von Dr. Erna Subklew
Was ist Kindheit?
Mit Kindheit bezeichnet man
allgemein das Leben eines Menschen von seiner Geburt bis zu seiner
Pubertät, d. h. bis zum Alter von ca. 14 Jahren (Encarta). Während man
das Säuglingsalter einwandfrei als einen biologischen Abschnitt ansehen
kann, der sein Ende beim Abstillen und der Erkundung der Welt durch das
Kleinkind hat, ist der weitere Verlauf der Kindheit eher durch soziale
Zuschreibungen gekennzeichnet. Vor allem in den Industrienationen
spricht man von einem Klein-, Kindergarten- und Schulkindalter.
In unserer Zeit kann man auf jeden Fall sagen, dass während der Kindheit
und manchmal darüber hinaus, die Kinder in großer Abhängigkeit zu ihren
Eltern stehen. Diese bestimmen vorwiegend, was die Kinder lernen und
wozu sie befähigt werden sollen, damit sie erfolgreiche Erwachsene
werden.
Kinder heute
Noch nie gab es ein Zeitalter, in dem ein Paar einen so großen
Einfluss darauf hatte, ob es Kinder haben will, wie viele es haben
möchte, wie es diese Kinder erziehen wird und was die Kinder lernen
sollen.
Es ist noch gar nicht so lange her, da war man der Ansicht, Kinder
sollten wachsen und sich im Spielen, durch Erfahrung, Anschauung und
Ausprobieren das nötige Wissen aneignen, das sie bis zur Einschulung
brauchen. Gegenwärtig, da man weiß, dass nie wieder so intensiv gelernt
wird wie in den ersten Lebensjahren, möchte man am liebsten diese Zeit
schon durch gezieltes Lernen verplanen. Und schießt damit manchmal über
das Ziel hinaus.
Kinder im Mittelalter
Es ist fast unmöglich über die „Kindheit“ im Mittelalter zu
schreiben. Das Mittelalter umfasst eine so lange Zeitspanne, dass sich
während dieser Zeit die Ansichten über Kinder und Kindererziehung
natürlich veränderten. Trotzdem gibt es Verhaltensweisen, die sich durch
das ganze Mittelalter hindurch ziehen.
Was mehr oder weniger für das ganze Mittelalter gilt ist, dass Vater und
Mutter weit weniger Einfluss auf die Geburt und die Zahl der Kinder
hatten oder nahmen, wie heute. Geburt und Tod eines Kindes wurden
weitgehend als „von Gott bestimmt“ angesehen, wie wohl man auch schon
damals Kenntnisse über Verhütung und Abtreibung hatte.
So lange das Kind ein Säugling war, wurde es vorwiegend von der Mutter
betreut, gewickelt und gestillt. Die meisten Säuglinge wurden mindestens
ein Jahr, manchmal auch darüber hinaus, bis zu zwei Jahren gestillt.
Sozialisation
War das Kind abgestillt und konnte auf eigenen Beinen die Welt
erkunden, war es nicht mehr so sehr auf die Sozialisation durch die
Eltern angewiesen. Meistens war das auch gar nicht möglich, denn nach 2
Jahren war schon der nächste Säugling da. Für die gefühlsmäßigen
Bindungen und die Weitergabe der Werte und Kenntnisse waren die
Geschwister oder andere in der Hausgemeinschaft lebenden Personen da.
Man lebte nicht nur in der Familie sondern in der Hausgemeinschaft, die
gleichzeitig eine Produktionsgemeinschaft war. Noch heute gibt es in der
Rhön den Hausnamen, der nicht mit dem Familiennamen identisch ist, mit
dem aber alle Bewohner des Hauses benannt werden, auch wenn sie
unterschiedliche Familiennamen tragen.
Kleine Erwachsene
Wenn die Kinder ihre Notdurft beherrschen konnten, was in der Regel
bis zum vierten Lebensjahr dauerte, trugen sie nicht mehr den weiten
Kittel. Sie bekamen Hosen und Schuhe und waren jetzt kleine Erwachsene,
die man zu den Arbeiten mitnahm. Durch die Einbeziehung in die vielen
verschiedenen Tätigkeiten erreichten die Kinder schnell eine beachtliche
Vielseitigkeit. Wurden sie heute noch zum Hüten mitgenommen, durften sie
morgen schon selber Schafe, Gänse und Ziegen hüten.
War die Hausgemeinschaft zu klein, so dass man der Arbeitskraft der
Kinder nicht bedurfte, wurden sie auf andere Bauernhöfe verdingt.
Wenn die Kinder die ihnen aufgetragene Arbeit erledigt hatten, dann
gestand man ihnen auch die Zeit zum Spielen, Herumtollen in Wäldern und
Wiesen zu.
Feiern und Spielen
So wie Erwachsene und Kinder die gleiche Kleidung trugen, zusammen
arbeiteten, feierten sie auch zusammen. Kein Kind musste die Stube
verlassen, wenn Themen besprochen wurden, die eigentlich nichts für
Kinder waren. Die Kinder spielten auch die gleichen Spiele, die sie bei
den Erwachsenen sahen: Tauziehen, Bockspringen, Reifen treiben, Würfeln
und noch vieles mehr.
Sicherlich erinnern Sie sich an das Bild von Brueghel d. Älteren, der
auf seinem Gemälde 80 Spiele darstellte. Natürlich bekamen die Kinder
kaum Spielzeug geschenkt. In den meisten Fällen stellten sie es selber
oder unter Hilfe von einem Erwachsenen her. Das Material dazu fanden sie
in der Umgebung: Stöckchen, Knochen, und auch z.B. die Blase vom
Schwein, aus der ein Ball hergestellt werden konnte.
Kindheit in Adelskreisen
Das Leben der Stadtkinder aus den ärmeren Familien unterschied sich
nicht wesentlich von dem der Bauernkinder. Anders war es beim Adel und
in der städtischen Oberschicht.
Während Bauers- oder Handwerkerfrauen ihre Kinder selber stillten,
stellte man in den Adelskreisen eine Amme ein oder gab, wie in
Frankreich und Italien, das Kind zu einer Amme aufs Dorf. Von dort wurde
es meistens mit der Vollendung des zweiten Lebensjahres wieder geholt
und kam nun in eine ihm völlig fremde Umgebung.
Zwar stellte sich die Kirche schon damals gegen diese Bräuche und warf
vor allem den Frauen Vernachlässigung der Kinder und zu wenig
Enthaltsamkeit vor, doch zeigte sie auch keinen anderen Weg auf, wie
dies zu ändern wäre.
Mädchen und Jungen
Die mittelalterliche Auffassung teilte das Leben in siebener Stufen
ein. Die erste Stufe endete mit dem siebenten Lebensjahr. Man meinte, zu
diesem Zeitpunkt sei der Erwerb der Sprache beendet und der Zahnwechsel
erfolgt.
Darauf folgte die Knaben- oder Mädchenzeit. In dieser Zeit wurde für
den Knaben entschieden, welche Laufbahn er einschlagen sollte, ob
weltlich oder geistlich. Die Unterweisung erfolgte in der Regel
außerhalb der Familie.
Die Mädchen wurden auf ihre Rolle als Haus- und Ehefrau vorbereitet.
War das Mädchen aber bereits mit jemandem verlobt, erfolgte oft schon
die Übersiedlung in ihre zukünftige Familie. Als Beispiel sei hier nur
Elisabeth von Thüringen genannt, die schon mit vier Jahren ihre Eltern
verlassen musste.
Die Kinder der Bauern und armen städtischen Familien fingen mit sieben
Jahren zu arbeiten an. Waisen oder Findelkinder, die im Waisenhaus
lebten, mussten zu dieser Zeit das Waisenhaus verlassen.
Schulen
Die ältesten Schulen waren jene, die an Klöster, Dome oder große
Kirchen angegliedert wurden. Sie dienten vorwiegend dazu, den Nachwuchs
für die Geistlichen auszubilden. Da sich aber zu dieser Zeit auch der
Handel ausweitete, fingen die Städte an, Schulen einzurichten, weil man
immer mehr Leute brauchte, die lesen, schreiben und rechnen konnten.
Ende des 13. Jh. gab es bereits eine städtische Schule in Hamburg. Im
14.Jh. fand man in Lübeck Tafeln, Stifte und Tintenfässer. Man konnte
den Funden entnehmen, dass in den städtischen Schulen neben dem Lernen
von Latein auch Geschäftsbriefe verfasst wurden. Außer Latein wurden
aber auch Deutsch, Niederdeutsch und Rechnen gelehrt.
Neben den „geistlichen“ und städtischen Schulen entstanden bald auch die
privaten Schulen, die für die Kinder der ärmeren Schichten die einzige
Möglichkeit der Weiterbildung waren.
Links
http://www.sbg.ac.at/ges/people/janotta/sim/kindheit.html
http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0007/bg_ago3c.htm
http://www.kindergartenpaedagogik.de/31.html
http://www.uni-weimar.de/architektur/e+gel1/projekte/kosovo/Seminare/Greifzu/geschich.html