Erfahrungsberichte

Völkerverständigung durch europäische Projektarbeit – Vision oder Wirklichkeit?

Wir schreiben das Jahr 2024. Ich bekomme zu meinem 80.sten Geburtstag die üblichen Glückwünsche von Familienangehörigen, Freunden, Bekannten....... übliche? Ist es „üblich“, Geburtstagswünsche von Fernanda aus Rom, von Antonio aus Madrid, von Euzebiusz aus Lodz, von Nuria aus Alicante, von Vlasta aus Prag, von Lajos aus Budapest, von Tanya aus Sofia..... zu erhalten? Es ist der Ausdruck von Freundschaft, die sich im Laufe der mehr als zwanzig Jahre Mitarbeit in verschiedenen Projekten des Arbeitskreis (AK) Europa am ZAWIW der Universität Ulm entwickelt hat.

Ich glaube, dass das keine reine Fiktion oder Zukunftsvision ist. Es ist ein Teil dessen, was sich schon heute aus vielen Projekten mit europäischen Senioren entwickelt hat. Seit Beginn meiner Aktivität im ZAWIW vor immerhin auch schon sieben Jahren im Jahr 2002 habe ich mich immer wieder gefragt: Warum mache ich das?, Was habe ich persönlich davon? Meine Antwort darauf ist: Neugier und Interesse. Immer wieder einmal aus dem gewöhnlichen Umfeld austreten und sich für andere, insbesondere Menschen aus anderen Ländern, interessieren. Und wie sie mit den besonderen Herausforderungen, die sich ihnen stellen, fertig werden. Herausforderungen aber auch für uns im AK Europakontakte.

Wie gehen wir beispielsweise die neu hinzu gekommenen Sprachprobleme an?

Den meisten von uns gelingt es ganz gut, sich auf Französisch, Italienisch, Spanisch oder Englisch zu verständigen. Aber wie ist es mit Russisch, Rumänisch, Bulgarisch, Kroatisch? In einer schönen europäischen Lernpartnerschaft - nämlich ODE - haben wir uns mit nonverbaler Kommunikation befasst. Es hat gute Ergebnisse und spannende Lösungen gebracht, aber die schönste und für uns beschämende Erfahrung war, dass einige polnische Senio/-innen innerhalb eines Jahres so gut Deutsch lernten, dass sie problemlos mit uns reden konnten. Das ist überhaupt eine meiner Beobachtungen: nämlich, dass viele der Projektteilnehmer/-innen aus Osteuropa sich sehr in der europäischen Projektarbeit engagieren. Vielleicht sich stärker einbringen, als wir. Und wenn es so wäre: Warum ist das so? Liegt das an uns? An einem Riesen-Bildungsangebot, aus dem wir uns bedienen können?

Interesse an der Diskussion auch solcher Fragen, das ist es, was die Zusammenarbeit von Senior/-innen unterschiedlicher Länder für mich bedeutet. Es heißt andererseits auch, meine, unsere Erfahrungen aus langjähriger Projektarbeit weiterzugeben, auch weiter zu entwickeln. Damit meine ich, gerade den Senior/-innen aus den neu in die EU hinzu gekommenen Ländern durch den Gedankenaustausch zur Erkenntnis zu verhelfen, dass sie in ihren Ländern in eine neue gesellschaftliche Rolle und in neue Funktionen ehrenamtlicher Tätigkeit hineinwachsen können. Um damit ihrem Leben eine ganz neue Qualität zu geben. Gerade das Ehrenamt ist ein Thema gewesen, das wir zwei Jahre nach Ende des Projekts „TownStories“ als „privates“ Nachfolgeprojekt selbst organisiert und selbst gesteuert aufgegriffen und beschrieben haben. Wir, das waren einige Teilnehmer/-innen der Gruppen aus Rom und Ulm. Auch das war eine schöne Erfahrung und ein Gewinn für alle.

Mit der europäischen Lernpartnerschaft „Danube-Networkers“ haben wir neue Freundschaften geschlossen, bestehende erneuert und dabei neues Wissen in vielfältiger Weise erworben: unsere Fremdsprachenkenntnisse erweitert, historische, geographische und kulturelle Fakten der beteiligten Donauländer kennen gelernt und neue Methoden der Textdarstellung und -erarbeitung ausprobiert. Somit leisten wir im besten Sinne einen - unseren eigenen und speziellen - Beitrag zum Zusammenwachsen des Donauraumes und der Verständigung der in ihm lebenden Völker.


Wenn sie mit dem Autor/Autorin des Textes in Kontakt kommen möchten, wenden Sie sich bitte an leserbrief@europa-erleben.net



eingereicht von
Hanns Hanagarth
Kategorie
Begegnungen helfen verstehen
Datum
11.01.2010


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