von Hildegard Keller Hildegard von Bingen (1098 – 1179) ist eine der faszinierendsten Frauengestalten des Mittelalters. Ihre Kräuter- und Heilkunde wurde nicht erst durch die Entdeckung des ganzheitlichen Menschenbildes esoterischer Kreise bekannt.
„Karrierefrau“ hinter Klostermauern
Inspiration
So könnte man Hildegard von Bingen nach heutigem Sprachgebrauch nennen. Sie gilt als bedeutendste Deutsche des Mittelalters. Die unerschrockene Nonne war eine Frau in einer Führungsposition unter Männern. Sie war Medizinerin, Dichterin, Kirchenpolitikerin, Prophetin, Komponistin, Visionärin. Selbst Kaiser Barbarossa suchte ihren Rat. Noch heute sind ihre Lehren aktuell und finden in modernen Abhandlungen bewundernde Beachtung.
Am bekanntesten sind ihre Erkenntnisse in der Kräuterkunde, der Heilkunst und der Gesundheitslehre.
Der Name Hildegard ist Programm. Er bedeutet Heldin, ganz exakt ausgedrückt „rettende, beschirmende Heldenjungfrau“.
Als Benediktinerin gehörte es zu Hildegards Aufgaben, sich um kranke Menschen zu kümmern. Sie tat dies mit wissenschaftlicher Gründlichkeit und wurde damit zur Ärztin in des Wortes vollster Bedeutung.
Hildegards Natur- und Heilkunde
Kloster Disibodenberg Foto Saharadesertfox CC by-sa
Um ihre Werke gerecht beurteilen zu können, muss man sie auf dem Hintergrund ihres theologischen Weltbildes sehen. Hildegard wollte nicht nur beschreiben, sondern die Sinnzusammenhänge sichtbar machen. Sie wurde Leitfigur eines ganzheitlichen Menschenbildes: Alles geht aus der einen Schöpfung Gottes hervor. Der Mensch, das Tier, die Pflanzen, alle sind eingefügt in den großen Heilsplan Gottes.
Diese Sachkenntnis erwarb sich die Äbtissin in den Begegnungen mit Kranken und in leidvollen Erfahrungen persönlicher Erkrankungen. Weil die medizinische Versorgung im Kloster schwierig war, machte sich Hildegard in der Medizin kundig. In ihren Schriften verwendet sie keine Fachwörter. Krankheiten werden oft recht allgemein beschrieben und ihre anatomischen Kenntnisse sind dürftig. Trotzdem wird sie Ärztin genannt.
Die fünf Säulen
Weltalldarstellung
Fünf Säulen der Gesundheit hat Hildegard in ihrer Medizinkunde aufgestellt:
- Die erste Säule: Heilmittel aus der Natur
- Die zweite Säule: Ausgewogene Ernährung
- Die dritte Säule: Schlechte Säfte ausleiten
- Die vierte Säule: Den Körper regenerieren
- Die fünfte Säule: Die Seele reinigen.
Auf die erste Säule soll hier näher eingegangen werden.
Anwendungsgebiete und Wirkung von über 2000 Heilmitteln aus der Natur hat Hildegard in ihrem neunbändigen Werk „Physica“ beschrieben:
Pflanzen, aber auch Edelsteine, Metalle, Mineralien und auch Tiere.
Manche Heilkräuter setzt sie in Wein an oder bäckt sie in kleinen Kuchen.
Beispiele aus der Hildegard-Medizin
Heute ist es möglich, die Wirkungsmechanismen einzelner Heilkräuter zu erforschen.
So wissen wir: Galgant hat krampflösende Wirkung bei Angina-Pectoris-Anfällen und wird deshalb als Heilmittel eingestuft. Die Brunnenkresse wird von Hildegard bei Verdauungsproblemen eingesetzt.
Heute wissen wir: Die in ihr enthaltenen Bitterstoffe regen Magen und Darm an und die Glykoside wirken antibakteriell.
Sicher ist, dass viele Heilmittel Hildegards wegen ihrer positiven Wirkungen Eingang in die moderne Medizin gefunden haben. Das gleiche gilt für Rezepturen.
Genannt sei Hildegards berühmter Gelöschter Wein gegen Schlafstörungen. Obwohl die Wirkung wissenschaftlich nicht (noch nicht) erwiesen ist, wird sie von Heilpflanzenexperten anerkannt.
Zusammenfassung und ein Film
Einen Beitrag für das Lerncafe über Hildegard von Bingen zu schreiben, gestaltete sich schwieriger als ich es mir vorgestellt hatte. Es galt, die Komplexität und das Charisma einer der bedeutendsten Frauen des Mittelalters in einem einzelnen Puzzleteil aussagekräftig darzustellen und zwar im Kontext zum Thema Kräuter und Gewürze. Die angefügten Links können eine Hilfe beim „Lückenschließen“ sein.
Margarethe von Trotta hat in ihrem Kinofilm über das Leben der Hildegard von Bingen eine bemerkenswerte Leistung vollbracht. Sie blieb dabei ihrer Vorliebe für starke Frauen treu.
„Vision“ zeichnet die wichtigsten Lebenssituationen der rheinischen Mystikerin nach.
Ehrungen
Hildegard von Bingen ist eine „Volksheilige“, das heißt, sie wurde nie von der Kirche offiziell heilig gesprochen und zählt dennoch zu den ökumenischen Heiligen.
Reliquienschrein
In dem Ehrentempel Walhalla trägt eine Gedenktafel ihren Namen.
Walhalla Foto Michael J.Zirbes CC by
Zitat der Hildegard von Bingen:
Drei Pfade hat der Mensch in sich, in denen sich sein Leben tätigt: die Seele, den Leib und die Sinne.