These 3: Europäische Identität

Wir haben uns mit dem Begriff Europäische Identität beschäftigt. Zentrale Frage war „Welche Chancen eröffnet der Prozess der Bildung einer “europäischen Identität” und worin kann sie bestehen?“
Wir hatten in der Gruppendiskussion zwei Ausgangsthesen: die erste war, dass ähnliche materielle  Lebensbedingungen Voraussetzungen für eine europäische Identität sind, demnach werden wir noch lange brauchen,  bis wir überhaupt eine europäische Identität  haben werden. Die zweite These war, dass Akzeptanz der unterschiedlichen Lebensbedingungen eine Voraussetzung für europäische Identität ist, diese müsse erarbeitet werden.

Es wurden auch andere Faktoren genannt, wie zum Beispiel ein annehmendes Verhalten, d.h. Annehmen des Verhaltens des anderen, leben ohne Angst,  verschieden zu sein.  Damit ist der Begriff „Toleranz“ verbunden, und zwar im kulturellen, ethischen wie auch im religiösen Bereich.
Wir haben uns lange darüber unterhalten,  was Konstituenten dieser europäische Identität oder eine mögliche europäische Identität sein können. Eine Person sagt, dass sie sie sich  gar nicht vorstellen kann, ihre Verhaftung wäre  in der regionalen Identität,  geprägt durch Sprache und anderes. Die  Diskussion ging dann dahingehend, dass ein Prozess der europäischen Identitätsfindung erleichtert  wird durch gemeinsame Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Freie Wahlen, Pressefreiheit, Glaubendfreiheit, Antidiskriminierungsgesetze, usw., diese seien ein gemeinsames Bezugssystem,  das auf der Basis von Demokratie und Mitwirkung an der Gestaltung der Gesellschaft beruht.
Europäische Identität sei auch entstanden durch neue Rahmenbedingungen wie Abschaffung der Grenzen, weil man sehr einfach durch Europa fahren kann,  ohne  leidigen  Grenzkontrollen zu haben, dies auch im Gegensatz zu Erfahrungen mit anderen Ländern Europas oder vor allem in Amerika. Weiterhin wurde der Euro wurde als ein konstituierendes Merkmal europäischer Identität genannt, weil er das Gefühl, europäisch zu sein, prägt  wenn man in anderen Ländern ohne große Probleme in einer gemeinsamen Währung hantieren kann. Ferner  wurde festgestellt: Europäische Identität gibt es (noch) nicht, sondern  ist ein Prozess, der Sprache als Verständigungsmittel voraussetzt, deswegen sprachen sich die Teilnehmenden dieser Arbeitsgruppe mindestens für Zweisprachigkeit aus, Erlernen der Muttersprache, aber gleichzeitig, und zwar von  frühesten Kindheit an, das Erlernen einer gemeinsamen Sprache,  was im Moment hauptsächlich mit Englisch in Verbindung gebracht wird.

Die Teilnehmenden waren Meinung, dass es ja schon  viele Menschen gibt, die uns vorgelebt haben,  wie man als Europäer/Europäerin  verhalten kann, in der Literatur, in der Musik usw..
Gedacht wurde weniger an die Zwangsheiraten  quer über ganz Europa hinweg in den Adels- Geschlechtern, sondern an Menschen,  die sich freiwillig als Europäer gefühlt und für ein gemeinsames Europa eingesetzt haben und über die wir wenig wissen. Das wäre vielleicht auch eine interessante Spurensuche, um  Spuren zu legen für eine gemeinsame europäische Identität, bezogen auf den   Donauraum und ganz Europa.

4 Antworten zu “These 3: Europäische Identität”

  1. Carmen Stadelhofer 21. April 2011 um 16:34 #

    In allen unseren europäischen Projekten, in der Zusammenarbeit von Seniorengruppen aus verschiedensten europäischen Ländern, ist spürbar: “Europa” ist mehr als die Europäische Union, ist mehr als eine Wirtschaftseinheit und ein politischer Raum. Gleichzeitig stellen wir viele Unterschiedlichkeiten fest, wir treffen auf eine Vielfalt unterschiedlicher Kulturen, Sprachen, Mentalitäten und Lebensweisen, materieller und immaterieller Werter. Was macht für Sie „Europa“ aus? Fühlen Sie sich als „Europäer/-in“, wenn ja, wieso, wenn nein, wieso nicht?

    • Monika Pfiszter 28. April 2011 um 12:16 #

      Wenn ich morgens aus dem Haus komme, halten sich auf den Strassen viele Menschen auf, ich höre russisch, ich sehe eine Gruppe Roma/Sinti picknicken auf der Wiese hinter dem Busbahnhof, ich höre fremde Laute auf dem Gerüst vis-a-vis. Das alles gehört in unserer Stadt zum Alltag, aber per Definition nicht bei allen Mitbürgern zwingend zu dem Begriff Europa.

      Auf der anderen Seite schallte mit höchster Lautstärke am Ostersamstag bis 21.30 h Schlagermusik einer Biergartenband durch die Strassen der Innenstadt, im Gegensatz zur sehr leisen Osterfeuer-Feier vor dem Münster und vor der Wengenkirche. Besteht unsere kulturelle Tradition nach aussen nur noch in Lautstärke und Vergnügen?

      Es fällt mir schwer, eine Antwort zu finden, weil es im Alltagsbereich viel zu wenig Forum oder Marktplatz gibt, auf dem sich die Menschen außerhalb ihrer Handelsaktivitäten treffen. Gruppenidentität bildet sich aber nur durch gemeinsame Kontakte, Gespräche, Unternehmungen und Wertvorstellungen.

      Deshalb meine ich, dass wir uns in der Theorie gerne europäisch fühlen, in der Praxis aber eher nicht.

  2. Heinz Pfeiffer 23. April 2011 um 18:36 #

    Nationale und europäische Identität

    Jeder von uns braucht Vorbilder an denen er sich orientieren kann, mit denen er oder sie sich identifiziert. Dies beginnt schon beim Kleinkind in der Familie, das geht später weiter im Freundeskreis, im Verein, usw. Wer sich mit seiner näheren Heimat, einer Region, einer Nation identifizieren kann, hat auch ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl.

    Wenn ich in Ulm oder Stuttgart gefragt werde wo ich herkomme, so antworte ich „aus Neuenbürg im Schwarzwald, in der Nähe von Pforzheim“ und mein Gesprächspartner weiß Bescheid. Stellt man mir dieselbe Frage in Hamburg oder Schwerin, so sage ich aus Baden-Württemberg. Neuenbürg kennt normalerweise niemand, den Schwarzwald können viele geographisch nicht einordnen. Im Ausland trete ich zunächst einmal als Deutscher auf. Die Frage wie ich meine Identität definiere hängt auch von meiner Umgebung ab, steht in engem Zusammenhang mit meinem sprachlichen und kulturellen Umfeld.

    Europäische Identität bedeutet aus meiner Sicht eine Erweiterung und Bereicherung unseres emotionalen und geistigen Umfelds. Sie repräsentiert auch den augenblicklichen Höhepunkt und das derzeitige Endstadium einer jahrtausende währenden Entwicklung, die mit den Höhlenmenschen im Lonetal begann, die über Stammesgebiete und Fürstentümer –und natürlich unzählige Kriege– zur nationalen Einheit führte. Jetzt haben wir in Europa die einmalige Chance, diese Sichtweise um eine europäische Identität zu erweitern.

    Aber zu jeder Gemeinschaft gehören auch verbindliche Regeln an die sich jeder zu halten hat. Jeder Dorfverein hat seine Satzung. Je größer die Gemeinschaft desto komplizierter wird es verbindliche Regeln für alle zu finden. Dieses Problem haben wir derzeit mit der EU-Verfassung. Dennoch hatten wir bis jetzt eine Gemeinsamkeit, an der sich alle 27 EU-Mitglieder orientieren konnten — die Dreiteilung der Gewalten! Diese Idee geht auf den französischen Philosophen Montesquieu zurück, der sie zum ersten Mal im 18.Jahrhundert entwickelte. Die Aufteilung in legislative, exekutive und richterliche Gewalt wurde dann erstmals in der Französischen Revolution praktiziert. Seitdem gehört sie zu den Grundfesten eines jeden demokratischen Systems.

    Auf dieser Basis lassen sich Grundrechte wie Meinungsfreiheit, freie Wahlen, aber auch feste Regeln im wirtschaftlichen und monetären Bereich sicher stellen. Länder wie Ungarn, die jetzt von dieser gemeinsamen Basis abweichen, müßten mit ernsten Konsequenzen rechnen.

    Heinz

  3. Csilla Csapo 2. Mai 2011 um 23:13 #

    Ich halte mich selber für ein Beispiel, wie man europäische Identität und im engeren Sinne eine “Donauidentität” entwickeln kann.
    Ich bin eine gebürtige Ungarin, die in Deutschland studiert hat und sich zurzeit in Deutschland mit verschiedenen “Donauprojekten” beschäftigt.
    Ich kann es stolz sagen, dass ich mich mindestens in zwei Donauländern, in Ungarn und in Deutschland wie zuhause fühle. Meine Heimat ist Ungarn, aber mein Zuhause Deutschland.