10 Mai 2011

Stadtteilarbeit in Kortepohja

Geschrieben von bkoenig

Montag, 9. Mai 2011

Für heute waren wir bei Eila zu ihrer Stadtteilarbeit als Computer- Tutorin nach Kortepohja in die dortige Bücherei eingeladen. Zuvor holte sie noch in der Nähe eine distinguierte alte Dame ab, die für sie als Dolmetscherin fungieren sollte und die, wie es sich herausstellte, ein exzellentes Deutsch sprach, seit ihrem 16 Lebensjahr verschiedene Beziehungen nach Deutschland pflegte und dort auch wiederholt Freunde besucht hatte.
In der Bücherei wurden wir bereits von den anderen Tutoren, ihren “Studenten” und den Büchereiangestellten freundlich willkommen geheißen. Es stellte sich heraus, dass auch ein Vertreter der Presse anwesend war, der bei dieser Angelegenheit selbst einer freiwilligen Tätigkeit nachging, da er Mitherausgeber des Stadtteilmagazins ist, das sich durch Werbung finanziert, kostenlos verteilt wird und sich stark für die sozialen Belange hier engagiert. Eila informierte uns ausführlich über die vielfältigen Aspekte ihrer Tutorenarbeit, deren Schwerpunkte bei der Beratung für die Einrichtung von e-mail-Adressen, dem Mail-Versand, der Ausstattung der Mails mit Attatchments, die Begleichung von Rechnungen per Computer und alles, was mit e-Banking zu tun hat, liegen.
Die “Studenten” verfügen über unterschiedliche Fähigkeiten im Umgang mit Computern, so dass die Tutoren bei ihrer Beratung dadurch entlastet werden, dass sich die Teilnehmer vornehmlich gegenseitig helfen. Und so ist, wie sich herausstellt der Hauptgrund, warum man sich hier trifft, weniger das Erlernen von Fertigkeiten und Fähigkeiten im Umgang mit Computer und Internet, sondern vielmehr das gemeinsame Miteinander, die Gespräche, der Spaß, den man miteinander hat. Entsprechend gibt es am Ende der Sitzung Saft, Plätzchen und Schokolade. Und man merkt sehr deutlich, dass es sich hier um ein eingespieltes Team, eine eingeschworene Gemeinschaft handelt. Und schlimm wäre es für alle gewesen, wäre der Plan der Stadtväter von Jyväskylä verwirklicht worden, diesen sozialen Treffpunkt abzuschaffen, was Gott sei Dank durch eine Unterschriftenaktion und einen quasi Bürgerentscheid in diesem über 10 000 Einwohner zählenden Stadtteil durch aktives Bürgerengagement u.a. der Macher der Stadtteilzeitung verhindert werden konnte. Im Augenblick soll durch eine ähnliche Aktion der einzige Bankomat im Viertel gerettet werden. 
Am Nachmittag wieder auf den Spuren von Alvar Aalto, allerdings in einem überschaubaren Rahmen, nämlich bei der Führung über den Campus der Universität. Hier ist in schönster Weise und auf engstem Raum die gesamte “schulische” Entwicklung der Stadt Jyväskyläs zur “Bildungshauptstadt” anhand der Architektur nachvollziehbar. Es stehen immer noch die beiden ersten Schulgebäude aus dem 19 Jh., in denen Jungen und Mädchen getrennt zum ersten Mal in finnischer Sprache unterrichtet wurden. Es gibt noch das Gebäude des ersten Lehrerseminars Finnlands, dessen Inneres an mehreren Stilepochen partizipierte, z.Zt. hervorragend renoviert wird und bald viele Exponate beherbergt, die die Schulgeschichte dokumentieren und die immer wieder Hinweise auf Vorbilder  der deutschen Bildungsgeschichte geben. Und das zukünftige Schulmuseum soll auch die Bedeutung der drei Väter finnischer Bildungsgeschichte, Snellmann, Schild und Cignaeus dokumentieren. Andererseits hat Jyväskylä hier dem großen Sohn der Stadt und weltberühmten Architekten, Alvar Aalto, eine Spielwiese für sein gestalterisches Talent zur Verfügung gestellt. Und mit feinstem Gespür für den Zusammenhang zwischen den vielfältigen Aspekten von Bildung, Erziehung und Schulung einerseits und den von den entsprechenden Belangen benötigten Räumlichkeiten hat er hier ganz unterschiedliche Raumkonzepte entwickelt und Räume geschaffen, die bis ins kleinste Detail durchdacht wirken. Seien es die Oberlichter, die zu allen Tages- und Jahreszeiten ein mildes Streulicht verbreiten, seien es die verschachtelten Raumelemente, die ein Durchringen von Außen und Innen illusionieren, oder sei es – ganz praktisch – der Gang, der das Hauptgebäude der Universität mit den Übungsschulen verbindet, so dass die Lehrerstudenten trockenen Fußes ihr Praxisfeld erreichen können. Immer hat Aalto den Menschen im Blick, und was uns hier besonders beeindruckte, ist, dass er auch den Freizeitbereich für die Benutzer mit einbezogen und entsprechende Plätze geschaffen hat. Und immer wieder sieht man Form und Funktion zur Einheit verschmolzen, wie etwa auch in der Bibliothek, wo sich der Benutzer vor dem Wissen verneigt, indem er sich zu den Büchern hinunter begeben muss, weil sie tiefer gelegt ist und trotzdem in allen Teilen hell und licht wirkt.
Das alles und noch viel mehr hat uns Tapani Hynynen, ein kundiges und sprachbegabtes Mitglied des Universitäts-Museums in sehr engagierter Weise näher gebracht.

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