von Roma Szczocarz
Das ist der Titel des Buches von Karl Dedecius.
Das anspruchsvolle Thema „Kulturraum Europa" möchte ich mit einem Zitat vom
großen J.W. Goethe beginnen:
"Wer sichere Schritte tun will, muss sie langsam tun."
Friedenspreis
für Karl Dedecius
Als Karl Dedecius 1990 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen
bekam, würdigte der Stiftungsrat sein Lebenswerk, das dem Verstehen von
Literatur und der Verständigung zwischen den Völkern gewidmet ist, gleichzeitig
aber auch die Übersetzer als Anreger, Vermittler und Partner des literarischen
Austauschs sieht.
Der Lebensweg
Karl Dedecius wurde am 20. Mai 1921 als Sohn eines Beamten in Lodz geboren.
Sein Leben wurde wesentlich durch das Aufwachsen im vielsprachigen Milieu der
Textilmetropole Lodz geprägt. Er wuchs zweisprachig und bikulturell auf und
nach Jahren zeigte es sich, dass diese Erfahrung für ihn zur Berufung wurde.
Nach dem Abitur kamen die tragischen Kriegszeiten. Der junge Karl musste
erleben, wie das deutsch-polnische Miteinander in seiner Heimatstadt Lodz durch
Hitler zerstört wurde. Er wurde zur deutschen Wehrmacht eingezogen und geriet
bei Stalingrad 1943 in die Gefangenschaft. Sieben Jahre verbrachte er in
sowjetischen Kriegsgefangenenlagern. Während dieser Zeit lernte er Russisch und
entdeckte die Lermontow - Gedichte, später dann auch die Werke des
Nobelpreisträgers Brodskij und die von Majakowski.
Nach seiner Entlassung 1950 fand er seine Familie in Weimar. Dort arbeitete er
zuerst am Deutschen Theaterinstitut, später als Angestellter bei der
Allianz-Versicherung bis 1978.
Sein Lebenswerk
Schon während er bei der Allianz beschäftigt war, widmete er sich der
Verbreitung der polnischen Literatur in Deutschland. Die Suche nach der
verlorenen Heimat ist einer der stärksten Antriebe für menschliches Tun. „Wer
sein Ziel kennt, findet den Weg", sagt Laotse.
Karl Dedecius suchte durch die Literatur den Kontakt zu den Menschen, er
übersetzte aber lieber die lebenden Autoren als die Klassiker. Es geht um die
Generationen, die, wie ihr deutscher Übersetzer, durch die tragische Erfahrung
des Zweiten Weltkrieges geprägt sind: die spätere Nobelpreisträgerin Wislawa
Szyborska, Zbigniew Herbert oder Czeslaw Milosz, Dichter im Exil und spätere
Nobelpreisträger.
Für seine Übertragungen ist kennzeichnend ihr schöpferischer Charakter. Nach
seiner Meinung wählt der Übersetzer: die Sprache, das Werk, das Thema und die
Idee.
Neue Aufgaben
Seine Berufung wurde zum Beruf als er 1980 die Leitung des neu gegründeten
Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt übernahm. Für seine kreative,
geistreiche Arbeit als Autor und Mittler wurde Karl Dedecius im In- und Ausland
mehrfach ausgezeichnet. Er ist Inhaber mehrerer Ehrendoktorwürden, sowie Träger
zahlreicher Preise und Auszeichnungen, darunter auch des Hessischen
Kulturpreises und des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels.
Seit 2003 verleiht die Robert-Bosch-Stiftung in Zusammenhang mit dem Deutschen
Polen-Institut den mit jeweils zweimal 10 000 Euro dotierten
Karl-Dedecius-Preis für polnische Übersetzer deutscher Literatur und für
deutsche Übersetzer polnischer Literatur. Das ist eine wunderbare Idee, alte
Ressentiments zu überwinden.
Seit 2002 ist ein Gymnasium in Lodz mit einem bilingualen Zweig nach Karl
Dedecius benannt.
Weitere Ehrungen
Mit der Begründung Karl Dedecius habe sich durch sein gesamtes Lebenswerk als
Brückenbauer zwischen Polen und Deutschland verdient gemacht, wurde ihm
zusammen mit Bischof Alfons Nossol (bis 2009 Bischof von Oppeln) der Deutsche
Nationalpreis des Jahres 2010 zuerkannt.
Dankesrede
Zur Verleihung des Karl-Dedecius-Preises im Jahre 2005 sprach Olaf Kühl
folgende Worte:
„Nie spricht der Übersetzer ein eigenes Wort. Die Worte, die er zu Papier
bringt, sind dünner als die wirklichen, sie sind nur Ableitungen (im
mathematischen Sinne), ihre Pause (im Sinne des Durchschlagpapiers). Sie sind
blutleer und durchscheinend wie die Haut auf den Rinderknochen. Faszinierend
ist aber, dass sie den richtigen Worten täuschend ähnlich sehen. Sie teilen
sich ein und denselben Ort im Wörterbuch und werden von der gleichen Grammatik
regiert. Aber die Worte des Übersetzers sind nie ‚gesagt'. Ihnen fehlt die
Wirklichkeit, die der Sprechende seinen Worten mitgibt, wie die Gebärende dem
Kind."
Karl Dedecius besuchte im Oktober meine Heimatstadt Lodz als Gast einer
Konferenz an der Lodzer Universität. Er ist Botschafter der polnischen Kultur
in Deutschland. Es wäre schön, wenn ich ihn einmal persönlich kennen lernen
würde.
Links
Deutsches Polen Institut
Das Museum in Lodz
Biographie zu Dedecius
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