9 Mai 2011
Ein Frühlingswochenende in der Hauptstadt
Samstag, 7. Mai 2011
Bei strahlendem Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen ging es ab ins Wochenende nach Helsinki, der Hauptstadt Finnlands. Nach fast vierstündiger Bahnfahrt, während die Besonderheiten der verschiedenen finnischen Landschaften an uns vorüberzogen – ausgedehnte Wälder, zwischen denen immer wieder Seeflächen aufblitzten, riesige Ebenen von Ackerflächen, die für die neue Saison akurat vorbereitet und fast künstlerisch mit den Eggen gezeichnet waren und in deren Mitte oft wie ein Farbtupfer auf einer erdigen Palette propere rot-, gelb- oder weißgestrichene stattliche Bauernhöfe lagen, rotbraune, graue Granitbuckel, die sich wie gepanzerte Urtiere durch die Erdschicht durchzubrechen schienen, hieß uns, Maija, Marjatta und unsere Marathonläuferin Merja, Helsinki sonnig, freundlich, geschäftig, quirlig, lebendig willkommen. Die Stadt präsentierte sich uns mit ihren neoklassizistischen, dem Historismus und Jugendstil verpflichteten Palästen und Stadthäusern, mit ihren breiten Avenuen und großzügig angelegten Plätzen als Weltstadt, durchaus Berlin, Prag oder anderen europäischen Großstädten Konkurrenz bietend, in der deutlich wird, dass hier fremde Imperatoren ihre Machtansprüche in Stein verewigt sehen wollten. Obwohl nie besetzt, war Finnland Jahrhunderte lang von fremden Mächten regiert, was sich hier bis ins Detail nachvollziehen lässt. Da steht auf einem Hügel im Zentrum, nahe des Hafens, die imposante orthodoxe Uspenski – Kathedrale, die größte im ganzen westlichen Europa, deren Bau hauptsächlich aus der Schatulle des Zaren finanziert wurde, und die Straßen tragen auch schwedische Namen. Unsere gut informierten Stadtführerinnen, Maija und Marjatta, erschlossen uns auf unserem Stadtrundgang, beginnend auf der Prachtmeile, der “Esplanada”, die markantesten und wichtigsten Gebäude, Straßen und Plätze der Stadt. Wir bummelten durch das rot-weiße Backsteingebäude der alten nationalromantischen Markthalle mit ihren schönen verschnörkelten, holzverkleideten Marktständen, ihren üppigen Auslagen mit verlockenden feinsten Delikatessen, vorbei an den Verkaufszelten des Marktplatzes, auf dem sich wie üblich die Einheimischen, Fischer, Geschäftsleute und Touristen drängten, hin zu den Anlegestellen der Fischerboote . Von hier ragen zwei Halbinseln wie ausgebreitete Arme ins Meer, in deren Passagierhäfen die riesigen Ostseefähren anlegen, gleichsam das Tor zur Welt.
Nach viel Kunst-, Bau- und Kulturgeschichte aus verschiedenen Jahrhunderten fanden wir uns schließlich in der Nähe des Olympiastadions wieder, wo wir unter anderem die Enkel des Nationalhelden Paavo Nurmi und die internationalen Teilnehmer des Stadtmarathons, dessen sportlicher Herausforderung sich auch Merja gestellt hatte ,- einige der über 13000 – vorüberziehen sahen.
Nach einem feinen Dinner im “Aino” beschlossen wir den Tag mit einem phantastischen Rundblick über die Stadt von der gläsernenKuppel des “Torrni”, einem beliebten Aussichtsturm im Zentrum.
Sonntag, 8. Mai 2011
Da wir die Lektion von Maija und Marjatta gut verfolgt hatten, bot uns der Audio-Guide auf der heutigen Stadtrundfahrt mit dem Sigthtseeing-Bus meist nur vertiefende Details zu dem, was wir gestern schon von unseren belesenen Stadtführerinnen erfahren hatten. Darüber hinaus war uns z.B. neu, dass die Finnen Weltmeister im Kaffeetrinken sind, dass sie ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem entwickelt haben, dass sie ein vorzügliches Bier brauen und Besitzer von mehr aus 200 000 Seen sind.
Wie bedeutend für die Finnen Jean Sibelius ist, zeigte sich uns unter anderem auch daran, dass der Bus seinen einzigen Stop auf der eineinhalb Stunden dauernden Runde im Sibelius-Park einlegte. Hier befindet sich ein riesiges Monument zu seinen Ehren, das den Finnen einige Zeit wie ein Bündel von Orgelpfeifen vorkam, dem die Künstlerin, die mit ihrem Werk eigentlich Wald symbolisieren wollte, aufgrund der anhaltenden Kritik schließlich noch ein Konterfei des beliebten Komponisten als Relief meinte anbringen zu müssen. Sibelius gilt für die Finnen deshalb als Nationalheld, weil er durch den Umstand, dass sein Werk auch im Ausland hohe Anerkennung erfahren hat, mit zur Festigung des Nationalstolzes beitragen konnte und in schwierigen Zeiten der Bedrohung von außen Musik mit teilweise revolutionärem Charakter geschrieben hat – seine “Finnlandia” wird fast wie eine Nationalhymne verehrt.
Am Nachmittag durfte ein Bootsausflug zur Seefestung “Suomenlinna”, einem Bauwerk, das von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden war, bei diesem herrlichen Frühlingswetter nicht ausgeschlagen werden. Dieselbe Idee hatten allerdings auch nicht wenige andere, es war “Mothers-Day”, so dass das ehemalige Militärgelände, das heute Restaurants, Museen, Theater und Galerien beherbergt, eher einem Vergnügungspark glich, über dem sich riesige bunte Drachen-Ungetüme im lauen Meereswinde wiegten und in dessen sanften Matten sich die Ausflügler zu Picknick und Sonnenbaden niedergelassen hatten.
Merja war inzwischen auch wieder glücklich und zufrieden und noch von den Anstrengungen des Laufs gezeichnet zu unserem Trupp gestoßen, und so machten wir uns schließlich gemeinsam zur Rückfahrt nach Jyväskylä auf, das wir nach fast vierstündiger Bahnfahrt voller farbiger Bilder und bewegender Eindrücke wieder erreichten.