Olympe de Gouges ist nicht die erste Frau, die die Emanzipation der Frauen fordert, aber sie macht es offensiv. Sie stellt die Rechte der Frau in direkten Vergleich zu den Rechten des Mannes, die in den Menschenrechten gemeint sind. Sie überwindet ihre mangelhafte formale Bildung mit Mut und Eigeninitiative. Sie erkennt aus eigenem Erleben, wie Frauen unterdrückt werden. Sie nimmt in Kauf dafür ermordet zu werden. Sie war eine Vorkämpferin für die Gleichberechtigung der Frauen. In Deutschland wurde die Gleichstellung von Mann und Frau erst 1949 gesetzlich festgeschrieben, also einhundertfünfzig Jahre nach Olympe de Gouges. Ich habe für diese Frau sehr viel Sympathie.
Marie Gouze wächst im Kreis ihrer Geschwister auf. Sie ist wahrscheinlich wie die meisten Mädchen und Frauen im 18. Jahrhundert Analphabetin. Mit siebzehn wird sie mit Louis-Yves Aubry, einem Metzger und Gastwirt verheiratet. Kurz nach der Geburt ihres Sohns Pierre verstirbt ihr Ehemann. Sie zieht nach Paris, wo ihre Schwester und ihr Schwager wohnen. Sie begegnet Freundinnen ihrer Schwester. Mit ihnen kultiviert sie ihr Französisch in Konversation und Lektüre. Augenzeugen berichten, dass sie von strahlender Schönheit war und bald als femme galante galt. In Paris betrachtet man sie als „politisch gefährlich und verdächtig“, weil sie es wagt, Theaterstücke zu veröffentlichen, in denen soziale Probleme zur Sprache kommen. Weil sie den König nach dessen Festnahme verteidigt hat, wird sie vor das höchste Sondergericht gestellt. Das Urteil lautet: „Tod auf dem Schafott.“ Sie stirbt 1793 unter dem Beil der Guillotine.
Die mangelnde Schulbildung holt Olympe de Gouges im Selbststudium nach. Sie hat literarische Ambitionen und möchte ihrem Stil Schliff und „Anmut“ verleihen, aber, schreibt sie: „Ich bin in den ersten Jahren meiner Kindheit...vernachlässigt worden“. Zu Beginn der Französischen Revolution wird ihr Drama: Die Sklaverei der Schwarzen aufgeführt. Das verursacht einen Theaterskandal. In anderen Schriften bringt sie ein weiteres brisantes Thema zur Sprache, die Situation der unehelichen Mütter und deren Kinder, die bastardes genannt werden. Sie plädiert für eine Ausbildung der Hebammen und die Einführung der gesetzlichen Ehescheidung. Später prangert sie die Greuel der Schreckensherrschaft unter Robbespierre an.
Olympe de Gouges publiziert 1791 die Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne. Es ist die Antwort auf die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789. Sie schickt ihre Déclaration an die Nationalversammlung und an die Königin, weil die Menschenrechte an den König geschickt worden waren. In der Präambel fordert sie die Emanzipation der Frau. Frauen sollen das Recht erhalten, in die Nationalversammlung gewählt zu werden. Im ersten Artikel ihrer Déclaration heißt es: “Die Frau ist frei geboren und dem Manne gleich an Rechten.“ Alle siebzehn Artikel können parallel zu denen der Erklärung der Menschenrechte gelesen werden.
In der Postambel appelliert sie leidenschaftlich an die Frauen, die Augen zu öffnen und zu erkennen, dass die Revolution für die Frauen keine Vorteile gebracht habe. Sie fordert in einer weiteren Schrift, dass Frauen und Männer zusammen in allen Berufszweigen arbeiten dürfen. Nur so, erklärt sie, erhalte die Frau ihre Würde.