Mode im Nationalsozialismus
                                     von Renate Wiese
Die deutsche Frau raucht nicht, schminkt sich nicht, trägt ein Dirndlkleid und als Frisur einen Haarkranz oder Knoten.

Frauenbild
Die heutige Vorstellung vom Frauenbild im Dritten Reich ist häufig noch von diesen Stereotypen geprägt, obwohl die damals gelebte Wirklichkeit der Frauen wenig mit diesem „Gretchenmuster" zu tun hat.
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Private Bilder, Museen usw. überliefern ein anderes Zeugnis, das Bild einer Frau, die in ihrer Aufmachung aktuellen modischen Standards zu folgen suchte, welche sich nicht von denen des demokratischen Auslands unterschieden.

Politischer Einfluss
Den Bekleidungsstil der Frauen ernsthaft zu reglementieren, erschien der Parteispitze nicht opportun, war man doch bei Aufbau des neuen Reichs auf die Mitwirkung des weiblichen Teils der Bevölkerung angewiesen: Im Frieden wurde die Frau als Mutter und Hausfrau, Mitte der 30er Jahre auch wieder als Arbeitskraft gebraucht, im Krieg als überlebenswichtige Stütze der Heimatfront. Es war riskant, sich die Gefolgschaft der Frauen wegen solcher Äußerlichkeiten zu verscherzen. Goebbels sah das 1943 ganz richtig: „Vor allem darf im totalen Krieg kein Krieg gegen die Frauen geführt werden. Noch niemals ist ein solcher Krieg von einer Regierung gewonnen worden. Die Frauen stellen doch eine ungeheure Macht dar, und sobald
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man die Hand nach ihrer Schönheitspflege ausstreckt, wird man sie zum Feinde haben." Ganz pragmatisch entschied er: „Nicht die äußere Aufmachung interessiert, sondern allein die Haltung und Leistung."

Weibliches Ideal
Das weibliche Körperideal sah das Modeamt im „ovalen Akt". Die sonderbare Wortschöpfung stammte von Margarethe Klimt. Sie verstand darunter „einen weiblich gewölbten, langgestreckten Körper" und berief sich dabei auf die „griechische Statue (als) Ideal für den modernen Frauenakt". Das ominöse Oval meinte die Partie zwischen Hals und Knien. Das Kleid hatte besonders die Körperzone zu berücksichtigen und den „hohen, zusammengehaltenen Busen" wie auch die „hoch angesetzte Rundung unterhalb der Taille" zu betonen.
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Das „neu erkorene Idealbild der Frau" sah die Akzentuierung der sekundären Geschlechtsmerkmale vor, um die junge Frau über kurz oder lang ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen.

Frauenmode im Nationalsozialismus
Weimarer Zeit: Die Emanzipation der Frau ist in vollem Gange, liberale und weltoffene Mode wird getragen.
Im Nationalsozialismus: Reduktion der Frau auf Gebärfähigkeit und Mutterschaft. Mutter sein ist höchstes Ziel und Schönheitsideal. Frauentyp: bodenständig, natürlich, gesund und weiblich. Das Bild setzt sich international durch. Der magere Garconnentyp verschwindet, ebenso Vamps. Glockenröcke kommen auf, Brüste werden betont, die Mode der dreißiger Jahre ist weicher als in den zwanziger Jahren.

Mode wird Amtssache
Mode hatte Dringlichkeitsstufe zwei. Die Modebegriffe wurden eingedeutscht und die Modefotografie diente jetzt Propagandazwecken. Modebild und Modefotos sollen einen Frauentyp zeigen, der ganz aus der Gegenwart gegriffen scheint; wirklichkeitsnahe Abbilder von jungen, gesunden, sportlichen, gestählten und schönheitsfrohen Frauen. Das Modebild soll vom Schaffen einer deutschen Mode künden und dem Lebenswillen einer deutschen Frauengeneration Ausdruck geben.
Kluft zwischen Theorie und Praxis: Gefordert von Goebbels (Reichspropaganda-Minister) und Gertrud Scholtz-Klink (Reichsfrauenführerin) wird eine biedere, mütterliche Frau. Dieses Bild der Frau und der deutschen Mode konnte sich nie durchsetzen. Hitler erwartete vom Volk Tracht und Uniform, Natürlichkeit bei Frauen. Er selbst umgibt sich mit chicen, schönen Frauen. Niemals umgibt er sich mit den propagierten, „natürlichen Frauen".

Herrenmode vor Kriegsbeginn
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Dandy: Modische, elegante, korrekte Kleidung, ist Ausdruck weltmännischer Lässigkeit, allerdings trotzdem konservativ und ohne große Änderung während des Jahrzehnts (schon 1929 festgelegte modische Linie). Man trug Sakkoanzug, mit figurbetontem Schnitt, Polsterung der Achseln, diese unterstrichen breite Schultern, tailliert, eng um Hüften, breites kurzes Revers, auch das betonte die Schultern. Das kurze Sakko gehört dazu, einreihig mit 3 Knöpfen, nur der mittlere wird geschlossen. Die Hose ist bequem, weit und gerade und hat Stulpen.
Die Kleidung nach Kriegsausbruch war kaum verändert. Wenige Anzüge, sie wurden geschont, auch zu privaten Anlässen trug man Uniform. Staatsmänner ließen ihre Anzüge im Ausland fertigen.

Im Krieg
Die Frauen waren eigene Stilistinnen. Die Kostümjacke unterschied sich nicht von der Anzugjacke, sie hatte einen starken Uniformcharakter. Durch Rationierung gab es keine Seiden- und Kunstseidenstrümpfe. Kurze Röcke, enge Kleider wurden Pflicht (Stoffrationierung) und Plateausohle aus Kork oder Holz, die Frisur wurde hochgesteckt. Der Hut hatte immense Bedeutung. Er war das einzige, was sich aus allerlei herstellen lässt.

Wiener Modewochen 1940
Um zu zeigen, dass es Deutschland auch gelingt, während dem Krieg kulturelle Arbeit zu leisten wurden die Wiener Modewochen ausgerichtet.  Es entstanden Modelle wie: Verkäuferin, Arbeiterin, Fabrik, Schreibmaschine, Heim. 1942 wurde die Dienststelle „Reichsbeauftragter für Mode" geschaffen, um die Mode endlich doch noch staatlich zu lenken. Gegen Ende des Krieges wurde die Arbeitskleidung modern. „In" war die Frau, die ungeschminkt war, keine langen Fingernägel und schlichtes langes Haar hatte, die „arische Mode".
Wichtig für Nationalsozialisten war eine Einheitskleidung > Gleichschaltung. Die Uniformen waren sehr symmetrisch und geradlinig. Dies stand für Ordnung (auch für Frauen, BDM).
Die Uniformen wurden zur Feiertagstracht erklärt. Für jeden Dienst oder ähnliches gab es eine eigene Uniform, die großen Herren nahmen sich von der Uniformpflicht aus.

Mode als Zeichen des Widerstandes
Swingheinis und Schlurfs protestieren durch ihre Kleidung. In Wien sind es dandyhafte Schlurfs, betont modisch gekleidete Nichtstuer, Herumtreiber, vorwiegend aus der Arbeiterschaft. Sie sind 14 - 25 Jahre und tragen weite lange Nadelstreifensakkos, überlange Hosen mit hohen Stulpen, grelle auffällige Farben mit großen Mustern. Dazu Halstücher, Halbschuhe mit aufgedoppelten Sohlen und Krawatten. Lange Haare mit Pomade und den Schwalbenschwanz im Nacken trägt man als Frisur. Den Hut mit herunter gebogener Vorderkrempe, in die Stirn gezogen bzw. im Nacken sitzend. Zur Beschaffung wurde ein hohes Maß an Energie und Phantasie aufgewandt. Improvisation war gefordert, Recycling war eine der Möglichkeiten, so wurde der Einreiher von Vater zum Doppelreiher gemacht.
Ihr Verhalten: Respektlosigkeit gegenüber der Hitlerjugend.

Swing-Jugend
Liberalistisch, individualistische Gruppen mit dem Drang zum amüsieren.
Sie nehmen fortlaufend einen ans kriminelle asozial grenzenden Charakter an und treten angelehnt an die englische Kleidermode in Erscheinung. Sie tragen geschlitzte Jacken in schottischen Mustern und führen den Regenschirm mit sich. (Der Engländer wird von ihnen als die höchste Entwicklungsstufe betrachtet.) Ihr Auftreten ist elegant, leger, modern. Dies sollte Provokation zur HJ-Uniform sein. Es kam zu Zusammenstößen und territorialen Kämpfen. Die Maßnahme dagegen war ein Verbot der Swingmusik im Radio.
Strafen: Frühzeitiger Einzug in RAD (Reichsarbeitsdienst) oder zur Wehrmacht, Arbeitererziehungslager, Verhaftungen und Großrazzien durch die Hitlerjugend. Mädchen werden von Fürsorge und Gestapo wegen Unsittlichkeit oder Prostitution kriminalisiert.

Edelweißpiraten
politisch oppositionelle Gruppe (Opposition zur HJ)

Der internationale Widerstand
England und USA: „Zoot - Suit". Ein kecker Aufzug, breite Schulterpartien, Gilets und Machismo-Gehabe waren ihre Zeichen. Nach Krawallen wurde die Mode abgeschafft. Die Anzüge wurden gegen Army und Navy Uniformen getauscht.
Frankreich: „ZAZOUS ", Sie achteten nur auf ihr Äußeres und trugen langes Haar. Ein absolutes Muss Lederplateauschuhe. Die Résistance hasste sie wegen ihrer fehlenden politischen Seriosität.
V-Welle:
Ab 1941 stand V für Victory, eine Durchhalteparole der Alliierten für den Sieg über Nazideutschland. Die Frisuren in V-Form, der Hut in V-Form, dies stand als Zeichen für Vergeltung. Paradoxerweise gab es die V-Welle auch in Deutschland für: Sieg über den Bolschewismus und vorwärts kommen gegen den Weltfeind, den Sieg des Deutschen Reiches.

Literatur
Sultano, Gloria: Wie geistiges Kokain...: Mode unterm Hakenkreuz, Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1995
Junker, Almut: Frankfurt macht Mode, 1933 - 1945, Jonas Verlag, Marburg 1999
Loschek, Ingrid: Mode im 20. Jahrhundert, Bruckmann Verlag, München 1990

Links
http://www.bundesarchiv.de/
Bundesarchiv Koblenz
http://www.bundesarchiv.de/
bestaende_findmittel/findmittel_online/online_fm_abt_r/index.html

Findmittel online unter (R) Abteilung Deutsches Reich
Jugendopposition, 1943. Aus einem Bericht des Reichsjustizministeriums (1943), Quelle: Bundesarchiv Koblenz R 22/1177, Bl. 441.451
Cliquen- und Bandenbildung unter Jugendlichen, Denkschrift der Reichsjugendführung, September 1942, Quelle:Bundesarchiv Koblenz  R 22/1177, Bl. 325-395, Bl. 332.
http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/widerstand/swing/
Deutsches Historisches Museum (Swing-Jugend)
http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/widerstand/epis/index.html
Deutsches Historisches Museum (Edelweißpiraten)

 
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