Ausgabe Nr. 38                         Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung älterer Erwachsener
Thema > Hintergründe >Interview zur Mühlentechnik
 
>Sitemap >Impressum
 

Interview zu Mühlentechnik
 
                                                                    von Hildegard Keller

Vorgaben zum Interview


Haug Albert

Herr Dr. Haug zählt schon seit Jahren zu meinem Bekanntenkreis.
 Seine Vorträge, Gesprächsabende und Exkursionen zeichnen sich durch großes Fachwissen und themenübergreifende Kompetenz aus.
Daher sehe ich unserem nächsten Begegnungsabend mit ihm mit großer  Freude und  Erwartung entgegen. Anläßlich seines 80. Geburtstages wird er uns mit dem Thema „Ein Leben zwischen Technik und Religion“ einen Einblick in Stationen seines reichen Lebens geben.
Herr Dr. Haug ist noch immer ein begehrter Referent in den Bereichen
Technische–, Industrie – und Kulturdenkmäler, Brunnenwerke, Mühlen.

Die Lebensdaten von Herrn Dr. Haug im Überblick:
Albert Haug, Jahrgang 1927.
Abitur, Lehre im Rundfunkhandwerk, Studium E-Technik, Forschung und Industrie
.Prof. an der Fachhochschule (FH) Ulm, Fachgebiet Elektronische Messtechnik
Nach Pensionierung ehrenamtliche Mitarbeit an der FH Ulm, Institut für Technikgeschichte


1. Frage: Wie wurde Ihr Interesse für Mühlengeschichte geweckt?

 
Mühle in Marbach 1911

In den Schulferien war ich immer auf einem einzeln gelegenen Bauernhof in Oberschwaben, Heimat meines Großvaters. Dorthin hatte um 1850 ein Sohn der Mühle aus dem  benachbarten Dorf geheiratet. Die Familie Haug sitzt seit 1758 auf der Mühle; der Vetter müllert zwar nicht mehr, erzeugt aber noch Strom.
 Mehr Bezug gab es zu einer dem Hof  benachbarten Mühle. Mit dem dortigen Sohn, der nur wenig jünger war als ich, fuhr ich oft in einem großen hölzernen Waschzuber auf dem Mühlbach. Sehr gern - weil verboten – ruderten wir vom Unterwasser her in den Anbau mit dem riesigen Wasserrad. Von da aus streunten wir durch die Mühle. So lernte ich sie in ihren einzelnen Teilen kennen: Das Getriebe (Vorgelege), die Transmissionen, die Mühlsteine, Walzenstühle und den riesigen Plansichter, das Mehlsieb.
Nach dem Krieg konnte ich meinen schwerkranken Vater noch in den letzten Wochen seines Lebens begleiten. Er stimmte meinem Wunsch, Nachrichtentechnik zu studieren,  zu - auch wenn die Finanzierung offen war. Doch hatte er den Wunsch, ich solle, weil einer Müllerfamilie entstammend, auch ein oder zwei Semester Mühlentechnik oder Wasserbau studieren.


2. Frage: Konnten Sie diesem Familienbezug nachgehen?
Natürlich nicht unmittelbar nach dem Krieg. Um die Wartezeit auf einen Studienplatz sinnvoll zu nutzen, gelang es mir, nach dem Abitur eine (verkürzte) Lehrzeit im Radio-Handwerk zu bekommen. Daran schloß sich das Studium Nachrichten-Technik an. Es folgten erste Stellen in der Forschung und als Entwicklungs-Ingenieur in der Industrie. Ab 1960 vertrat ich das Fach Elektronische Messtechnik an der Fachhochschule Ulm. Da ich in die Hochschullehre geraten war, interessierte mich die Ingenieur-Pädagogik, vor allem aber die Labordidaktik. Ich war ein begeisterter Labor-Mensch. Von Mühlen also noch keine Spur.


3. Frage: Wurde die Mühlen-Bindung für Sie später wieder aktuell?

Mühle im Blauviertel

Durch einen gewissen Zufall, ja. Was sollte ich nach  der Pensionierung tun? Messelektronik ist so speziell und kurzlebig, da ist man nach wenigen Jahren schon "weg vom Fenster". Ich suchte Themen.
Jemand vom Stadtarchiv Ulm fragte, ob mich alte Mühlen-Akten intersssierten. Ich bejahte. Alte Mühlen anschauen, warum nicht! Technikgeschichte hatte mich ohnehin immer interessiert. Mühlen gehören dazu.
Also fing ich  mit der Bearbeitung an:
Triebwerksakten und Wasserechts-Nutzungsakten - und natürlich auch mit der Technikgeschichte der Mühlwerke allgemein.
Als VDE-Mitglied (Verband Deutscher Elektrotechniker, eng liiert mit VDI Verein Deutscher Ingenieure) schloss ich mich dem Arbeitskreis Technikgeschichte im VDI (Stuttgart) an.
Von einem  Historiker  dieses Arbeitskreises gab es einen Vortrag über das Projekt "Mühlen-Atlas Baden-Württemberg", das die 9000 Mühlwerke in unserem Land vor dem Vergessenwerden bewahren soll. Als ich ihm erzählte, was ich in Ulm mache, war er sehr angetan.
Es entstand der Band 1 des Projekts, "Die Mühlen der Stadt Ulm". Es folgten viele Vorträge zum Thema, und so bin ich heute für manche Leute im Ulmer Raum  "der alte Mühlen-Haug".

„Der alte Mühlen-Haug“
Siehe Anhang Literatur 1

4. Frage: Haben sich die Mühlenthemen ausgeweitet?

Idyllischer Mühlenweiher Nordholz

Sicher, man beschäftigt sich  mehr und mehr mit dem Phänomen Mühle, der "elementarischen Maschinerie", wie das der praxisferne Karl Marx formuliert hat.
 Dabei kommt man rasch auf soziale Bezüge der Mühlen:
- auf das Thema "Mühle und die Frauen".
- Auch zur Religion hat die Mühle enge Bezüge. Und wo Glaube ist, da ist auch der       Aberglaube nicht fern.
- Man kann nur staunen über: die Welt der Mühlengeschichten und Mühlenmärchen.
So war es klar, dass mit dem Ulmer "Museum für Brotkultur" enge Kontakte entstanden.
Unbedingt muss auch erwähnt werden, dass es ja nicht nur in Ulm Mühlen gibt, sondern auch rund um Ulm und Neu-Ulm herum.
Insgesamt ist unsere Gegend - Bayerisch Schwaben, Oberschwaben und das Allgäu eine Mühlen-Landschaft, so wie sie ja auch eine Barock-Landschaft ist.
Siehe Anhang Literatur 2


5. Frage: Ergeben sich noch weitere Aspekte zum Thema Mühlen?

 
Kulturdenkmal“Fischbauch“-Brücken

So interessant die Mühlen schon an sich sind, sie wurden  auch als Energie-Anlagen, also eine Art Kraftwerke bis in die vorindustrielle Zeit genutzt. Somit  kommt man über das Thema Mühlen  in die Energie-Geschichte. In der Zeit um 1900 wurden viele Mühlen zu kleinen Elektrizitätswerken.
So lag die Frage der Stadtwerke nahe, ob ich nicht die Geschichte "100 Jahre Strom in Ulm" schreiben könne.
Dieser Schrift folgte die Geschichte der Ulmer Trinkwasserversorgung. Gegenwärtig ist die 150-jährige Geschichte der Ulmer Gasversorgung in Arbeit.
Daraus ist der enge Zusammenhang von Mühlentechnik  und  Energiegeschichte der Doppelstadt Ulm/Neu-Ulm samt Umgebung ersichtlich.
Bei diesen Recherchen  stößt man unvermeidlich auf die Technischen Kulturdenkmale in unserem Raum, die sehr interessant sind.
Es macht Spaß dazu beitragen zu können, dass unter "Kultur" nicht nur die Kirchen, Klöster, Kastelle und Kunst anzusiedeln sind.
Technik ist die Basis von Kultur und gehört unabdingbar zu ihr. Dies ist leider nicht allen Leuten geläufig.
Siehe Anhang Literatur 3


Abschluss
Herr Haug, ich danke Ihnen für Ihre umfassenden Aussagen, die uns die ganze Bandbreite des Themas Mühlen aufzeigen. Besonderen Dank  für die Definition Mühlenlandschaft im Hinblick auf unsere Region.


Literatur
Literatur 1
Albert Haug, Mühlen-Atlas Baden-Württember Band 1,
Die Mühlen der Stadt Ulm, Remshalden-Buoch 1994

Literatur 2
Lutz Dietrich Herbst, Gerd Graf, Mühlen in Oberschwaben, Tourismus-
Gesellschaft Oberschwaben, Schussenried 2005/2006.
Albert Haug, Mühlen an Roth und Biber, Geschichte im Landkreis Neu Ulm Band 12 (2006), Landratsamt Neu-Ulm, S. 73-111.

Literatur 3
Albert Haug, 100 Jahre Strom in Ulm, Ulm 1995
Albert Haug, Uwe Schmidt, Teichel: Brunnen, Pumpen,
 Ulmer Trinkwasser im Spiegel von sechs Jahrhunderten, Ulm 1998.
Albert Haug, Energiegeschichte von Ulm, Ulm und Oberschwaben
Band 32 (2001), S. 257-338.
Albert Haug, Uwe Schmidt: Technik- und Industriedenkmale
in der IHK-Region Ulm, IHK Ulm 2005.
Albert Haug, Peter Wischenbarth, Industriedenkmale - Objekte zum Staunen. Landratsamt Neu-Ulm 2006.


Links
Technische Kulturdenkmale Ulm
www.ulm.ihk24.de/servicemarken/presse/Pressemitteilungen-2005/PM_Juli_bis_September/Spannende_Kulturdenkmale_
der_regionalen_Technik-_und_Industriegeschichte.jsp

Technische Kulturdenkmale
http://titan.bsz-bw.de/bibscout/LA-LC/LB32000-LB35730/LB35000-LB35695/LB35005/LB35010/LB35015/LB.35090

Ulmer Mühlen
http://schapfenmuehle.de/Content/
Die_Schapfenmuehle/Tradition_innovation/Tradition_innovation.php


Wassermuseen
www.swu-energie.de/download/energie/pdf/SWU_Trinkwasser.pdf

www2.augsburg.de/fileadmin/www/dat/06st/splan
_o/Service/Pub/ODenkmal/OffenesDenkmal_2004.pdf


Mühlenmärchen
www.kreismuseum-ploen.de/html/muhlenmarchen.html

Bücher Alte Mühlen
www.bayerische-bibliographie.de/cgi-bin/avanti/byb/detailsuche.pl?wert=&recnums=264249&searchmode=entries&db=bybopac&max_dspl
=50000&printapr=DEFAULT


Drucken