Ausgabe Nr. 35                         Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung älterer Erwachsener
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Kind sein heute und im Mittelalter

                                                                        von Dr. Erna Subklew

Was ist Kindheit?
Mit Kindheit bezeichnet man allgemein das Leben eines Menschen von seiner Geburt bis zu seiner Pubertät, d. h. bis zum Alter von ca. 14 Jahren (Encarta). Während man das Säuglingsalter einwandfrei als einen biologischen Abschnitt ansehen kann, der sein Ende beim Abstillen und der Erkundung der Welt durch das Kleinkind hat, ist der weitere Verlauf der Kindheit eher durch soziale Zuschreibungen gekennzeichnet. Vor allem in den Industrienationen spricht man von einem Klein-, Kindergarten- und  Schulkindalter.
In unserer Zeit kann man auf jeden Fall sagen, dass während der Kindheit und manchmal darüber hinaus, die Kinder in großer Abhängigkeit zu ihren Eltern stehen. Diese bestimmen vorwiegend, was die Kinder lernen und wozu sie befähigt werden sollen, damit sie erfolgreiche Erwachsene werden.


Kinder heute
Noch nie gab es ein Zeitalter, in dem ein Paar einen so großen Einfluss darauf hatte, ob es Kinder haben will, wie viele es haben möchte, wie es diese Kinder erziehen wird und was die Kinder lernen sollen.
Es ist noch gar nicht so lange her, da war man der Ansicht, Kinder sollten wachsen und sich im Spielen, durch Erfahrung, Anschauung und Ausprobieren das nötige Wissen aneignen, das sie bis zur Einschulung brauchen. Gegenwärtig, da man weiß, dass nie wieder so intensiv gelernt wird wie in den ersten Lebensjahren, möchte man am liebsten diese Zeit schon durch gezieltes Lernen verplanen. Und schießt damit manchmal über das Ziel hinaus.


Kinder im Mittelalter
Es ist fast unmöglich über die „Kindheit“ im Mittelalter zu schreiben. Das Mittelalter umfasst eine so lange Zeitspanne, dass sich während dieser Zeit die Ansichten über Kinder und  Kindererziehung natürlich veränderten. Trotzdem gibt es Verhaltensweisen, die sich durch das ganze Mittelalter hindurch ziehen.
Was mehr oder weniger für das ganze Mittelalter gilt ist, dass Vater und Mutter weit weniger Einfluss auf die Geburt und die Zahl der Kinder hatten oder nahmen, wie heute. Geburt und Tod eines Kindes wurden weitgehend als „von Gott bestimmt“ angesehen, wie wohl man auch schon damals Kenntnisse über Verhütung und Abtreibung hatte.
So lange das Kind ein Säugling war, wurde es vorwiegend von der Mutter betreut, gewickelt und gestillt. Die meisten Säuglinge wurden mindestens ein Jahr, manchmal auch darüber hinaus, bis zu zwei Jahren gestillt.

Sozialisation
War das Kind abgestillt und konnte auf eigenen Beinen die Welt erkunden, war es nicht mehr so sehr auf die Sozialisation durch die Eltern angewiesen. Meistens war das auch gar nicht möglich, denn nach 2 Jahren war schon der nächste Säugling da. Für die gefühlsmäßigen Bindungen und die Weitergabe der Werte und Kenntnisse waren die Geschwister oder andere in der Hausgemeinschaft lebenden Personen da. Man lebte nicht nur in der Familie sondern in der Hausgemeinschaft, die gleichzeitig eine Produktionsgemeinschaft war. Noch heute gibt es in der Rhön den Hausnamen, der nicht mit dem Familiennamen identisch ist, mit dem aber alle Bewohner des Hauses benannt werden, auch wenn sie unterschiedliche Familiennamen tragen.

Kleine Erwachsene
Wenn die Kinder ihre Notdurft beherrschen konnten, was in der Regel bis zum vierten Lebensjahr dauerte, trugen sie nicht mehr den weiten Kittel. Sie bekamen Hosen und Schuhe und waren jetzt kleine Erwachsene, die man zu den Arbeiten mitnahm. Durch die Einbeziehung in die vielen verschiedenen Tätigkeiten erreichten die Kinder schnell eine beachtliche Vielseitigkeit. Wurden sie heute noch zum Hüten mitgenommen, durften sie morgen schon selber Schafe, Gänse und Ziegen hüten.
War die Hausgemeinschaft zu klein, so dass man der Arbeitskraft der Kinder nicht bedurfte, wurden sie auf andere Bauernhöfe verdingt.
Wenn die Kinder die ihnen aufgetragene Arbeit  erledigt hatten, dann gestand man ihnen auch die Zeit zum Spielen, Herumtollen in Wäldern und Wiesen zu.


Feiern und Spielen
So wie Erwachsene und Kinder die gleiche Kleidung trugen, zusammen arbeiteten, feierten sie auch zusammen. Kein Kind musste die Stube verlassen, wenn Themen besprochen wurden, die eigentlich nichts für Kinder waren. Die Kinder spielten auch die gleichen Spiele, die sie bei den Erwachsenen sahen: Tauziehen, Bockspringen, Reifen treiben, Würfeln und noch vieles mehr.
Sicherlich erinnern Sie sich an das Bild von Brueghel d. Älteren, der auf seinem Gemälde 80 Spiele darstellte.  Natürlich bekamen die Kinder kaum Spielzeug geschenkt. In den meisten Fällen stellten sie es selber oder unter Hilfe von einem Erwachsenen her. Das Material dazu fanden sie in der Umgebung: Stöckchen, Knochen, und auch z.B. die Blase vom Schwein, aus der ein Ball hergestellt werden konnte.

Kindheit in Adelskreisen
Das Leben der Stadtkinder aus den ärmeren Familien unterschied sich nicht wesentlich von dem der Bauernkinder. Anders war es beim Adel und in der städtischen Oberschicht.
Während Bauers- oder Handwerkerfrauen ihre Kinder selber stillten, stellte man in den Adelskreisen eine Amme ein oder gab, wie in Frankreich und Italien, das Kind zu einer Amme aufs Dorf. Von dort wurde es meistens mit der Vollendung des zweiten Lebensjahres wieder geholt und kam nun in eine ihm völlig fremde Umgebung.
Zwar stellte sich die Kirche schon damals gegen diese Bräuche und warf vor allem den Frauen Vernachlässigung der Kinder und zu wenig Enthaltsamkeit vor, doch zeigte sie auch keinen anderen Weg auf, wie dies zu ändern wäre.

Mädchen und Jungen
Die mittelalterliche Auffassung teilte das Leben in siebener Stufen ein. Die erste Stufe endete mit dem siebenten Lebensjahr. Man meinte, zu diesem Zeitpunkt sei der Erwerb der Sprache beendet und der Zahnwechsel erfolgt.
Darauf folgte die Knaben-  oder Mädchenzeit. In dieser Zeit wurde für den Knaben entschieden, welche Laufbahn er einschlagen sollte, ob weltlich oder geistlich. Die Unterweisung erfolgte in der Regel außerhalb der Familie.
Die Mädchen wurden auf ihre Rolle als Haus- und Ehefrau  vorbereitet. War das Mädchen aber bereits mit jemandem verlobt, erfolgte oft schon die Übersiedlung in ihre zukünftige Familie. Als Beispiel sei hier nur  Elisabeth von Thüringen genannt, die schon mit vier Jahren ihre Eltern verlassen musste.
Die Kinder der Bauern und armen städtischen Familien fingen mit sieben Jahren zu arbeiten an. Waisen oder Findelkinder, die im Waisenhaus lebten, mussten zu dieser Zeit das Waisenhaus verlassen.

Schulen
Die ältesten Schulen waren jene, die an Klöster, Dome oder große Kirchen angegliedert  wurden. Sie dienten vorwiegend dazu, den Nachwuchs für die Geistlichen auszubilden. Da sich aber zu dieser Zeit auch der Handel ausweitete, fingen die Städte an, Schulen einzurichten, weil man immer mehr Leute brauchte, die lesen, schreiben und rechnen konnten. Ende des 13. Jh. gab es bereits eine städtische Schule in Hamburg. Im 14.Jh. fand man in Lübeck Tafeln, Stifte und Tintenfässer. Man konnte den Funden entnehmen, dass in den städtischen Schulen neben dem Lernen von Latein auch Geschäftsbriefe verfasst wurden. Außer Latein wurden aber auch Deutsch, Niederdeutsch und Rechnen gelehrt.
Neben den „geistlichen“ und städtischen Schulen entstanden bald auch die privaten Schulen, die für die Kinder der ärmeren Schichten die einzige Möglichkeit der Weiterbildung waren.

Links
http://www.sbg.ac.at/ges/people/janotta/sim/kindheit.html
http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0007/bg_ago3c.htm
http://www.kindergartenpaedagogik.de/31.html
http://www.uni-weimar.de/architektur/e+gel1/projekte/kosovo/Seminare/Greifzu/geschich.html