Ausgabe Nr. 35                         Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung älterer Erwachsener
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Mittelalterliche Städte

                                                                        von Horst Glameyer

Mauern und Tore
Wer als Tourist hier und dort noch die erhaltenen Reste einer mittelalterlichen Stadtmauer oder eines Stadttores nachdenklich betrachtet, wird sich vielleicht fragen, wie es sich wohl einst in ihrem Schutz lebte.

Alte Ansicht Dinkelsbühls mit Stadttor und Stadtmauer (Quelle: Wikipedia)

Der bekannte Satz „Stadtluft macht frei!“ verlockte vor allem Leibeigene, hier ein Leben in Freiheit zu beginnen, das jedoch kaum unseren heutigen Lebensvorstellungen entsprach. Außerdem war es ein Unterschied, ob die  Stadt im Frühen, Hohen oder Spätmittelalter unter der Herrschaft eines weltlichen oder kirchlichen Herrn von Adel stand oder als Freie Reichsstadt unter der Oberhoheit des Kaisers. Vermutlich war man einfach froh, sich hinter dicken Mauern geborgen zu wissen.

Äußere Gefahren
Bauern mit ihren Familien und ihrem Gesinde waren marodierenden Söldnerhorden oft schutzlos ausgeliefert, wenn sie sich nicht rechtzeitig hinter die dicken Mauern einer Wehrkirche retten konnten. Doch auch die Städter blickten bald mutig, bald angstvoll von ihrer Stadtmauer hinab auf  herannahende Feinde. Nicht lange, und schwere Rammböcke donnerten gegen die von innen verrammelten Tore.


(Dieses Bild basiert auf dem Bild: Festung_Minden03.jpg aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist Markus Schweiß.)

Würden sie standhalten? Reichten die Wasser- und Lebensmittelvorräte aus, um eine vielleicht monatelange Belagerung durchzustehen? Handel und Handwerk hatten zu städtischem Wohlstand, ja zu Reichtum geführt. Wer in Friedenszeiten tagsüber durch die Stadttore ein- und ausging, konnte sich mit eigenen Augen davon überzeugen. Das weckte Begehrlichkeiten bei jenen Rittern und Adligen, die unter chronischem Geldmangel litten.

Innere Gefahren
Mit Einbruch der Dunkelheit wurden die Stadttore geschlossen. Fremde, die zu spät kamen, mussten im Freien oder in zwielichtigen Herbergen außer­halb der Mauern übernachten.
Wahrscheinlich fällt es uns Lichtverwöhnten schwer, uns eine Stadt ohne elektrische Beleuchtung vorzustellen. Immerhin konnte man des Nachts bei wolkenlosem Himmel noch nicht lichtgetrübt die Sterne betrachten. Aber wer im Haus oder auf der Straße etwas sehen wollte, musste einen Kienspan, eine Kerze oder eine Fackel anzünden. Es war eine „feurige“ Zeit, und viele Chroniken berichten von verheerenden Bränden durch Blitzschlag oder unachtsamen Umgang mit offenem Feuer.
Nicht zu vergessen: die Seuchengefahr! Mit Abwässern und Abfall nahm man es nicht so genau. Die Stadtluft machte zwar frei, doch stank sie oft zum Himmel.

Recht und Ordnung
Vieles war geregelt. So wurden an Markttagen vom Büttel die Gewichte und Maße der Händler und Bauern geprüft, und es gab drastische Strafen für Betrüger. Fahrendes Volk und Gaukler beobachtete die Obrigkeit misstrauisch und sah beide ungern lange verweilen. Die Gesellschaft gliederte sich in Stände. Ein jeder wusste, wo sein Platz und welche Kleidung für ihn angemessen war. Man heiratete nicht einfach den Mann oder die Frau, die man liebte, sondern achtete auf die standesgemäßen Voraussetzungen für eine Familien- und Existenzgründung.

Anstand und Moral
Im Mittelpunkt allen Tun und Lassens  stand der christliche Glaube, der so­wohl Erlösung als auch ewige Verdammnis entsprechend dem Lebenswan­del des Einzelnen verhieß. So wurde schon zu Lebzeiten in aller Öffentlich­keit an den Pranger gestellt, wer sich etwas zuschulden kommen ließ, das nicht geduldet werden konnte. In Schande geriet auch die Mutter mit ihrem unehelich geborenen Kind.

Abgrenzungen
Sie gab und gibt es noch heute. Die Chinesische Mauer, der römische Limes, die vielen Stadtmauern im Altertum, denken wir nur an die biblischen Mauern von Jericho, und im Mittelalter. Dann folgten im 20. Jahrhundert die großen Grenzbefestigungen wie die französische Maginot-Linie, der deutsche Westwall und die Berliner Mauer mit dem sozialistischen Schutzwall der ehemaligen DDR. Nun entsteht in unserem 21. Jahrhundert die israelische Mauer zum Schutz vor den Palästinensern. Große und kleine Gebiete wurden und werden noch immer ummauert, obwohl die meisten Mauern längst verfallen oder geschleift sind.

Link
Alltag im Mittelalter
http://www.wdr5.de/saeulendererde/reise/alltag/