Hugenottenstadt Friedrichsdorf/Ts
                                     von Hildegard Neufeld
Die Gründung von Friedrichsdorf im Jahre 1687 geht auf die Hugenottenverfolgung in Frankreich zurück. Rund 200.000 Hugenotten flohen aus ihrer Heimat und wurden von protestantischen Landesfürsten bei ihrer Ankunft mit offenen Armen empfangen.

Die Hugenotten
Die französischen Glaubensflüchtlinge, die in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts eine neue Heimat suchten, waren reformierte Franzosen, die um ihres Glaubens willen, vor allem nach der Aufhebung des Edikts von Nantes (1685), ihr Land verließen. Viele Tausende von ihnen gelangten über die Schweiz nach Frankfurt am Main. Hier nahmen die bestehenden französischen und niederländischen reformierten Gemeinden sich ihrer an, registrierten und unterstützten sie, wenn sie Hilfe benötigten.
Das Wichtigste aber war, dass diese Gemeinden mit Privilegien und Konzessionen von aufnahmebereiten protestantischen Landesherren versehen waren und sogleich Handwerker und Gewerbetreibende in nachfragende Orte vermitteln konnten.
Auf diese Weise kamen die ersten Hugenotten nach Friedrichsdorf im Taunus, das damals noch als „Neues Dorf" bezeichnet wurde. Das Jahr ihrer Ankunft, 1687 wird als Gründungsjahr des Neuen Dorfes gesehen.

Gern gesehene „Gäste"
Der Landgraf von Hessen-Homburg, Friedrich II., soll die französischen Flüchtlinge angeblich mit den Worten eingeladen haben „Lieber will ich mein Silbergerät verkaufen, als diesen armen Leuten die Aufnahme versagen".
Es wird angenommen, dass seine Motive wohl eher durch die damals in Deutschland herrschende Situation begründet gewesen sind. Das Land war durch den 30jährigen Krieg ausgeblutet und konnte sich nur schwer erholen. Neue Impulse waren erforderlich, vor allem zum Aufbau der Landwirtschaft und neuer Unternehmen. Die Produktion, der Handel und Verkehr mussten aufgebaut und entwickelt und die Bevölkerungszahl aufgestockt werden. Da kamen die französischen Einwanderer zur rechten Zeit in das durch den langen Krieg heimgesuchte Land.

Die Ansiedler
Die eingewanderten Hugenotten kamen aus einem Land mit einer hoch entwickelten Kultur, und sie brachten Fertigkeiten mit, die dringend gebraucht wurden, um die erforderliche wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Es waren vor allem ihre handwerklichen Fertigkeiten, die sich auf die Bearbeitung von Textilien bezogen, die sie mit Erfolg einbringen konnten. Leinenweber, Wollweber, Strumpfwirker, Hutmacher sowie Flachshändler waren die bedeutendsten Gewerbe, die ihrem neuen Wohnort, der bald - dem Landgrafen von Hessen-Homburg, Friedrich II. zu Ehren - Friedrichsdorf hieß, zugutekamen.

Die Lebensführung
Die hugenottischen Ansiedler waren äußerst bescheiden und genügsam und durch ihren Glauben zu einer einfachen Lebensführung verpflichtet. Sie ordneten sich schnell in die gegebenen Verhältnisse ein. Ihre Häuser - es waren anfangs eher Hütten - erbauten sie zunächst aus Reisigbündeln und bedeckten sie mit ausgestochener Erde. Sie zögerten oft lange, bis sie ihre Hütten durch feste Häuser ersetzten, einerseits, weil sie anfangs noch eine Rückkehr in die bisherige Heimat erhofften, und zum andern, weil sie die ihnen zugesicherten Privilegien nicht gefährden wollten.
Die Laufzeit der Privilegien war auf zehn Jahre bemessen, beginnend von dem Zeitpunkt, an dem die ersten festen Häuser erbaut waren. Folglich behalfen sich die Friedrichsdorfer möglichst lange mit primitiveren Behausungen.

Die Privilegien
Die meisten der eingewanderten Hugenotten waren bettelarm und mussten, zumindest anfangs, unterstützt werden. Da es zu damaliger Zeit noch keine karikativen und ähnlichen Hilfseinrichtungen gab, waren die Landesfürsten und die Kirchengemeinden herausgefordert, helfend einzugreifen. Keine leichte Aufgabe für die betroffenen Institutionen, die zumeist selbst unter Geldmangel litten. Aber die Einwanderer wurden dringend gebraucht, und man hoffte sie durch besondere Maßnahmen, durch Privilegien, zur Ansiedlung zu gewinnen.
Im Privilegienbrief des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Homburg (1687) wird den Ansiedlern vor allem die Befreiung von allen Abgaben für die Dauer von zehn Jahren zugesichert. Auch die Beibehaltung der französischen Sprache als Amtssprache, die Zunftfreiheit, die Freiheit, Manufakturen einzurichten sowie zu handeln, sind als Privilegien dokumentiert. Die Glaubensfreiheit wurde den eingewanderten Hugenotten ohnedies zugestanden.

Die Hugenottenstadt
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Friedrichsdorf

Die französischen Glaubensflüchtlinge siedelten unter besonders günstigen Bedingungen, in ihrem neuen Heimatort an. Die ihnen durch verbriefte Privilegien zugestandenen Freiheiten erstreckten sich nicht nur auf die Beibehaltung ihrer sprachlichen Gewohnheiten, der kirchlichen Bräuche und dem Bau des Gotteshauses sowie der Ausgestaltung des Gemeinwesens. Sie gaben ihnen auch die Möglichkeit, unter sich zu bleiben. Zuzugsverbote für Deutsche und Heiratsverbote zwischen Hugenotten und Deutschen trugen dazu bei, dass Friedrichsdorf, das zu Beginn der Hugenottenansiedlung nur zwölf deutsche Einwohner gezählt hatte, als Hugenottenstadt bezeichnet wurde.
Erst in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts wuchs die Zahl der Deutschen in Friedrichsdorf und gewann schließlich die Oberhand.

Die Öffnung und Integration
In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts zeichnete sich ein Umschwung ab. Das Verbot der Verheiratung zwischen Hugenotten und Deutschen war schon zuvor gelegentlich durchbrochen worden und wurde nun, ebenso wie das ursprüngliche Zuzugsverbot, aufgehoben. Bereits vor der Jahrhundertwende hielten sich Hugenotten und deutsche Einwohner in Friedrichsdorf nahezu die Waage. Das hatte auch Einfluss auf die Sprache.
Ab 1885 wurde der Gottesdienst auch in deutscher Sprache gehalten, wenn auch zunächst nur in jeder zweiten Woche. In der Volksschule unterrichteten nun französische und deutsche Lehrer, und die öffentlichen Bekanntmachungen wurden in beiden Sprachen abgefasst.
Die französische Sprache hat sich allerdings noch über mehrere Generationen hinweg in Friedrichsdorf erhalten und Einfluss genommen auf das Leben und Wirken der heute etwa 25.000 Einwohner zählenden Stadt, deren Entstehen und wirtschaftliches Wachstum einst durch die Einwanderung der Hugenotten begründet wurde.

Links
Die Hugenotten

Hugenotten in Hessen

Friedrichsdorf

Hugenotten in Friedrichsdorf
 
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