Ausgabe Nr. 35                         Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung älterer Erwachsener
Thema > Hintergründe >Die schwarze Katze
 
>Sitemap >Impressum
 

Die schwarze Katze
Magie im  Mittelalter

                                                                        von Christa Grawert-Wagner


Tief in uns
Das ist doch ein gutes Omen: Ich finde ein Hufeisen. Nur muss ich beim Aufhängen aufpassen, dass die Öffnung stets nach oben zeigt, sonst fällt das Glück heraus. Oh weh, aber was bedeutet das? Eine schwarze Katze läuft mir über den Weg. Droht Unheil? Vielleicht sollte ich jetzt schnell ein paar Stoß- und Bußgebete zum Himmel schicken.
Sicher kennt ein jeder – oft uneingestanden – solche Gedanken und Befürchtungen.
Gemeinhin heutzutage als Aberglauben abgetan, wurzeln diese Vorstellungen tief in uns. Was viele nicht ahnen: Dieses Erbe, die Wahrsagerei über die Zukunft war als ein Teil der angewandten, alltäglichen Magie im Mittelalter in allen Schichten, bei Gelehrten, Kirchenmänner und dem gemeinen Volk, weit verbreitet. Die Magie Deutungen und Handlungen zur Bewältigung der Umwelt.

Geheime Kräfte
Laut Duden versteht man unter Magie die  „Zauberkunst, Geheimkunst, die sich übersinnliche Kräfte dienstbar zu machen sucht“. (Das ist nicht zu verwechseln mit der Trickkunst des Zauberers in einem Varieté.)  Die Magie mit ihren verschiedenen Praktiken wurzelt In vielen Kulturen. „Persische, babylonische und ägyptische Überlieferungen bildeten die Grundlage der ‚wissenschaftlichen’ Systeme von geordneten Vorschriften, Regeln und Bräuchen“, informiert Christa Tuszay im österreichischen Focus. Magie war die Wissenschaft seit altersher. Besonders die jüdische Kultur habe eine okkulte Tradition gepflegt. Aus der Systematisierung ihrer Geheimlehre sei die Kabbalah, eine mit Buchstaben- und Zahlendeutung arbeitende Geheimlehre,  hervorgegangen.

Zusammenspiel

(Quelle: Wikipedia)

Systematische Anweisungen, wie sie die Zauberpapyri enthielten, hätten  es den Adepten ermöglicht, mit den höheren Mächten umzugehen und diese zu eigenen Zwecken zu ge- bzw. missbrauchen, so Tuszay. Die Magie beherrschte den Alltag, bot Handlungsanweisungen, Bewältigung und Schutz im Alltag. Aber auch zur Erklärung des Kosmos. Agrippa von Nettesheim (1486 in Köln – 1535 in Grenoble) versuchte eine Systematisierung der Magie. Er klassifizierte  elementarische, himmlische und geistige Kräfte der Magie. Die Magie umfasst alles Wissen der Weisen. Die verborgenen Kräfte durchströmten alles –so hänge alles mit allem zusammen. Professor Karl-Heinz Göttert, Universität zu Köln: „Es war möglich, mit der göttlichen Welt Kontakt aufzunehmen.“ Die Magie war Wissenschaft und Kunst.

Magie war Alltag
Im Spätmittelalter und früher Neuzeit wurde Magie zum Grundbestandteil des Alltags. Wie Michael Kasper aus der Vorlesung WS 2003/04 des  Innsbrucker Universitätsprofessor Alois Niederstätter auflistet, spielte Magie in zahlreichen Lebensbereichen eine Rolle. Da Krankheiten naturwissenschaftlich nicht erklärbar waren, wurden sie oft auf das Wirken von bösen Mächten (Dämonen, Hexen…) zurückgeführt. Auch magische Praktiken gab es, um Liebe zu erzwingen oder herbeizuführen. Es gab Magie mit Lebensmitteln, Worten und Gegenständen. Eine solchermaßen dämonische Magie beruhte auf einen Pakt mit dem Teufel. Das galt besonders für den Schadenszauber. Den berühmtesten Teufelspakt aus Wissensdurst, Armut und Erfolglosigkeit zeigt Goethes Faust (Tuczay).

Gottesstaat Kirche

(Quelle: Wikipedia)

„. .  Jesus erregte durch seine Exorzismen und Wunder den Verdacht der talmudischen Lehrer, die ihn als Magier brandmarkten. Auch die Apostel kamen in  Zaubereiverdacht . . .“, führt  Tuczay aus. Der Beziehung von christlicher Kirche und Magie gibt  Kirchenlehrer Augustinus (354 – 430)  einen Rahmen.  Professor Göttert, Köln: Der Kirchenlehrer Augustinus (353– 430) habe in seinen Schriften versucht, dem Gottesstaat (Kirche) gegenüber dem weltlichen Reich (Römisches Reich) eine eigene Position einzuräumen. Beide Reiche sollten nebeneinander bestehen. Augustinus habe mit seinen 22 Bänden versucht, das Christentum zu retten. „Augustinus („De Civitate Dei“) hat den Grundlage für den Dämonenbegriff des Mittelalters geschaffen.“

Kontakt  verboten
Augustinus sieht  die Welt der heidnischen Götter als gegeben an. Er setzt sie mit Dämonen gleich. Göttert: „Augustinus bekämpft den Kontakt mit ihnen.“  Denn Dämonen seien entscheidend gekennzeichnet durch Verzweiflung, da sie nicht erlöst werden könnten. Aus diesem Grunde seien sie neidisch auf die Menschen, die noch Hoffnung auf Erlösung hätten. Laut Augustinus würden sich die Dämonen durch Wahrsagung, Traumdeutung, Wunderwirkung u.ä. den Menschen anbiedern. Göttert: „Durch Mittlerdienste wollen die Dämonen die Menschen auf schlechte Pfade lenken, so dass sie nicht mehr erlöst werden.“ Augustinus erkenne neben den Dämonen auch die Engel, die böse und gut sein können, während die Dämonen, die im irdischen Reich herrschten,  böse sind. Dabei sei alles Eingehen auf abergläubige Praktiken eine Anbandelung mit Dämonen, sprich Teufel.

Rolle des Neides


(Quelle: Wikipedia)

Da alle Vorkommnisse durch bestimmte Mächte verursacht würden,  so der Innsbrucker Professor Niederstätter in einer Vorlesung, wurden also auch Glück und Unglück Ahnen, Geistern oder eben Hexen zugeschrieben. Das bot Gelegenheit, persönliche Feinde als Hexen zum Feind der ganzen Gesellschaft zu machen. Wirtschaftlicher Neid sei ausschlaggebend für die ersten Hexenprozesse gewesen. Folglich: „Die ersten Hexenprozesse wurden gegen Männer geführt, so dass wirtschaftliche Konkurrenten ausgeschaltet werden konnten“, berichtet Göttert von dem Gebiet um Unterwallis im frühen 15. Jahrhundert. Fortschrittliche Bauern hätten damals von der reinen Selbstversorung auf Im- und Export umgestellt. Ein Prozess, der für andere mit sozialen Rückschritten verbunden gewesen sei.

Hexen existieren

(Quelle: Wikipedia)

Der Hexenhammer (Malleus Maleficarum, Erstdruck 1487) von Jakob Sprenger und Heinrich Institoris lieferte rechtliche Grundlagen bei Schadenzauber, also  für die Hexenprozesse. Dabei verfolgte der Autor Inisistorius  insbesondere die Frauen. Besonders frauenfeindliche Ausführungen finden sich in dem Kapitel über Hexen, die sich den Dämonen sexuell unterwerfen. Für Institoris war die Schlechtigkeit der Frau die Voraussetzung für Hexerei. Auch müssten Hexen wie Ketzer bestraft werden. Zur Erinnerung: Damals glaubten alle, auch die Kirche und die Gelehrten, an die Existenz der Hexen, nicht jedoch an deren Taten. Das gilt selbst für  Friedrich von Spee, dessen „Cautio Criminalis“ gegen das Unwesen der Hexenprozesse1631 erstmals anonym erschienen ist.

Mehr als Aberglaube
Magie war mehr als Aberglaube. Mit ihr sollte die Welt, die Weltordnung erklärbar verständlich gemacht werden. Die Anwendung magischer Praktiken und der Glaube an deren Wirksamkeit sei, laut Profesor Niederstätter, in der gesamten Bevölkerung des späten Mittelalters verbreitet gewesen. Die Dämonisierung der Magie (Schadenzauber) sei verfolgt worden und diente der sozialen Kontrolle und Sanktionierung. Seit Ende des 18. Jahrhunderts sei die „Magie in den Untergrund geraten“, so Göttert. Die Magie habe Analogien geboten, nie Kausalitäten. Mit Renaissance und beginnender Aufklärung sei sie von der Naturwissenschaft zunehmend verdrängt worden, so auch Tuczay. Grundlagen für die heutige Welt hätten Mechanik und Chemie geschaffen.

Der Teufel lebt

(Dieses Bild basiert auf dem Bild Aachen_devil_and_woman.jpg aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist Ahoerstemeier.)

Und heute, die Welt  ohne Magie, ohne Teufel? Nein, denn Teufel gibt es noch in unserer aufgeklärten Welt. In der Katholischen Kirche gibt es noch immer Priester, die als Exorzisten tätig sind. „Der Teufel lebt“, titelte in 1989 Monsignore Corrado Balducci, Spezialist im Vatikan für alle Fragen, Satan betreffend, sein Werk. Laut Süddeutscher Zeitung zähle man 1 758 640 176 Teufel. Demgegenüber gebe es 99mal so viele Engel wie Menschen, die je auf der Erde gelebt haben oder leben werden.

Links
http://www.focus.at/artikel/ct_magie.html
www.uni-koeln.de (Philosophische Fakultät, Prof. Göttert)
http://www.textlog.de/1777.html?print Archiv der Süddeutschen Zeitung