Erfahrungsberichte

Aufeinander zugehen - Aufeinander eingehen

In Ulm-Wiblingen gibt es einen  interkulturellen Treffpunkt von Senorinnen und Senioren, aber auch Menschen anderer Altersgruppen, die sich zu unterschiedlichen Themen bei Kaffe und Kuchen treffen und sich gegenseitig austauschen. Ich möchte vom  Treffen am 10.10.09 berichten, dem Tag des Dialogs“ in Ulm, bei dem  sogenannten „runden Tisch“  ging es um:
„Wie erlebe ich das Miteinander in meinem Stadtteil, meinem Haus?“
Wir waren zehn Frauen und ein Mann, später kam noch ein zweiter dazu. Es gab einen Grundtenor: „Ich fühle mich sehr wohl in meinem Haus und ich habe sehr gute Nachbarn.“ Die Nachbarn haben zwar alle einen deutschen Pass, aber sie kommen aus ganz unterschiedlich Ländern und Regionen. An unserem „runden Tisch“, er war in unserem Fall rechteckig, kam eine Frau aus Russland, eine andere aus Ungarn, eine war Portugiesin, die anderen kamen aus Mitteldeutschland, Norddeutschland und Berlin.
Mich interessierte der zuletzt gekommene Mann. Er stammt aus Eritrea, lebt aber schon seit vielen Jahren in Ulm und hat hier auch eine Arbeit. Als jemand vorschlug, neue Mitbewohner in einem größeren Haus sollten sich bei Familien vorstellen oder sie zu einem Umtrunk einladen, waren die Reaktionen eher negativ. Das genau lehnte der Ostafrikaner auch ab.
Er hatte damit negative Erfahrungen gemacht. Wenn er geklingelt hatte, wurden die Türen entweder gar nicht aufgemacht oder möglichst schnell wieder geschlossen. Er fand für sich und seine Familie einen anderen Weg. Auf  Klagen, der Kinderwagen seiner Familie sei ein Hindernis im Flur, stellte er diesen beim nächsten Mal näher an die Wand und  rückte den querstehenden einer anderen Familie in eine bessere Position. Papiere um die Container hob er auf und kehrte, wenn nötig den Hof.
Das hat Eindruck gemacht. Als die Sommerferien nahten und viele Bewohner verreisen wollten, fragten sie ihn, ob er in der gewissen Zeit auch verreise oder zu Hause bleibe. In diesem Fall möchten sie ihm die Wohnungsschlüssel übergeben, ihn bitten nach der Post zu sehen und die Blumen zu gießen. Schließlich kamen nacheinander alle Wohnungsschlüssel des Hauses zu ihm.
Der Freund hatte das Vertrauen der Hausgenossen gewonnen, weil er praktische Nachbarschaftshilfe vorgemacht hatte.
Ich sagte ihm, dass ich ihn bewundere und ihm gratuliere für sein nachbarschaftliches Engagement. Die Angst, dass er vielleicht ausgenutzt würde, hat er nicht. Er hat soviel Würde.


Wenn sie mit dem Autor/Autorin des Textes in Kontakt kommen möchten, wenden Sie sich bitte an leserbrief@europa-erleben.net



Erdmute Dietmann-Beckert
eingereicht von
Erdmute Dietmann-Beckert
Kategorie
Begegnungen helfen verstehen
Datum
02.11.2009


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