Interview zu Mühlentechnik
von Hildegard Keller
Vorgaben zum
Interview
Haug Albert
Herr Dr. Haug zählt schon seit Jahren zu meinem Bekanntenkreis.
Seine Vorträge, Gesprächsabende und Exkursionen zeichnen sich durch
großes Fachwissen und themenübergreifende Kompetenz aus.
Daher sehe ich unserem nächsten Begegnungsabend mit ihm mit großer
Freude und Erwartung entgegen. Anläßlich seines 80. Geburtstages wird
er uns mit dem Thema „Ein Leben zwischen Technik und Religion“ einen
Einblick in Stationen seines reichen Lebens geben.
Herr Dr. Haug ist noch immer ein begehrter Referent in den Bereichen
Technische–, Industrie – und Kulturdenkmäler, Brunnenwerke, Mühlen.
Die Lebensdaten von Herrn Dr. Haug im Überblick:
Albert Haug, Jahrgang 1927.
Abitur, Lehre im Rundfunkhandwerk, Studium E-Technik, Forschung und
Industrie
.Prof. an der Fachhochschule (FH) Ulm, Fachgebiet Elektronische
Messtechnik
Nach Pensionierung ehrenamtliche Mitarbeit an der FH Ulm, Institut für
Technikgeschichte
1. Frage: Wie wurde Ihr Interesse für Mühlengeschichte geweckt?
Mühle in Marbach 1911
In den Schulferien war ich immer auf einem einzeln gelegenen
Bauernhof in Oberschwaben, Heimat meines Großvaters. Dorthin hatte um
1850 ein Sohn der Mühle aus dem benachbarten Dorf geheiratet. Die
Familie Haug sitzt seit 1758 auf der Mühle; der Vetter müllert zwar
nicht mehr, erzeugt aber noch Strom.
Mehr Bezug gab es zu einer dem Hof benachbarten Mühle. Mit dem
dortigen Sohn, der nur wenig jünger war als ich, fuhr ich oft in einem
großen hölzernen Waschzuber auf dem Mühlbach. Sehr gern - weil verboten
– ruderten wir vom Unterwasser her in den Anbau mit dem riesigen
Wasserrad. Von da aus streunten wir durch die Mühle. So lernte ich sie
in ihren einzelnen Teilen kennen: Das Getriebe (Vorgelege), die
Transmissionen, die Mühlsteine, Walzenstühle und den riesigen
Plansichter, das Mehlsieb.
Nach dem Krieg konnte ich meinen schwerkranken Vater noch in den letzten
Wochen seines Lebens begleiten. Er stimmte meinem Wunsch,
Nachrichtentechnik zu studieren, zu - auch wenn die Finanzierung offen
war. Doch hatte er den Wunsch, ich solle, weil einer Müllerfamilie
entstammend, auch ein oder zwei Semester Mühlentechnik oder Wasserbau
studieren.
2. Frage: Konnten Sie diesem Familienbezug nachgehen?
Natürlich nicht unmittelbar nach dem Krieg. Um die Wartezeit auf
einen Studienplatz sinnvoll zu nutzen, gelang es mir, nach dem Abitur
eine (verkürzte) Lehrzeit im Radio-Handwerk zu bekommen. Daran schloß
sich das Studium Nachrichten-Technik an. Es folgten erste Stellen in der
Forschung und als Entwicklungs-Ingenieur in der Industrie. Ab 1960
vertrat ich das Fach Elektronische Messtechnik an der Fachhochschule
Ulm. Da ich in die Hochschullehre geraten war, interessierte mich die
Ingenieur-Pädagogik, vor allem aber die Labordidaktik. Ich war ein
begeisterter Labor-Mensch. Von Mühlen also noch keine Spur.
3. Frage: Wurde die Mühlen-Bindung für Sie später wieder aktuell?
Mühle im Blauviertel
Durch einen gewissen Zufall, ja. Was sollte ich nach der Pensionierung
tun? Messelektronik ist so speziell und kurzlebig, da ist man nach
wenigen Jahren schon "weg vom Fenster". Ich suchte Themen.
Jemand vom Stadtarchiv Ulm fragte, ob mich alte Mühlen-Akten
intersssierten. Ich bejahte. Alte Mühlen anschauen, warum nicht!
Technikgeschichte hatte mich ohnehin immer interessiert. Mühlen gehören
dazu.
Also fing ich mit der Bearbeitung an:
Triebwerksakten und Wasserechts-Nutzungsakten - und natürlich auch mit
der Technikgeschichte der Mühlwerke allgemein.
Als VDE-Mitglied (Verband Deutscher Elektrotechniker, eng liiert mit VDI
Verein Deutscher Ingenieure) schloss ich mich dem Arbeitskreis
Technikgeschichte im VDI (Stuttgart) an.
Von einem Historiker dieses Arbeitskreises gab es einen Vortrag über
das Projekt "Mühlen-Atlas Baden-Württemberg", das die 9000 Mühlwerke in
unserem Land vor dem Vergessenwerden bewahren soll. Als ich ihm
erzählte, was ich in Ulm mache, war er sehr angetan.
Es entstand der Band 1 des Projekts, "Die Mühlen der Stadt Ulm".
Es folgten viele Vorträge zum Thema, und so bin ich heute für manche
Leute im Ulmer Raum "der alte Mühlen-Haug".
„Der alte
Mühlen-Haug“
Siehe
Anhang Literatur 1
4. Frage: Haben sich die Mühlenthemen ausgeweitet?
Idyllischer Mühlenweiher Nordholz
Sicher, man beschäftigt sich mehr und mehr mit dem Phänomen Mühle, der
"elementarischen Maschinerie", wie das der praxisferne Karl Marx
formuliert hat.
Dabei kommt man rasch auf soziale Bezüge der Mühlen:
- auf das Thema "Mühle und die Frauen".
- Auch zur Religion hat die Mühle enge Bezüge. Und wo Glaube ist, da ist
auch der Aberglaube nicht fern.
- Man kann nur staunen über: die Welt der Mühlengeschichten und
Mühlenmärchen.
So war es klar, dass mit dem Ulmer "Museum für Brotkultur" enge
Kontakte entstanden.
Unbedingt muss auch erwähnt werden, dass es ja nicht nur in Ulm Mühlen
gibt, sondern auch rund um Ulm und Neu-Ulm herum.
Insgesamt ist unsere Gegend - Bayerisch Schwaben, Oberschwaben und das
Allgäu eine Mühlen-Landschaft, so wie sie ja auch eine
Barock-Landschaft ist.
Siehe Anhang Literatur 2
5. Frage: Ergeben sich noch weitere Aspekte zum Thema Mühlen?
Kulturdenkmal“Fischbauch“-Brücken
So interessant die Mühlen schon an sich sind, sie wurden auch als
Energie-Anlagen, also eine Art Kraftwerke bis in die vorindustrielle
Zeit genutzt. Somit kommt man über das Thema Mühlen in die
Energie-Geschichte. In der Zeit um 1900 wurden viele Mühlen zu kleinen
Elektrizitätswerken.
So lag die Frage der Stadtwerke nahe, ob ich nicht die Geschichte "100
Jahre Strom in Ulm" schreiben könne.
Dieser Schrift folgte die Geschichte der Ulmer Trinkwasserversorgung.
Gegenwärtig ist die 150-jährige Geschichte der Ulmer Gasversorgung
in Arbeit.
Daraus ist der enge Zusammenhang von Mühlentechnik und
Energiegeschichte der Doppelstadt Ulm/Neu-Ulm samt Umgebung
ersichtlich.
Bei diesen Recherchen stößt man unvermeidlich auf die Technischen
Kulturdenkmale in unserem Raum, die sehr interessant sind.
Es macht Spaß dazu beitragen zu können, dass unter "Kultur" nicht nur
die Kirchen, Klöster, Kastelle und Kunst anzusiedeln sind.
Technik ist die Basis von Kultur und gehört unabdingbar zu ihr.
Dies ist leider nicht allen Leuten geläufig.
Siehe Anhang Literatur 3
Abschluss
Herr Haug, ich danke Ihnen für Ihre umfassenden Aussagen, die uns
die ganze Bandbreite des Themas Mühlen aufzeigen. Besonderen Dank für
die Definition Mühlenlandschaft im Hinblick auf unsere
Region.
Literatur
Literatur 1
Albert Haug, Mühlen-Atlas Baden-Württember Band 1,
Die Mühlen der Stadt Ulm, Remshalden-Buoch 1994
Literatur 2
Lutz Dietrich Herbst, Gerd Graf, Mühlen in Oberschwaben, Tourismus-
Gesellschaft Oberschwaben, Schussenried 2005/2006.
Albert Haug, Mühlen an Roth und Biber, Geschichte im Landkreis Neu Ulm
Band 12 (2006), Landratsamt Neu-Ulm, S. 73-111.
Literatur 3
Albert Haug, 100 Jahre Strom in Ulm, Ulm 1995
Albert Haug, Uwe Schmidt, Teichel: Brunnen, Pumpen,
Ulmer Trinkwasser im Spiegel von sechs Jahrhunderten, Ulm 1998.
Albert Haug, Energiegeschichte von Ulm, Ulm und Oberschwaben
Band 32 (2001), S. 257-338.
Albert Haug, Uwe Schmidt: Technik- und Industriedenkmale
in der IHK-Region Ulm, IHK Ulm 2005.
Albert Haug, Peter Wischenbarth, Industriedenkmale - Objekte zum
Staunen. Landratsamt Neu-Ulm 2006.
Links
Technische Kulturdenkmale Ulm
www.ulm.ihk24.de/servicemarken/presse/Pressemitteilungen-2005/PM_Juli_bis_September/Spannende_Kulturdenkmale_
der_regionalen_Technik-_und_Industriegeschichte.jsp
Technische Kulturdenkmale
http://titan.bsz-bw.de/bibscout/LA-LC/LB32000-LB35730/LB35000-LB35695/LB35005/LB35010/LB35015/LB.35090
Ulmer Mühlen
http://schapfenmuehle.de/Content/
Die_Schapfenmuehle/Tradition_innovation/Tradition_innovation.php
Wassermuseen
www.swu-energie.de/download/energie/pdf/SWU_Trinkwasser.pdf
www2.augsburg.de/fileadmin/www/dat/06st/splan
_o/Service/Pub/ODenkmal/OffenesDenkmal_2004.pdf
Mühlenmärchen
www.kreismuseum-ploen.de/html/muhlenmarchen.html
Bücher Alte Mühlen
www.bayerische-bibliographie.de/cgi-bin/avanti/byb/detailsuche.pl?wert=&recnums=264249&searchmode=entries&db=bybopac&max_dspl
=50000&printapr=DEFAULT
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