Klostergärten
                                       von Renate Wiese
Warum haben Klöster überhaupt Gärten? Konnte durch die Klostergärten das antike Wissen erhalten werden?

Der Anfang
Im Klostergarten der Benediktinermönche findet die Entwicklung der Gartenkultur in Europa ihren Ausgangspunkt.

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Kräuter Allerheiligen

Heil-, Gewürz- und Gemüsepflanzen wurden angebaut, einerseits um Medikamente für die Klosterapotheke herzustellen, andererseits für die Bedürfnisse der Klosterküche.
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Kloster Allerheiligen

Der Kräutergarten im ehemaligen Benediktinerkloster Allerheiligen in Schaffhausen, das 1049 n. Chr. von Ita und Eberhard von Nellenburg gestiftet wurde, orientiert sich am St. Galler Klosterplan. Östlich des Kreuzganges im "Chrutgarte", wo man den Ursprung vermutet, legte man den Garten 1938 erneut an.

Historischer Streifzug
Klostergärten findet man in Klöstern verschiedener Ordensrichtungen.
Der Untergang des weströmischen Reiches (476 n. Chr.) zerstörte eine Kultur und Zivilisation, die durch die nachfolgenden germanischen Völker nicht ersetzt wurde. Schulen und Bibliotheken wurden vernichtet und somit die Bildung und Wissenschaft und daraus folgend die medizinische Versorgung durch gut ausgebildete griechische Ärzte. Diese chaotische Zeit wurde der Grundstein der Klostermedizin. Benedikt von Nursia gründete in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts sein eigenes Kloster auf dem Monte Cassino bei Neapel. Es wurde das Mutterkloster des Benediktinerordens.

Bedeutung
Am Gesetz Capitulare de Villis aus dem Jahre 812 n. Chr., erlassen von Karl dem Großen, welches Klöster und Städte verpflichtete einen Kräutergarten anzulegen, erkennt man die Bedeutung der Klostergärten bereits im 9. Jahrhundert. Ein Plan eines idealen Klosters aus jener Zeit ist noch heute vorhanden. Er zeigt eine umfangreiche Gebäudesammlung, die ein Arzthaus und ein Spital einschließt, daneben liegt der Garten für Heilpflanzen. Sogar die einzelnen Beete mit konkreten Pflanzen sind eingetragen. Der Plan befindet sich heute in der Stiftsbibliothek von St. Gallen. Deshalb spricht man vom St. Galler Klosterplan.
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Insel Reichenau

Die Pflanzen, die im Garten angebaut werden sollten, stimmen größtenteils mit jenen überein, die das Gedicht Hortulus des Walahfrid Strabo beschreibt. Er war bis ca. 826 Mönch des Benediktinerklosters Reichenau.

Lesen und Schreiben

Benedikt von Nursia schuf eine umfassende und überzeugende Ordensregel, die Papst und Kirchenvater Gregor der Große (gest. 604 n. Chr.) in der römischen Kirche für verbindlich erklärte. Die Regel besteht aus Vorrede und 73 Kapiteln. Als die bestimmende Regel für das mönchische Leben verdrängte sie die alten Mönchsregeln. Sie wurde durch Karl den Großen im gesamten Frankenreich verbreitet.
Im Kapitel 36 wurde die Sorge für die Kranken festgelegt. Damit sich die Mönche medizinisches Fachwissen aneignen konnten, mussten sie sich mit dem überlieferten schriftlichen Wissen über Heilpflanzen und Medizin auseinander setzen, sie mussten also lesen und schreiben können. Die meisten Benediktinermönche konnten lesen, denn in der Regula des Heiligen Benedikt wird das Lesen an mehreren Stellen erwähnt.

Verbreitung
Das Gebot zur Krankenpflege in Benedikts Ordensregel und die Alphabetisierung der Mönche halfen, die Entwicklung der Klostermedizin zu fördern. Sie blieb nicht ein lokales zeitlich begrenztes Phänomen, das auf Monte Cassino. ausgeübt wurde. Die Regel wurde, wie oben erwähnt, durch den Papst und Kirchenvater Gregor den Großen zur verbindlichen Regel in der gesamten römischen Kirche erklärt. Das begründet die Ausbreitung über ein weites Gebiet. Auch half die Christianisierung Europas der Verbreitung und ebenso trug das Capitulare de Villis von Karl dem Großen wesentlich dazu bei.

Wissensursprung
Die mittelalterliche Klostermedizin bestand vor allem aus der Kräuterheilkunde. Die Benediktinermönche lasen die Schriften bedeutender griechischer und römischer Ärzte (Dioskurides, Hippokrates, Galen und Caelius Aurelianus), um sich das medizinische Wissen anzueignen.
Der Zugang zu Büchern der Antike war im Mittelalter und insbesondere in der Gründungszeit des Benediktinerordens im 6. Jahrhundert keine Selbstverständlichkeit. Als im Jahre 473 n. Chr. in Konstantinopel die letzte antike Bibliothek abbrannte, ging ein unermesslicher Schatz an Wissen verloren. Dem Brand fielen 120 000 Bücher zum Opfer.

Erhalt der antiken Schriften
Dem Benediktinermönch Cassiodor, Sohn einer begüterten Familie, lange als Staatsmann tätig, ist es zu verdanken, dass schon im 6. Jahrhundert die Werke der griechischen Ärzte Dioskurides, Hippokrates, und Galen den Mönchen zur Verfügung standen. 554 n. Chr. gründete Cassiodor das Kloster Vivarium in Kalabrien, dem er eine umfangreiche Bibliothek hinterließ.
In seinem Kloster war es Pflicht, die medizinischen Handschriften abzuschreiben, sie zu lesen und sich das Wissen anzueignen. Das Studium der Materia medica des griechischen Arztes Pedanios Dioskurides, ein Werk, welches etwa 60 bis 70 n. Chr. entstanden war und unter anderem die Wirkung von über 500 Pflanzen beschreibt, stand an erster Stelle. Weiteres Wissen holten sich die Mönchsärzte auch aus lateinischen Übersetzungen spätantiker Werke aus Alexandria und Byzanz und aus der Naturenzyklopädie Naturalis historia des Plinius Secundus des Älteren.

Entwicklung
Bis zum 12. Jahrhundert entstanden dann in den Klöstern eigene Arznei- und Heilkräuterbücher, außerdem wurde mehr und mehr auch das medizinische Wissen der arabischen Kultur erschlossen, indem Texte ins Lateinische übersetzt wurden.

Vorurteile
In der Zeit Karls des Großen setzte man sich mit der Logik des Aristoteles auseinander und versuchte, den Anschluss an die antike Kultur wieder zu gewinnen. Das frühe Christentum lehnte nicht nur die Götterwelt der Griechen ab, sondern auch ihre Naturphilosophie, da sie heidnischen Ursprungs war.
Das Lorscher Arzneibuch, für den deutschsprachigen Bereich von Bedeutung und die älteste noch erhaltene Handschrift auf deutschem Boden, enthält ein Plädoyer für die Medizin antiken Ursprungs. Auch werden die Zwillingsbrüder Cosmas und Damian, die in Syrien Ärzte waren und ihre Patienten unentgeltlich behandelten, erwähnt, genauso wie die griechischen Ärzte Hippokrates und Galen. Die Rezepte aus der Rezeptsammlung enthalten verschiedene Drogen aus dem Orient. Die Kirchenväter Ambrosius (gest. 397 n. Chr.) und Augustinus (gest. 430 n. Chr.) und Bischof Isidor von Sevilla förderten die Übernahme des griechischen Wissens. Dadurch wuchs auch die Akzeptanz gegenüber den antiken Kenntnissen.

Im Mittelalter
Der Benediktinermönch Odo aus Meung an der Loire beschreibt in seinem Werk Macer floridus rund 80 Heilpflanzen und ihre Anwendungsmöglichkeiten. Das Werk basiert auf der Humoralpathologie oder Viersaftlehre, die zwar aus der Antike stammt, aber in Westeuropa erst im 11. Jahrhundert ihre volle Bedeutung erlangt.
Hildegard von Bingen (geb.1098 n. Chr.) hinterließ bedeutende Schriften für die Klostermedizin, darunter die zwei Werke Physica (Naturkunde) und Causae et Curae (Ursachen und Behandlung).
Im Jahr 1970 erfuhr Hildegard von Bingen in Bezug auf ihre medizinischen Werke eine Renaissance. Der österreichische Arzt Gottfried Hertzka gründete die 'Hildegard-Medizin', die Pflanzenheilkunde, Ernährungsregeln, Ausleitungsverfahren (Schröpfen, Fasten und Schwitzbäder) und Edelsteintherapie umfasst. Die Gegner weisen darauf hin, dass es keine Originalhandschriften gibt. Causae et Curae und Physica sind nur als Abschriften aus dem 13. bis 15. Jahrhundert vorhanden. Auch die Kommerzialisierung wird bemängelt.

Spätmittelalter und Neuzeit
Nach den Schriften der Hildegard von Bingen brachten Klöster keine explizit medizinischen Werke mehr hervor. Die Mönche beschäftigten sich aber weiterhin mit den Naturwissenschaften. Im 13. und 14. Jahrhundert schrieben verschiedene Dominikanermönche Naturenzyklopädien, die aber nur am Rande für die Medizin von Bedeutung waren.
Die Klostermedizin verlor am Ende des späten Mittelalters an Bedeutung, aber viele Klöster besaßen weiterhin Klostergärten und benutzten eigene pflanzliche Arzneimittel. Nun wurden die Ärzte an den neu entstandenen Universitäten ausgebildet. Trotzdem gaben die Klöster die Krankenpflege nie auf. Sie besaßen weiterhin Spitäler, besonders entlang der Pilgerwege nach Rom und nach Santiago de Compostela.

Links
Forschergruppe Klostermedizin
Walafrid Strabo
Hildegard von Bingen - Biographie
Internationale Gesellschaft Hildegard von Bingen
St. Galler Klosterplan

Anmerkung
In dieser Ausgabe unseres Online-Journals LernCafe beschäftigt sich ein Beitrag von Hildegard Keller mit
„Hildegard von Bingen" , das „Capitulare de villis" hat Lore Wagener ausführlich behandelt.


 

 
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