Es 
		ist nicht ganz alltäglich wenn einem die Tochter erzählt, sie sei dabei, 
		ihre Haube  auszubessern und eine Gugel für ihre Tochter zu nähen. Mein 
		Nichtverstehen war mir wohl ins Gesicht geschrieben. Sie erklärte mir, 
		der Alltag im Mittelalter sei ihr Hobby. So stellte ich ihr einige 
		Fragen dazu.
		
		Das Interview wurde mit Mona Baute
		 geführt.
 geführt.
		
		LC:      Was genau macht ihr?
		M:        Darstellung Mittelalterlicher Lebensweise, z.B. auf 
		Museumstagen,
		Burgfesten oder bei Ritterspielen.
		
		LC:      Was bedeutet das konkret?
		M:        Wir sind in entsprechender Kleidung und mit passender 
		Ausrüstung (Zelt, Feuerstelle, Waffen, Handwerkszeug) vor Ort und 
		zeigen, wie das Leben oder bestimmte Teile davon zu einer festgelegten 
		Zeit aussah. Wir schlafen, kochen, essen und arbeiten so, dass sich die 
		Veranstaltungsbesucher ein Bild von dieser Zeit machen können. Wir 
		erklären und zeigen viel, so das sich so etwas wie "Mittelalterliches 
		Leben zum Anfassen" ergibt.
		
		LC:      Wie seid ihr dazu gekommen?
		M:        Durch Freunde.
		
		LC:      Warum gerade Mittelalter und nicht z.B. die Renaissance?
		M:        Wir fanden das Mittelalter interessanter.
		
		LC:      Welche Zeit genau stellt ihr dar, das Mittelalter war lang?
		M:        Wir stellen Ansichten aus dem Leben des Jahres 1170 n. 
		Chr. dar.
		
		LC:      Welche Menschen stellt ihr dar?
		M:        Wir wollten möglichst einfache Menschen darstellen.
		            Ganz einfache Menschen authentisch darzustellen hätte uns 
		durch die      extreme Armut dieser Menschen wohl schnell eine 
		Lungenentzündung einbringen können, darum haben wir uns für den niederen 
		Adel entschieden. So können wir ein geräumiges Zelt benutzen und z.B. 
		saubere warme Kleidung tragen.
		
		LC:      Lebt ihr wirklich so, wie die Menschen damals oder läuft 
		hinter einem Vorhang ein Mikrowellenherd?
		M:        Während einer Veranstaltung leben wir weitestgehend wie 
		die Menschen früherer Zeit. Das hat nur Grenzen bei Gesundheit und 
		Hygiene.
		
		LC:      Bezieht sich das auch auf Nahrungsmittel und Geschirr?
		M:        Ja, wir ernähren uns von den Nahrungsmitteln, die es 
		damals gab und bereiten sie auch entsprechend zu. Natürlich verwenden 
		wir dazu auch nur die dazu gehörenden Gegenstände. 
		
		
		
		
		LC:      Kauft ihr eure Ausrüstung oder macht ihr die selber?
		M:        Man kann inzwischen viele der Dinge, die wir benutzen auch 
		kaufen. Gerade Kleidung wird oft auch auf den Veranstaltungen verkauft. 
		Diese Einzelstücke sind nicht billig. Da ich aber sehr großen Wert auf 
		richtige zeitliche Einordnung lege und daher oft sehr genaue 
		Vorstellungen von Farbe und Schnitt der Kleidung habe nähe ich die 
		Sachen lieber selbst. Das Zelt, das wir bewohnen, haben wir allerdings 
		so wie es ist gekauft, ebenso die Waffen, da nur ein Fachmann ein 
		Schwert oder einen Bogen fertigen kann.  Die Herstellung seiner Pfeile 
		hat mein Mann sich allerdings selbst beigebracht.
		
		
		Auch Tische und Bänke sind inzwischen, mit Hilfe von Freunden, 
		selbst gebaut. Manchmal kann man auch eine Arbeit gegen eine andere 
		tauschen.
		
		LC:      Das scheint finanziell ein aufwändiges Hobby zu sein. Bekommt 
		ihr für eure Auftritte ein Honorar?
		M:        Nein, wir bekommen für unsere Auftritte in der Regel kein 
		Geld. Wir müssen aber umgekehrt auch nichts für den Lagerplatz und die 
		zu Verfügung gestellten Sanitäranlagen zahlen.  Die Eintrittspreise der 
		Besucher sind in der Regel so bemessen, dass diese Dinge davon 
		bestritten werden können. Anfahrt und Verpflegung zahlen wir selber, 
		aber wenn wir Camping-Urlaub machen würden, wäre das auch nicht anders. 
		Und wir haben ja auch eine Menge Spaß dabei.
		
		LC:      Wenn dieses Hobby finanziell nichts bringt, sondern eher 
		kostet, was habt ihr von der ganzen Mühe?
		M:        Eintauchen in gewissermaßen eine andere Welt und damit 
		Abstand zum Alltag mit der Möglichkeit zu Erfahrungen, die man in 
		unserer Zeit nicht machen kann und das Gefühl viele Dinge mit den 
		eigenen Händen zu tun.  
		Oder da ist z.B. der gelassenere Umgang mit dem Thema Zeit.
		In unserer von Uhren und Terminen bestimmten Welt kann man sich das 
		Gefühl, nicht zu wissen, ob es zehn oder zwei Uhr ist, kaum mehr 
		vorstellen. Auf den Märkten machen wir diese Erfahrung immer mal wieder. 
		Unsere Tochter geht ins Bett, wenn und weil sie müde ist und nicht weil 
		wir Eltern mit einem Blick auf die Uhr feststellen, das es Zeit dazu 
		ist.
		
		
		Eine kleine Erledigung, dauert oft längere Zeit, weil z.B. das Brot, das 
		man am Bäckerei-Stand holen wollte, gerade erst in den Ofen geschoben 
		wurde, und nicht schon seid Stunden fertig im Regal liegt. Dadurch 
		findet man Zeit, mit Leuten, die man trifft zu sprechen. Oder man wird 
		von irgendjemand, den man nicht mal kennt, gebeten, eben kurz  mit 
		anzufassen, weil er ein Problem nicht alleine lösen kann.
		
		LC:      Könnte man sagen: Der andere Umgang der Menschen miteinander 
		reizt euch?
		M:        Die Menschen lebten, dachten und fühlten ganz anders in 
		der Zeit und man kann sie umso besser verstehen, je mehr man sich ihrer 
		Lebensweise nähert.
		Das ist wohl einer der wichtigsten Gründe für dieses Hobby, die 
		Möglichkeit sich intensiv mit einer sehr vielfältigen Zeit zu 
		beschäftigen. Wenn man in der Schule vom Mittelalter lernt, ist das 
		viele hundert Jahre weit weg und hat doch keinen Einfluss auf unser 
		Leben mehr, wie man meint. Wenn man sich aber einen Punkt in der 
		Zeitlinie aussucht und sich mit der Lebensweise einer bestimmten Zeit im 
		Mittelalter auseinandersetzt dann kann man das Verständnis für diese 
		Zeit vertiefen. Man kann Widersprüche auflösen und man lernt die 
		zeitlichen Zusammenhänge innerhalb der Zeitspanne, die als Mittelalter 
		bezeichnet wird, zu verstehen. Erst durch dieses tiefe Eindringen in die 
		Zusammenhänge fallen einem dann die unendlich vielen Bezüge zu unseren 
		heutigen Zeit auf. Gesetze, Redewendungen und Bräuche werden 
		verständlich.
		
		LC:      Waren die Menschen damals mehr aufeinander angewiesen?
		M:        Viele Aufgaben lassen sich nur gemeinsam lösen. Wo keine 
		Maschinen zu Hilfe genommen werden können ist vielmehr Raum für 
		gegenseitige Hilfe.
		
		LC:      Vermisst ihr nicht die Errungenschaften der heutigen Zeit?
		M:        Man lernt viel über sich selbst und über unsere Zeit. Wenn 
		man ein Wochenende ohne Technik, Computer, TV und Musik aus er Konserve 
		verbracht hat, wird einem der alltägliche Umgang mit diesen Dingen 
		bewusster. Eine der häufigsten Erfahrungen die wir machen ist, dass wir 
		all diese Dinge nicht vermissen und das man sich selbst und anderen 
		näher ist, weil man sich unterhält oder der Spielmann eine Geschichte 
		erzählt zu dem Lied, das er spielt. Man lernt aber auch, den Fortschritt 
		zu schätzen, wenn einem z.B.  bewusst wird, wie komfortabel ein 
		Badezimmer mit fließendem Wasser ist.
		
		LC:      Ist das nur ein Hobby für junge Leute?
		M:        Nein, eigentlich sind alle Altersstufen vertreten. Es gibt 
		immer mehr Kinder auf den Markten, weil viele der Darsteller in einem 
		Alter sind, in dem sie Familien gründen. Häufig interessieren sich aber 
		auch Jugendliche und sehr junge Erwachsene für dieses Hobby, weil es 
		viele aufregende und neue Erfahrungen bietet. Sich ins 
		Schaukampfgetümmel zu stürzen ist eben was ganz besonderes. Aber einige 
		Darsteller sind schon seid vielen Jahren dabei und sind über die Zeit 
		reifer und oft auch grau geworden. Auch für Veranstaltungsbesucher in 
		allen Altersstufen wird in er Regel etwas geboten. Kinder können mit 
		eigenen Händen erfahren wie schwer ein Schwert ist oder beim 
		Kinderbogenschießen einen Preis gewinnen. Für junge Erwachsene werden in 
		den Abendstunden häufig Konzerte mit viel Partystimmung angeboten und 
		für die Liebhaber schöner Dinge zeigen verschiedenste Handwerker oft 
		Bezauberndes, ganz zu schweigen von kulinarischen Genüssen.
		
		 
		
		Da ich viel sticke und gelegentlich auch mal von Hand mit der Spindel 
		spinne sind für mich oft Gespräche mit älteren Besucherinnen 
		interessant, die diese Dinge noch in der Schule gelernt haben, und die 
		oft sehr erstaunt und erfreut sind, dass eine junge Frau (35 Jahre) 
		Freude an diesen Handarbeitstechniken findet.
		
		LC:      
		Würdet ihr immer so leben wollen?
		M:        
		Nein. Es ist gerade dadurch, dass wir dieses Leben in Teilen nachleben 
		sehr deutlich, wie hart und oft auch unangenehm das Leben damals war.
		
		Auch das Wissen um die Dinge die man damals nicht wusste möchten wir 
		nicht aufgeben.
		Die Menschen damals haben selten die Möglichkeiten gehabt ein erfülltes 
		Leben zu führen, in aller Regel haben sie gelebt um zu überleben. Wir 
		möchten unsere Talente nutzen und unserer Tochter Perspektiven bieten, 
		die über das was ein Mädchen im Jahre 1170 n.Chr. zu erwarten hatte weit 
		hinausgehen. Ob wir heute glücklicher sind als die Menschen der 
		damaligen Zeit wage ich nicht zu sagen, aber wir haben, glaube ich, viel 
		mehr Möglichkeiten es zu werden.
		
		LC:      Aus unserer Unterhaltung schließe ich, dass man viel lernen 
		kann aus der Beschäftigung mit dem Mittelalter. Ich danke dir.