Erfahrungsberichte

Deutsch-russische Alt-Jung-Begegnung

Bezug: Deutsch-russisches Begegnungsseminar im Mai 2009

Es trafen sich Schüler/-innen der 10. Klasse der Ulmer Waldorfschule am Illerblick und Ulmer Seniorstudierende des ZAWiW der Universität Ulm mit russischen Veteran/-innen des 2. Weltkrieges, Senior/-innen und Student/-innen der Kursker Hochschule MEBIK

„Unsere Hände sollen Gutes tun, wir gebären unsere Kinder, damit sie Freude am Leben haben, nicht, um im Krieg zu sterben“

Veteranin

Russische Veteranin bei der Begegnung in Prochorowka, Kursker Bogen

„Möge der Himmel immer blau, das Brot rund
und wir in Frieden sein“

Veteran

Russischer Veteran in Prochorowka, Kursker Bogen

19 Schüler/-innen der 10. Klasse der Ulmer Waldorfschule am Illerblick, die seit der ersten Klasse Russisch lernen, deren Lehrerin Olga Meier, eine Mutter sowie 9 Seniorstudierende des Zentrums für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWiW) der Universität Ulm waren vom 15. bis 24. April 2009 unter der Leitung von Frau Carmen Stadelhofer, Akad. Direktorin und Geschäftsführerin des ZAWiW, unterwegs zu einer Begegnung mit Senior/-innen , Student/-innen und Schüler/-innen in Kursk im Südwesten Russlands. Untergebracht waren die Jugendlichen und die meisten Senior/-innen in russischen Gastfamilien.

Diese Begegnungsreise erfolgte vor dem Hintergrund der seit einigen Jahren bestehenden freundschaftlichen Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen dem Ulmer ZAWiW als Einrichtung der Seniorenbildung an der Universität Ulm und der Hochschule für Management, Wirtschaft und Business in Kursk als Träger der Seniorenbildungsorganisation „Snanije“ des Kursker Gebiets.

Die Kursker Hochschule und Snanije hatten zur Begegnung eingeladen. Leidvolle Erfahrungen und deren lebendige Erinnerungen an die Schrecken des 2. Weltkriegs geben solchen Begegnungen einen besonderen Charakter.

Der „Kursker Bogen“ zwischen Orel im Norden und Kursk im Süden war das Gebiet der wohl größten und schrecklichsten Panzerschlacht des Krieges. Zehntausende (manche Forscher reden von Hunderttausenden) russische und deutsche Soldaten verloren in der nur 14 Tage dauernden Schlacht ihr Leben. Jede der jetzt dort lebenden Familien hat Opfer zu beklagen. Erinnerungen an diese Zeit und an den schließlich errungenen Sieg werden mit Gedenkstätten und örtlichen Kriegsmuseen lebendig gehalten.

Die Begegnungen russischer und deutscher Zeitzeug/-innen und der nachfolgenden Generationen sind geprägt von diesen Erinnerungen. Sie dienen der Verständigung und der Versöhnung. Es sind bereits viele Brücken der Freundschaft entstanden, die mit jeder Begegnung weiter ausgebaut werden.

Die Berichte der russischen Zeitzeug/-innen bei unseren Begegnungen in Kursk und an den Gedenkstätten und Museen gaben bedrückende Einblicke in traumatisierende Erfahrungen durch die militärisch agierende vernichtende Gewalt des Krieges, durch Erfahrungen von Unterdrückung und Gnadenlosigkeit der deutschen Besatzungsmacht, durch Gefangennahmen und Deportationen junger Männer, Frauen und Kinder zum Zweck der Zwangsarbeit in Deutschland. Die Zeitzeug/-innen berichteten über die elenden Verhältnisse und ihre schmerzlichen Erfahrungen in Zwangsarbeitslagern und KZs. Andere konnten fliehen und haben unter ständiger Lebensgefahr im Widerstand gekämpft.

Außerordentlich beeindruckend waren die herzliche Gastfreundschaft und die Grundhaltung der Versöhnung und des Willens der ehemaligen Opfer, mit uns gemeinsam eine Zukunft in Frieden zu gestalten.

Die deutsche Delegation der gleichaltrigen Senior/-innen und die junge Generation der Schüler/-innen hat an den Orten der Erinnerung der Opfer des Krieges mit Blumen, Chorgesang, Ansprachen und anschließenden Gesprächen gedacht.

Begegnungen mit Kriegsopfern während unserer Reise.


Kriegsopfer


Wir waren in der Zeit dieser Begegnungsreise

•    eingeladen zu einer Begegnung im MEBIK mit 5 Zeitzeitzeug/-innen, die auf ganz unterschiedliche Weise über viele Jahre Opfer des Nationalsozialismus und seiner verheerenden Auswirkungen waren,  
•    im Kursker Bogen an der Gedenkstätte der Panzerschlacht,
•    auf dem Gelände der Gedenkstätte der Schlacht bei Prochorowka und anschließend im Museum der Erinnerung zu Gesprächen mit Zeitzeug/-innen,
•    in Korennaja Pustyn, einem sehr alten Männerkloster, das von der deutschen Besatzung respektlos als Hauptquartier genutzt wurde,
•    im Kriegsmuseum in der Stadt Rylsk, wo wir von Jugendlichen und Lehrer/-innen der örtlichen Schule mit einem Kulturprogramm empfangen wurden und ausgiebig mit örtlichen Zeitzeug/-innen zusammen sein konnten,

Kultur

•    bei einem Empfang der Stadtverwaltung Kursk, mit Vertreter/-innen von Senioren- und Jugendorganisationen, die mit Zeitzeug/-innen, Gedenkstätten und Aktionen die aktive Erinnerung an den Krieg und seine Folgen pflegen. Hier war besonders beeindruckend der Bericht einer erblindeten Frau in deutscher Sprache über ihr Schicksal als Zwangsarbeiterin in Deutschland,

•    am selben Tag zu einer Begegnung mit den Senior/-innen von Snanije in der Hochschule MEBIK. Drei Zeitzeug/-innen berichteten über ihr Schicksal als Soldat, als junger Zwangsarbeiter in Deutschland und als Kind zur Zeit der deutschen Okkupation.

•    Am vorletzten Tag auf dem von Einheimischen in Zusammenarbeit mit der Kriegsgräberfürsorge Deutschland neu angelegten Friedhof für die gefallenen deutschen Soldaten. Anschließend wurden wir von der Schule des Ortes empfangen. Schülerinnen führten uns durch das von ihnen angelegte Museum der Erinnerung.
Die Inhalte der Zeitzeug/-innenberichte, der Interviews und der Begegnungen mit Kursker Zeitzeug/-innen der NS-Zeit und des Krieges sollen in einer ausführlichen Dokumentation mit Berichten der Ulmer Schüler/-innen und Senior/-innen dargestellt werden.

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Die Begegnungen mit Studierenden in der Hochschule MEBIK und mit Schüler/-innen von zwei Kursker Gymnasien.

Die Begegnungen mit Studierenden in der Hochschule und mit Schüler/-innen in zwei Schulen hatten eine andere Ausrichtung. Jedoch fanden sie immer vor dem Hintergrund der Tatsache statt, dass die russischen Studierenden und Schüler/-innen fast alle in zweiter oder dritter Generation zu Familien gehören, in denen die Schrecken des Krieges und der Deportationen mit Zwangsarbeit präsent sind. In den Schulen und in der russischen Gesellschaft werden die Erinnerungen wach gehalten.
Darüber hinaus wollten die russischen Schüler/-innen und Studierenden bei den Begegnungen möglichst alles erfahren, was die gegenwärtige Lebenswirklichkeit der Jugend in Deutschland betrifft, insbesondere ihre Einstellungen zu Russland. Das gab den Begegnungen in den Schulen und in der Hochschule besondere Bedeutung.

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Am 18.04. wurde die Schule Nr. 44 und am 22.04. wurde die Schule 21 besucht. Es gab jeweils ein Kulturprogramm und viele Gespräche.
Insbesondere die täglichen Begegnungen mit den Studierenden der Hochschule gaben Anlass zu vielen Gesprächen. Nach den Mahlzeiten gab es dort fast täglich gemeinsame Kulturveranstaltungen, Diskussionen, Wettspiele und Tanz.
Die Ulmer Delegation wurde bei ihren Begegnungen und Besuchen oft von russischen Studierenden begleitet, in deren Familien die deutschen Schüler/-innen und ein Teil der Senior/-innen zu Gast waren. Diese persönlichen Begegnungen waren von besonderer Bedeutung.


Wenn sie mit dem Autor/Autorin des Textes in Kontakt kommen möchten, wenden Sie sich bitte an leserbrief@europa-erleben.net



Christian Wienberg
eingereicht von
Christian Wienberg
Kategorie
Begegnungen helfen verstehen
Datum
03.07.2009


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