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Nur alle sieben Jahre ...
                                     von Theo Zimmer
tanzen sie, die Schäffler. Zusammengeschlossen sind sie im Fachverein der Schäffler Münchens. Sie üben einen alten, traditionsreichen Handwerksberuf aus. Es ist der einzige noch bestehende öffentliche historische Münchner Handwerksbrauch.

Was sich so tut
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Im Bild ist das Wappen des Fachvereins der Schäffler Münchens zu sehen. Die Siebenjahresregel wird durchbrochen durch die Aufführung des Schäfflertanzes auf dem Münchner Viktualienmarkt anlässlich des in zweijährigem Rhythmus stattfindenden Brauertages. Andere seltene Ausnahmen des Sieben-Jahres-Turnus sind besondere kommunale, kirchliche oder sportliche Jubiläen wie zum Beispiel die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 1972 in München.

Herkunft von Fässern und ihren Erbauern
Früher wurden Fässer ausschließlich aus Eichenholzdauben hergestellt Sie dienten zur Herstellung, Lagerung und zum Transport von Spirituosen aller Art, insbesondere aber von Wein und Bier. Handelsübliche Fassgrößen waren hierzulande ein Ohm, das entsprach etwa 1,5 hl, oder das Fuder mit einem Fassungsvermögen von rund 1000 Liter; schließlich das Stück, meist 10 bis 12 hl. In Frankreich verwendete man hauptsächlich das heute noch gebräuchliche barrique, das ursprünglich 2,0 hl entsprach. Im angelsächsischen Raum benutzte man ein barrel, vornehmlich vom Erdölhandel her bekannt mit einem Volumen von 158,8 Kubikdezimeter. Die ersten Fässer heutiger Bauart sind aus der Römerzeit bekannt. Die Fassherstellung hat sich zu einer Kunst entwickelt, demnach sind Schäffler regelrechte Künstler. Der Beruf des Schäfflers ist über eintausend Jahre alt.
 
Die Pest war schuld daran
Im 16. Jahrhundert wütete in Bayern die von Ratten und Flöhen übertragene Infektionskrankheit Pest und raffte bis ins 17. Jahrhundert Zehntausende von Menschen hinweg. In München waren damals nur zwei Stadttore geöffnet, das Neuhauser Tor im Westen und das Isartor im Süden. Eintreffende Petschaften wurden zum Desinfizieren geräuchert, von daher stammt vermutlich auch das Benutzen von Weihrauch in den christlichen Kirchen. Im Umlauf befindliches Geld wurde mit Essig gewaschen und Straßen konnten mit eisernen Ketten gesperrt werden. Gassen, in denen Pestkranke wohnten wurden mit Brettern verrammelt. Außer Totengräbern und Pesträucherern gab es keine Passanten. Mediziner erwiesen sich als hilflos.

Die Geburt des Schäfflertanzes
Da entschloss sich ein weitsichtiger Bürger, ein heiteres Schauspiel aufzuführen statt zu jammern und zu wehklagen. Die damaligen Schäffler gingen auf die Straßen und führten mit grün belaubten Fassreifen Rundtänze auf; ihnen schlossen sich die Metzger an. Die Stimmung in der Stadt schlug um, von tiefer Betroffenheit zu fröhlicher Heiterkeit. Die Glocken ertönten zum Dank und die Bewohner nahmen wieder ihre Arbeit auf. Die Schäffler hatten Konjunktur und der Schäfflertanz ward geboren. Nach Beendigung der Fröhlichkeit sprangen die Lehrlinge am Marienplatz in den Fischbrunnen, heute ein beliebter Treffpunkt für Verliebte.
Keine Geburt ohne Urkunde: Nach Auskunft des Stadtarchivs München wird der Tanz der Schäffler urkundlich seit 1702 aufgeführt. In dem Signat vom 22.02.1702 heißt es: „…per signatum zu bedeithen großgütigst anbefolchen, dass die Gesölln der gesambten Statt-Meister mit Zuziehung der Meister bey beeden, Churfürstl. Preuheusern ihrer Gesölln den Schäfflertanz (wie es vor alters her gebreichig gewesen) miteinander halten,…“

Wie kam es zu dem siebenjährigen Turnus?

Die Pest ist im Mittelalter alle sieben Jahre aufgetreten. So glaubte man durch das Tanzen der Schäffler im Siebenjahresrhythmus der Ausbreitung der Infektionskrankheit begegnen zu können.
Seit Menschengedenken gilt die Ziffer Sieben als eine Glücks- oder auch als eine Unglücksziffer. Sowohl in der Astronomie als auch in der Astrologie gilt die Sieben als ein Grundmaß. Die Hebräer führten die Schöpfung auf sieben Tage zurück. Die christliche Bibel ist voller Sieben: siebenarmiger Leuchter, sieben Stufen zum Tempel, das Buch mit sieben Siegeln und andere. Es ist gut möglich, dass die mystische Bedeutung der Sieben zur Aufführung des Schäfflertanzes alle sieben Jahre beigetragen hat. Da neben den Schäfflern auch andere Zünfte Tänze aufführten, ist es nahe liegend anzunehmen, dass der Zeitplan der Zunfttänze zum Siebenjahresrhythmus geführt hat.

Herzog Wilhelm IV., der Standhafte
Noch ein Aristokrat war an dem Ganzen beteiligt: der bayerische Herzog Wilhelm IV., der Standhafte, bekanntlich derjenige, der am 15.04.1516 das bayerische Reinheitsgebot des Bieres erließ, gewährte den Bierfassmachern das Recht, alle sieben Jahre ihren Tanz aufzuführen.

Die Entfaltung des Münchner Schäfflertanzes
In den rund 500 Jahren seines Bestehens war der Schäfflertanz, schon wegen des sich ändernden Zeitgeschmacks, erheblichen Veränderungen in der Choreographie und in der Kleidung der Tänzer unterworfen. Sprach man anfangs von einem einfachen Tanz oder später von Lissajou’schen Figuren, so mündete die Entwicklung des Tanzes in einen neuzeitlichen, sehr komplexen Ablauf des Reiftanzes, der andere Volkstänze bei weitem überflügelt.
Die Ausführung des Tanzes war ausschließlich Schäfflergesellen vorbehalten; Meister oder deren Angehörige waren von der Aufführung ausgeschlossen.
Die Tänzer mussten ledige, „ehrbare Jünglinge“ sein, die Gesellenprüfung bestanden haben und in München wohnen.
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mussten die Schäffler, aufgrund von Personalmangel, die Zulassungsbedingungen lockern.

Kleider machen Tänzer
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Die Tänzer, die Reifenschwinger und der Fähnrich tragen alle eine historische Kluft, die ähnlich wie das Tanzen selbst einem strengen Komment unterliegt. Die malerischen Oberkleidungstextilien sind – nach Angaben des Fachvereins - von oben nach unten wie folgt:
grüne Kappe, weißes Hemd, rote Joppe, weiße Handschuhe, Lederschurz, Schärpe, schwarze Kniebundhose, weiße Kniestrümpfe sowie schwarze Haferlschuhe mit Schnalle.

Der Kasperl
Die unentbehrlichste Figur bei dem ganzen ist jedoch der Kasperl, der von Anfang an durch allerlei Schabernack das durch die Pest gebeutelte Volk aufmuntern sollte. Die Gestalt des Kasperl war ursprünglich eine lustige Figur des Wiener Volkstheaters unter anderem in der Tradition des Hanswurst. An seinem Hosengürtel hängt seit Anfang des 19. Jahrhunderts eine Holzfigur, die „Gretl“. Sie war die Vorgängerin des Kasperl, die nach der Pest Eier und Butter in die Stadt brachte. Die damals tanzenden Schäffler bezogen die „Gretl“ mit in das Geschehen ein. Heutzutage schwärzt der Kasperl die Zuschauer am Straßenrand mit Ruß im Gesicht, zur Erinnerung an den schwarzen Tod.

Ablauf des Tanzes
Der Schäfflertanz beginnt mit dem Einmarsch der grüßenden Tänzer und anschließender Aufstellung im Kreis. Anwesende Musiker intonieren den Bayerischen Defiliermarsch.
Danach Eröffnung mit der „Schlange“. Es folgen die Tanzfiguren „Laube“, „Kreuz“, „Krone“, „vier kleine Kreise“, „Changieren“ und zum Abschluss „Reifenschwung“
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Danach erfolgt der Ausmarsch ebenfalls nach der Melodie des Bayerischen Defiliermarsches.
Nach der Besetzung Bayerns durch napoleonische Truppen (1792 – 1815) wurden die Kommandos bei der Aufführung des Schäfflertanzes teilweise in französischer Sprache erteilt, zum Beispiel:
garde-a-vous = Obacht, avancez = vorwärts, reculer = rückwärts, pas de deux = Doppelschritt, a droite = nach rechts, a gauche = nach links, changez = wechseln, balancez = tupfen, croisez = kreuzen.

Termine
Im Jahr 2010 sind Beteiligungen der Schäffler noch zu sehen am 18.09.2010 beim Einzug der Wies’nwirte und am 19.09.2010 anlässlich des Oktoberfest-Trachten- und Schützenzuges.
In der unteren Etage des Glockenspiels am Münchner Neuen Rathaus wird der Schäfflertanz dargestellt. Täglich versammeln sich um die Mittagszeit einige hundert Besucher, hauptsächlich aus Japan und den U.S.A. um das Glocken-Schauspiel visuell und akustisch zu bewundern.

Links
Tanz
Schäffler in der Sparkasse
Glücksbringer
Traditionen

Bilder: Fachverein der Schäffler Münchens, München

 
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