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Themenkomplex E
Heimat Europa - eine Vision?
 


Zusammenfassung
Angenita Stock-de Jong
05.08.2001

Auf dieser Seite wird die Zusammenfassung zum Themenkomplex E veröffentlicht. Sie ist das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit. Die Gliederung folgt nachstehend.
Die Links Exx verweisen auf bisherige, den Themenkomplex tangierende Beiträge im Rahmen des Forums. Sie können unter diesen Adressen abgerufen werden.

Die vorliegenden Beiträge zum Themenkomplex E finden Sie hier:

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    Einleitung
    In diesem Themenkomplex möchten wir der Frage nachgehen, inwiefern "Heimat Europa" eine Vision ist.
    Heimat und Fremde scheinen zunächst einander ausschließende Gegensätze. Heimat ist die vertraute Welt, in der Fremde fühlt man sich nicht geborgen, sie ist nicht vertraut. In ihrem Verhältnis zeigt sich aber bei näherem Hinsehen eine Spannung, das Bestreben, die Heimat zu erweitern und sich die Fremde Schritt für Schritt vertraut zu machen. Europa ist weder räumlich, noch ethnisch, noch kulturell eindeutig bestimmbar. Gleichwohl hat es eine gemeinsame Geschichte, aus der sich eine gemeinsame Tradition, eine gemeinsame Zivilisation entwickelte.
    Mit der Gründung der Europäischen Union wird versucht in Europa einen einheitlichen Raum des Friedens, der Freiheit und der Demokratie zu gestalten. Viele der bisherigen Anstrengungen waren erfolgreich. Dazu bedarf es überzeugender Visionen, auch überzeugender Visionäre, so wie der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog.
    Mit der Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen in 1997 an ihn war zugleich das Anliegen verbunden, den europäischen Gedanken aufs neue zu beleben.
    Er hatte immer wieder für die Vision des geeinten Europas geworben, eine Vision, die als Leitbild handlungsorientierend wirken kann und keineswegs den utopischen Charakter eines leeren Traumes, sondern an vernünftigen Realisierungschancen ausgerichteten Charakter hat. Es kommt auf die Menschen an, die Verantwortung für die europäische Ziele zu übernehmen, Menschen, die der europäischen Jugend Hoffnung und Mut machen und selbst in ihrem Leben vorbildliche Europäer sind.
    Herzog sagte einst vor dem Europaparlament in Straßburg:
      "Wir haben eine Vision und diese Vision heißt Europa...Jede Vision trägt auch das Risiko des Scheiterns in sich. Allerdings sind Visionen unbequem, anders als Utopien. Für den Eintritt einer Utopie ist niemand verantwortlich, für die Erfüllung von Visionen sind wir es selbst".
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    Die europäische Idee
    Obwohl wir uns hauptsächlich mit der Zukunft beschäftigen wollen, kommen wir nicht umhin, uns mit der Geschichte Europas zu befassen.
    Die Geschichte Europas den Europäern bekanntzumachen, wird für viele gar keiner Begründung bedürfen.
    Volkmar stellt sich in seinem Beitrag
    E10 die Frage: "Was ist eigentlich Europa?" und kommt zu dem Fazit, dass eine einheitliche Definition in der Gegenwart kaum möglich ist, man kann sie nur in der Zukunft suchen und wird auch dann jedem überlassen müssen, aus welchem Blickwinkel er darauf sieht, ebenso wie jeder seine Heimat selbst definieren muss. Er ist für Vision und hält sich dabei an die Idee des gemeinsamen Hauses.
    Die Erinnerung an das Römische Reich und das Reich Karls des Großen bewirkte, dass der Mythos von der Einheit Europas jahrhundertelang die gekrönten Häupter faszinierte und zuweilen auch bei ihren Völkern Wunschträume weckte. Als sich in Europa die Nationalstaaten herausgebildet hatten, glaubten im 20. Jahrhundert nur noch wenige Visionäre an eine gemeinsame Zukunft.
    Die Geschichte Europas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist zu einem Gutteil die Geschichte nationalstaatlicher Machtkonflikte. Diese mündeten 1914 in den Ersten Weltkrieg. 1939 löste der aggressive Nationalismus, Rassismus und die Expansionspolitik des faschistischen Deutschlands die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs aus. Die Schreckensbilder des Krieges vor Augen, suchten die europäischen Völker in den jeweiligen Nachkriegsphasen nach Wegen für ein friedliches Zusammenleben der Staaten in Europa.
    1947 setzte sich Winston Churchill an die Spitze der "Europäischen Bewegung" zusammen mit dem Franzosen Léon Blum, dem Belgier Paul Henry Spaak, dem Italiener Alcide de Caspari und dem Deutschen Konrad Adenauer. Auf dem Kongreß in den Haag im Mai 1948 forderte die Europäische Bewegung die Einberufung eines Europäischen Parlaments, das von den Parlamenten der Teilnehmerstaaten gewählt werden sollte. Diese Anregungen wurden schnell verwirklicht:
    Am 5. Mai 1949 unterzeichneten in London zehn Staaten (Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen und Schweden) den Vertrag, durch den der Europarat ins Leben gerufen wurde.
    Die Bundesrepublik Deutschland, die am 23. Mai 1949 gegründet wurde, wurde schon im März 1950 dem Rat assoziiert.
    Die Entstehung der Europäischen Gemeinschaft gehört zu den großen Themen der europäischen Nachkriegsgeschichte. Durch zunehmende Vernetzung und Schaffung gemeinschaftlicher Institutionen bildete sich allmählich ein neuer Akteur auf der Szene der internationalen Politik heraus, der die Rolle der europäischen Nationalstaaten relativiert und das Leben der Europäer auf vielfältige Weise beeinflußt.
    In dem Beitrag E05 wird kurz auf die Feststellung eingegangen, dass "ein europäisches Staatsvolk" mehr voraussetzt als die Gleichheit eines staatsbürgerlichen Status. Wenn wir auf der Grundlage der Vergangenheit ein Zusammengehörigkeitsgefühl für die Zukunft entwickeln, so wird Europa für uns nicht mehr "fremd" sein, sondern Heimat werden können.

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    Identität
    Uns Europäer vereint die gemeinsame europäische Kultur, die politische Kultur sowie eine Kultur der Freiheit.
    Besinnung auf gemeinsame Wurzeln ist die Grundlage für die Zukunft!
    Nie zuvor in ihrer Geschichte haben die Staaten, die an der europäischen Integration teilnehmen, ihre Identität ohne Furcht voreinander leben können.
    In dem Beitrag
    E08 wird u.a. die Frage gestellt, was es heute bedeutet, Deutscher, Franzose, Engländer oder Italiener zu sein. Wie weit sind wir durch unsere soziale, nationale oder geistige Herkunft geprägt?
    Nationale Identität und europäische Identität brauchen kein Widerspruch zu sein. Im Themenkomplex C - Fremde kann zur Heimat werden - wird ausführlich auf die Frage eingegangen, ob man zwei oder mehrere Heimaten haben kann.

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    Nationale Identität
    Aus Meinungsumfragen der Europäischen Kommission geht hervor, dass sich die Bürger vor allem als Bürger ihres Landes oder ihrer Region fühlen und erst dann als Europäer. Es wäre deshalb unsinnig und auch gefährlich, die nationalen Identitäten bekämpfen zu wollen.

    Bei einer Umfrage in 1987 und 1988 im Auftrag der EG in allen Mitgliedsländern hegte die Mehrheit der befragten Deutschen die Besorgnis, dass bei einer Vereinigung der europäischen Länder, dies das Ende ihrer nationalen, historischen und kulturellen Identität bedeuten würde, und die eigenen nationalen wirtschaftlichen Interessen geopfert werden würden. In Frankreich und Italien jedoch überwog die Zuversicht, das Streben nach Wahrung der nationalen Identität und die Vereinigung Europa würden einander ergänzen.
    E03

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    Europäische Identität
    Die Vielfalt Europas wird auch in Zukunft in erheblichem Maße seine Identität prägen. Wenn wir Europa als unsere Heimat betrachten möchten, müssen wir eine europäische Identität langsam entstehen lassen. Je deutlicher die Sicherung von Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa wird, um so näher wird sie ihren Bürgern sein. Aber die Frage wäre, ob wir die vielen liebgewonnenen, heimatbezogenen Dinge zum Teil aufgeben müssten?
    Peter fragt sich allerdings in seinem Beitrag E11, ob man die Länder USA und Australien mit dem Haus Europa, wie ich sie einander in E01 gegenüber gestellt habe, so miteinander vergleichen kann.
    In dem Beitrag E04 wird Erasmus von Rotterdam, ein "Europäer des 16. Jahrhundert", vorgestellt. Er hat wesentlichen Anteil am Humanismus, der die Identität "Europas" maßgeblich mitgeprägt hat.
    Renate, die viele Jahre in den USA gelebt hat, schreibt in ihrem Beitrag E06 über ihre Erfahrung mit der europäischen Identität während ihres Aufenthalts dort. Vielleicht trifft das immer zu, wenn man außerhalb Europas auf Europäer trifft!
    In dem Beitrag E07 geht der Soziologe und Antropologe E. Morin der Frage nach, ob es überhaupt eine europäische kulturelle Identität gibt.

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    Sprachuniformität
    Im Laufe der Geschichte ist es in fast ganz Europa gelungen, die zahlreichen regionalen Sprachvarianten innerhalb einer Nation allmählich mit einer allgemein anerkannten und brauchbaren Standardsprache zu überbauen.
    Könnten wir eventuell in Europa zu einer Staatssprache kommen?
    Dieter ist in seinem Beitrag
    E02 der Ansicht, dass es niemals eine europäischen Sprache geben wird.
    In dem Beitrag E09 geht er erneut auf dieses Thema ein.
    Die Frage, die ich daraufhin stellen möchte, ist: Warum kann es nicht eine "Amtssprache" neben den nationalen Sprachen in Europa geben?
    Auch Peter ist der Auffassung in seinem Bericht E11, dass eine gemeinsame Sprache wahrscheinlich nie entstehen wird.
    Volkmar stellt in seinem Beitrag E10 die Frage, ob wir überhaupt eine einheitliche Sprache brauchen.
    In seinem Vorwort zum Buch "Über Muttersprachen und Vaterländer" schreibt der Herausgeber G. Hentschel, (Peter Lang-Verlag, Frankfurt/Main 1997), dass die Verflechtungen zwischen Sprache und Sprachgeschichte einerseits und Staaten, Nationen und ihrer Geschichte andererseits, komplex und höchst unterschiedlich sind. Nicht zu übersehen sind die Konflikte zwischen der Rolle der Sprache als Mittel der intern-staatlichen Machtausübung und der Bedeutung von Sprache als Äußerung der ethnischen und kulturellen Selbstbestimmung. Wichtig für die Zukunft eines übernationalen Europas wird sein, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Sprachenkarte Europas wesentlich reicher ist als die politische Landkarte, und dass ein dauerhaftes friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Sprachgemeinschaften in einer staatlichen Organisation nur auf freiwilliger Basis möglich ist.
    In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Themenkomplex B (4. Sprache), und auf die dort angegebenen Beiträge B10, B17, B18 hinweisen.

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    Währung Wir nähern uns jetzt einem Schlüsselerlebnis europäischer Integration - der einheitlichen Währung.
    Im Jahre 2002 wird der nächste Schritt zur Europäischen Einheit mit der Einführung der Einheitswährung EURO vollzogen.
    Für die Menschen ist Integration am aufregendsten, wenn es ums Geld geht.
    Madeleine schreibt in ihrem Beitrag (
    A22) zum Themenkomplex A in dem Abschnitt "Europa":
      "Der Euro in unseren Portemonnaies macht uns deutlich, dass wir zu einer Gemeinschaft gehören, die wir als zweites Vaterland ansehen müssen.
      Dieses gemeinsame Geld ist, unter vielen anderen, ein Beispiel für die Vereinheitlichung (Gleichmacherei), die auf uns zukommt. Man befürchtet einen Verlust an nationaler Identität, während man gleichzeitig die Aufhebung der Grenzen begrüßt."
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    Politisch-kulturelle Identität
    Die europäische Einheit wird die politisch-kulturellen Identitäten auf nationaler und regionaler Ebenen nicht auflösen oder ersetzen, sie wird sie nur ergänzen können. Das zeichnet die gesamte europäische Geschichte aus. Die europäischen Kulturen haben sich in wechselseitiger Beeinflussung und die modernen Staaten auf der Grundlage verschiedener Kulturelemente entwickelt.
    Ähnlich wie die Minoritäten in den Nationalstaaten, so bemühen sich aber auch die Nationalstaaten im vereinigten Europa darum, ihre Identität zu wahren. Und da seit Maastricht die Wahrung der nationalen wie kulturellen Vielfalt zu den Aufgaben der EU gehört, sollten die europäischen Staaten ihren Minoritäten und Regionen mehr Entfaltungsraum und Schutz gewähren, wie der Europarat 1993 forderte.
    In seinem Beitrag
    E02 führt Dieter die Bestimmungen im Vertrag von Maastricht (1992) an, wonach die Bildung jeglicher kultureller Identität Europas verboten wird.
    In Beitrag E09 äußert er sich erneut dazu und kommt zu dem Fazit, dass Europa für ihn nicht Heimat sein kann.
    MariaC weist in ihrem Beitrag B01 auf einen Vortrag (1999) von Professorin Dr. C. Köhle-Hezinger, Universität Jena, mit dem Titel "Europa - eine Chance für ein neues Verständnis von Heimat?" hin.
    Zum Schluß des Vortrages wird die Frage gestellt, ob Europa auf dem Wege zur "Heimat", heute und auch in der Zukunft ist.
    Hermann Bausinger kommt zu dem Fazit, dass Europa "nur von unten her entstehen kann, durch eine Verdichtung der Kommunikation, durch ein Geflecht von Verbindungen. Gemeint sind Verbindungen von Menschen, ein Geflecht des Dialogs, des menschlichen Austauschs - nicht aber dessen Institutionen oder Sachen allein und vorrangig."
    Dieser komplette Vortrag ist bei B02 aufzurufen.
    Peter kommt in seinem Beitrag E11 fast zur gleichen Auffassung wie Bausinger. Er glaubt auch, dass die Menschen u.a. durch das Wegfallen der Grenzen, durch das gemeinsame Geld eher zu einem Gemeinschaftsgefühl und damit vielleicht auch zu einem Europa-Heimatgefühl kommen werden als so manche Regierungen.

    Zum Schluß möchte ich mit der Frage "Wo bin ich zu Hause?" aus dem Beitrag C21 von MariaB's Tante enden:
      "In meinem Haus und bei den Menschen, die mich lieben. Französisch oder deutsch ist nicht mehr so wichtig, die Welt wird kleiner, die Menschen fahren in alle Länder - Hauptsache Frieden."
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    Literaturhinweise
    Beutler, B. (Hrsg.): Reflexionen über Europa. Lyon, 1992.
    Chatzimarkakis, Georgios: Europäischer Grundvertrag 2002 - Für ein Europa der Freiheit -. Bonn: Bouvier, 1996.
    Gies, Horst: Nation und Europa in der historisch-politischen Bildung. Schwalbach/Ts.: Wochenschau, 1998.
    Hentschel, Gerd (Hrsg.): Über Muttersprachen und Vaterländer: zur Entwicklung von Standardsprachen und Nationen in Europa. Frankfurt/Main: Peter Lang GmbH, 1997.
    Krings, Hermann (Hrsg.): Deutschland in Europa: Wiedervereinigung und Integration. St.Ottilien: EOS, 1996.
    Lohe, Alexander; Müller, Olaf (Hrsg.): Europa gestalten: Bundespräsident Roman Herzog - Internationaler Karlspreis Aachen 1997. Aachen: Shaker, 1998.
    Loth, Wilfried: Der Weg nach Europa: Geschichte der europäischen Integration 1939-1957. Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht, 1990.
    Platzer, Hans-Wolfgang: Lernprozeß Europa: Die EU und die neue europäische Ordnung. Bonn: Dietz, 1992.
    Rogosch, Detlef: Vorstellungen von Europa. Hamburg: Dr. R. Krämer, 1996.
    Salewski, Michael (Hrsg.): Nationale Identität und Europäische Einigung. Göttingen, Zürich: Muster-Schmidt, 1991.
    Schleicher, Klaus/Bos, Wilfried (Hrsg.): Realisierung der Bildung in Europa: europäisches Bewußtsein trotz kultureller Identität? Darmstadt: Wiss.Buchges., 1994.
    Thun-Hohenstein, Christoph: Die Angst des Bürgers vor Europa: Die EU als Herausforderung. Wien: Ibera,1996.
    Timmermann, Heiner (Hrsg.): Die Idee Europa in Geschichte, Politik und Wirtschaft. Berlin: Duncker und Humblot, 1998.

     

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