11 Mai 2011

Stadtteilarbeit in Keltinmäki

Geschrieben von bkoenig

Dienstag, 10. Mai 2011

Heute holte uns Marjatta ab, um uns mit Einrichtungen sozialer Arbeit in ihrem Vorort Keltinmäki bekannt zu machen. Zunächst begrüßte uns die Leiterin der Tagespflegeeinrichtung, in der zu diesem Zeitpunkt ca. sieben mehr oder weniger stark behinderte Menschen betreut wurden, unter anderem eine 96-Jährige, die gerade fit und putzmunter ihr Saunabad beendet hatte. Auch der “Computerexperte” Heikki befand sich hier, der offensichtlich voller Erwartung unserem Besuch entgegengefiebert hatte, da er ihm Gelegenheit bot, wieder einmal seine Deutschkenntnisse anzuwenden, die er sich vor 50 Jahren in der Schule angeeignet hatte. Und er war sichtlich stolz, uns in unserer Muttersprache fehlerfrei begrüßen zu können.
Wir konnten es kaum glauben, in einem winzigen Raumteil, der eher die Ausmaße einesBesenschranks hatte, befand sich der Arbeitsplatz der Computertutorinnen, Marjatte, Milla und Lisa, die sich heute ebenfalls für uns Zeit genommen hatte, ein winziges Tischchen mit einem mittelalterlichen Computer, an dem sie üblicherweise interessierte “Customer” in die Geheimnisse von Computer und Internet einführen.
Schräg gegenüber der Pflegestation befindet sich ein weiterer Arbeitsplatz der Tutorinnen, nämlich die Bücherei von Keltinmäki. Hier geht es etwas komfortabler zu. Es gibt immerhin vier Computerarbeitsplätze, die den Tutorinnen bei ihrem Arbeitseinsatz hier in der gut ausgestatteten, freundlich und hell möblierten Bibliothek zur Verfügung stehen. Auch diese Einrichtung konnte nur durch den beherzten und hartnäckigen Widerstand der hiesigen Bevölkerung erhalten werden.
Eine besondere Einrichtung stellt das Bürgerzentrum von Keltinmäki dar, für das uns Marjatta eine Einladung verschafft hatte und dessen Spiritus-Rektor , Frau Väliniemi uns herzlich willkommen hieß, um uns die Arbeit zu erläutern, die hier stattfindet.
Das Bürgerzentrum ist ein echter Bürgertreff für alle hier. Es finden Feste statt, es trifft sich ein Lesezirkel, Hobbykünstler hängen hier ihre Bilder auf, ein Flohmarkt hat hier sein Domizil, und wer möchte, kann an zwei wunderschönen neuen Webstühlen ein Tischtuch, einen Wandbehang o.a. weben.  Die gute Seele aber der Einrichtung ist Ludmilla, eine warmherzige, liebenswerte Estin, die für das leibliche Wohl der Gäste zuständig ist. Das Bürgerzentrum ist nämlich gemeinschaftlich bewirtschaftet, und Ludmilla verzaubert alle mit ihren Koch- und Backkünsten. Für fünf Euro ist man dabei und erhält ein komplettes Menue inklusive Kaffee und Kuchen. Und damit wird auch ein Grundsatz deutlich, den uns die energische und agile Frau Väliniemi nachdrücklich verdeutlicht: Hier sind die Menschen für einander da. Nicht nur, dass die Bedürftigen zu niedrigen Preisen eine Mahlzeit erhalten, was sich nicht nur auf Nahrungsaufnahme beschränkt, sondern sie stellt für alle ein Gemeinschaftserlebnis dar, was man auch an der Aufstellung und Verteilung der Tische im Raum ablesen kann. Der ganze Betrieb wird von einer Reihe freiwilliger Helferinnen und Helfern getragen. Und auch Ludmilla, die lange arbeitslos war, ist überglücklich, hier eine Beschäftigung bekommen zu haben, auch wenn ihr einziger Lohn die dankbaren Blicke und warmen Dankesworte ihrer “Kunden” ist. Und wenn wir den engagierten Erklärungen von Frau Väliniemi, die in verschiedenen Ämtern vielfach politisch aktiv ist, folgen, verwundert es uns nicht, dass dieses Stadtteilprojekt gegen den politischen Mainstream in der Verwaltung im Zentrum durchgesetzt wurde, was nicht zuletzt der guten Vernetzung mit anderen sozialen Organisationen und Einrichtungen im Stadtteil, wie Kirche und Presse, zu verdanken ist.
Nach der anstrengenden Kopfarbeit des Tages stand wieder einmal Körperertüchtigung auf unserem Stundenplan. Das Nordic Walking fand diesmal außerhalb in der herrlichen Landschaft von Varjola statt, das an dem waldgesäumten Fluss gelegen ist, der hier mächtige Stromschnellen bildet und an dem sich weitflächig verstreut idyllische Sommercottages im lichten Grün der Birkenhaine verstecken. Hier war uns ein besonderes Event versprochen, nämlich das Erlebnis einer echten finnischen Rauchsauna. Leider war durch ein Missverständnis eben diese kalt geblieben, und wir mussten uns mit der von den Finnen nicht besonders geschätzten elektrisch beheizten begnügen, was unsere zehn munteren Begleiterinnen und Begleiter nicht daran hinderte, uns den anderen Teil echt finnischer
Sauna abzuverlangen, nämlich nach jedem Saunagang in den Fluss abzutauchen, der zu diesem Zeitpunkt gerade mal 6 °C frisch war.
Eine Entschädigung für diese Mutprobe stellte das  - wieder echt finnische – Buffet dar, das für uns anschließend in dem kleinen, romantisch ausgeleuchteten Kartoffelkeller des ehemaligen Bauernhofes, dessen Besitzer diese Anlage betreibt, vorbereitet worden war. Es war köstlich!

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