Erfahrungsberichte
Deutsch-französische Begegnungen – Sessions franco-allemandes
Possible Europe – das gibt es schon länger auf einer Ebene, von der ich berichten möchte:
Vor 53 Jahren fanden sich französische und deutsche Lehrer-Studenten, die gerade in Paris an der Sorbonne studierten, in der dortigen katholischen Studentengemeinde zusammen, freundeten sich an und beschlossen, sich regelmäßig zu treffen. Der Beschluss von damals hat sich bis heute gehalten: Die Treffen („Sessionen“) finden seitdem jedes Jahr statt, abwechselnd in Deutschland und in Frankreich. Inzwischen hat sich natürlich die Gruppe verändert: es kamen Partner(innen) und Kinder dazu und heutzutage auch Enkel, man brachte seine Freunde oder Freundinnen mit. Die Gruppe war und ist unabhängig von Institutionen, Vereinen, Parteien, inzwischen auch von Konfessionen. Naturgemäß sind nicht mehr viele Gründungsmitglieder dabei! Aber wir sind immer noch je ca. 30 Personen auf beiden Seiten. Ich bin seit 1994 dabei.
Sinn der Treffen ist das Zusammensein an sich, die Verständigung zwischen den beiden Völkern, Referate und Gespräche über gerade interessante Themen, die Anteilnahme an den Ereignissen im Leben der Einzelnen, das Kennenlernen einer neuen Region. Denn die Gruppe hat es fertig gebracht, nur zweimal in den 53 Jahren an derselben Stelle zu tagen, sonst gab es immer ein anderes Ziel für die Treffen zwischen Bodensee und Ostsee, Rhein und Oder, Elsass und Baskenland, Normandie und Savoyen.
Die Themen drehen sich um das soziale, persönliche, wirtschaftliche Leben in unseren beiden Ländern und werden von den Mitgliedern selbst ausgearbeitet. Einige Beispiele aus den vergangenen Jahren: Globalisierung; Instrumente der Macht; Sprache und sprechen; die Jugend und ihre Zukunft; Medien – Macht – Moral; Kirche und Staat – Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich. Natürlich stand auch Europa auf dem Programm: “Europa, Chance oder Sackgasse?“ Bei einer Tagung in der Nähe von Metz konnten wir das Grab von Robert Schuman besuchen.
In diesem Jahr haben wir uns in Essen – Essen, Kulturhauptstadt Europas 2010 - getroffen. Unser Thema, angelehnt an den Wandel des Lebens gerade im Ruhrgebiet: „Wer sich nicht verändert, geht unter“.
Inzwischen sind nicht mehr alle zweisprachig wie am Anfang, aber noch so viele, dass alles übersetzt werden kann. So ist die Sprache kein Problem. Man freut sich, wieder die Sprache der anderen aufzufrischen oder sogar noch etwas Neues zu lernen.
Die Gruppe ist auch für Menschen anderer Nationalitäten offen!
Entsprechend unserem Alter wissen auf beiden Seiten noch etliche etwas vom Krieg und der Feindschaft unserer Länder. Bei unserem Treffen in den Ardennen vor 3 Jahren wurden wir schmerzlich-anschaulich daran erinnert. Wie wohltuend ist es, nun exemplarisch in dieser Gruppe eine deutsch-französische Freundschaft zu leben.
Mehr „possible“ als zu Anfang ist natürlich inzwischen die Kommunikation: die meisten der älteren Leute haben sich noch ans Internet gewagt. So findet während des Jahres viel mehr Kontakt statt als früher, die Informationen zu den Treffen werden schnell übermittelt, und der Euro hilft, dass das Zahlen der Kosten für unsere Treffen auch über die Grenze hinweg ganz einfach vor sich geht.
Die beiden Fotos sind am 3. 8. 2009 bei einem Besuch im Ruhrverband Essen entstanden. Das älteste Mitglied rechts außen ist 84 Jahre alt und hat die weite Reise aus Frankreich noch auf sich genommen, das jüngste ist 8 Jahre alt und mit Eltern und Großmutter dabei.
Für nächstes Jahr haben die Franzosen schon wieder ein neues Ziel vorgeschlagen: Orsay in der Nähe von Paris und die Deutschen ein Kloster und Bildungshaus im Harz für 2011.
Europa ist für uns nicht nur „possible“, sondern wirklich, und das hoffentlich noch lange.
Nähere Informationen unter: www.antooine.de/paix (die Homepage eines Mitglieds).
Wenn sie mit dem Autor/Autorin des Textes in Kontakt kommen möchten, wenden Sie sich bitte an leserbrief@europa-erleben.net
