering. Viele Künstler im Exil konnten ihren Lebensunterhalt nur bestreiten durch Zuwendungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis oder speziellen Hilfskomitees im Gastland (zum Beispiel „American Guild for German Cultural Freedom“). Das Bewusstsein, seinen Lebensunterhalt nicht selbst verdienen zu können, war eine schwere seelische Belastung. Viele Emigranten verstummten im Exil.

Autoren im Exil
Illustration
Heinrich und Thomas Mann um 1900;Wikimedia Commons

Die bedeutendsten aus Deutschland während der Nazi-Zeit emigrierten Schriftsteller waren unter anderen Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Oskar Maria Graf, aus der Familie Mann Heinrich, Klaus und Thomas Mann, Erich Maria Remarque, Else Lasker-Schüler, Anna Seghers und Franz Werfel.
Unter ihnen waren Thomas Mann, Lion Feuchtwanger, Franz Werfel und Vicki Baum diejenigen, denen ihr internationaler Bekanntheitsgrad zu gute kam: Sie konnten sich als einige wenige Autoren im Ausland erfolgreich behaupten und integrieren.
Dagegen gab es manche Schriftsteller, die
materielle Not und Ausweglosigkeit ihres Lebens im Exil in den Selbstmord trieben, darunter Stefan Zweig in Argentinien, Kurt Tucholsky in Schweden und Walter Benjamin an der spanisch/französischen Grenze.

Wie wurde „Exil“ empfunden?
Exil, das bedeutete Ausbürgerung, Entrechtung, Heimatlosigkeit, sagt Brecht in seinem Gedicht „Über die Bezeichnung Emigration“. Für jeden Emigranten hieß Exil außerdem Orientierungslosigkeit, Existenzbedrohung, Geldmangel, Sprachprobleme und politische Unmündigkeit, verbunden mit Heimweh und der Sorge um die in der Heimat zurückgelassenen Verwandten und Freunde.
Theodor Adorno schrieb zur Situation der Emigranten: „Jeder Intellektuelle in der Emigration, ohne alle Ausnahme, ist beschädigt […]. Enteignet ist seine Sprache und abgegraben die geschichtliche Dimension, aus der seine Erkenntnis die Kräfte zog.“ (Alexander Stephan: Die deutsche Exilliteratur 1933 – 1945)

Veröffentlichungen im Exil
Es gab nur wenige Organe, die den Schriftstellern beschränkte Möglichkeiten zur Veröffentlichung ihrer Arbeiten boten. So gab es in Moskau „Das Wort“, die „Neuen Deutschen Blätter“ in Prag, „Die Sammlung“ in Amsterdam, „Der Aufbau“ und das „Pariser Tageblatt“. Es gab auch Verlage in Amsterdam, Stockholm, Zürich, Mexico und Boston, die die Emigranten-Autoren unterstützten.
Mit ihren Schriften stießen die Emigranten jedoch im Gastland oft auf Ablehnung. Der Widerstand gegen Nazi-Deutschland war durchaus Thema, wurde aber von den lokalen Verlagen selten aufgenommen. Dazu schwand mit den Kriegsjahren das Interesse an deutscher Literatur immer mehr; sie wurde schließlich zur Feindesliteratur.

Inhalt und Form der Exilliteratur
Ein Großteil der Exilliteratur wurde erst nach dem Krieg geschrieben und das Erlebte in Autobiographien als Erzählprosa verarbeitet. Der Exilroman „Transit“ von Anna Seghers zum Beispiel behandelt eigene schreckliche Erfahrungen 1940 im von Flüchtlingen überquellenden Marseille.
Die Exillyrik konnte in knapper, leicht zu übersetzender Form Existentielles zum Ausdruck bringen. Hier ist besonders auf Hilde Domin zu verweisen.
Vielfach wird über Flucht berichtet, über die Nöte, Einsamkeit und Gedanken über Deutschland und die Sehnsucht nach der Heimat. Auch Tagebücher und Briefwechsel schildern die damaligen Verhältnisse in Heimat und Gastland. „Wertfreies“, unabhängiges Schreiben war den Exilanten unmöglich. Die erschreckende Wandlung innerhalb der deutschen Gesellschaft unter dem Nazi-Regime war unumgängliches Thema.

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