von Roswitha Ludwig
Im
Hebräischen wird ein Wort für Brunnen und Gebärmutter gebraucht.
Der Ursprung des Lebens rückt in den Blick. Wird von Wasser
gesprochen, so kann es real und symbolisch gemeint sein.
Lebensgrundlage
Im
Brunnenbau sah J. J. Rousseau den Ursprung der Vergesellschaftung. In
trockenen Regionen Wasser zu gewinnen und dieses zu verteilen, war
nur als Gemeinschaftsleistung möglich. Als die israelitischen Stämme
in Kanaan einwanderten, fanden sie befestigte Städte vor. Die als
Nomaden lebenden Israeliten erwiesen sich als Meister des Brunnenbaus
und sicherten sich und ihren Herden das Überleben. Es wurden
Zisternen zum Sammeln von Wasser angelegt, Brunnen gegraben und
Quellen gefasst.
An Brunnen kam es zu Streit auch zu Kämpfen. An
Brunnen wurden Verträge geschlossen, Beerscheba heißt
Schwurbrunnen. Der Kampf um die mit Wasser versorgten Plätze in
dieser Region gehörte schon in die Zeit des Alten
Testaments.
Rettung am Brunnen
Beim
Lesen der Vätergeschichten wird deutlich, dass die Stammesgeschichte
Israels als Familiengeschichte tradiert wird. Abraham ist der
Stammvater der drei Buchreligionen: Judentum, Christentum,
Islam.
Seine Frau Sara scheint unfruchtbar zu sein, deshalb wird
die Magd Hagar als eine Art Leihmutter gewählt. Doch als Sara doch
noch den Isaak bekommt, stört sie der andere Sohn, der Knabe ihrer
Magd. Sie setzt es durch, dass Hagar mit ihrem Jungen Ismael
weggeschickt wird.
Nicht der sichere Tod in der Wüste trifft die
Verzweifelte, die schon ihr Kind zum Sterben abgelegt hat. Sie
empfängt die Verheißung, ihr Sohn Ismael werde Stammvater eines
großen Volkes. Auf ihn führen sich die Muslime zurück „Und
Gott tat ihr die Augen auf, dass sie einen Wasserbrunnen sah“.
Und sie lebte mit ihrem Sohn in der Wüste.
Heiratsentscheidungen
an Brunnen
Als Isaak erwachsen ist und heiraten soll, sendet
Abraham seinen Knecht Eliezer in die Heimat zurück, um eine Frau für
Isaak zu suchen. Beim Wasserschöpfen erkennt er in Rebecca die
Gesuchte. Am „Brunnen des Lebendigen, der mich sieht“, treffen
die Versprochenen Isaak und Rebecca das erste Mal zusammen (1. Mose
24). Dieser Brunnen war einst Hagars Rettungsort.
In der nächsten
Generation fällt noch einmal die Entscheidung für eine Ehe an einem
Brunnen. Der gemeinsame Sohn Jakob ist auf der Flucht, weil er seinen
Bruder Esau um den Segen des Vaters betrogen hat.
Am Brunnen
trifft er Rahel, die die Schafherden ihres Vaters hütet. Er sieht
sie und verliebt sich. Sogleich will er den Stein vom Brunnen wälzen
und nicht bis zum Abend warten, damit die Tiere getränkt werden
können. Am Brunnen beginnt seine Liebe zu Rahel, um die er lange
dienen und ihre ältere Schwester Lea zuerst heiraten
muss.
Freveltat an einer Zisterne
Entsprechend
den 12 Stämmen Israels hat Jakob mit seinen Frauen 12 Söhne. Joseph
und Benjamin sind die Kinder Rahels. Diese stirbt bei der Geburt
Benjamins und wird in Bethlehem beigesetzt. Der Vater bevorzugt
Joseph. Damit zieht dieser den Hass der Brüder auf sich. Als er in
einem prächtigen Gewand auf den Weideplatz kommt, werfen sie ihn in
eine Zisterne. Das bedeutete den sicheren Tod. Sie ändern ihre Pläne
und verkaufen ihn an eine vorbeiziehende Karawane. Dem Vater bringen
sie das mit Ziegenblut verschmierte Gewand nach Hause und berichten,
Joseph wäre von einem wilden Tier gerissen worden. Ihre Freveltat
erweist sich später als Rettungschance. Joseph, inzwischen Kämmerer
des Pharao von Ägypten, wird die hungernde um Getreide bittende
Familie erretten. Aus der Untat wird durch die Fügung Gottes eine
Rettungstat. So spricht Joseph: „Ihr
gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu
machen.“
(1.Mose
50,20)
Jesus am Jakobsbrunnen
Schicksalhaftes geschieht
auch im Neuen Testament am Brunnen. Jesus begegnet im
Johannesevangelium (Kapitel 4) einer Samaritanerin. Sie hält sich
alleine zur nicht allgemeinen Wasserholenszeit an einem Brunnen auf.
Er ist mit seinen Jüngern unterwegs nach Galiläa.
Juden meiden
den Kontakt mit den als nicht rechtgläubig angesehenen Samaritanern.
Diese kommen nicht zum Tempel nach Jerusalem. Die Jünger besorgen
etwas zu essen. Jesus bleibt zurück. Er wendet sich der Frau zu,
spricht sie an - nicht nur das, er bittet sie um Wasser. Damit
verhält er sich gegenüber dieser Fremden doppelt befremdlich.
Im
Johannesevangelium steht diese Geschichte in einem Zusammenhang von
Geschichten, in denen sich Jesus als der erwartete Messias offenbart.
Hier dient ihm Wasser zur Veranschaulichung seiner Botschaft.
Wasser
als Symbol
Hier am Brunnen Jakobs wird seit langen Zeiten das
Trinkwasser geholt. Doch Jesus rückt das „Wasser des Lebens“ in
den Blick. Dieses vermag er in seiner Vollmacht zu geben. Wer es
empfängt, wird nicht mehr dürsten. Es wird „in
ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt“
(Joh.4,14).
Die Frau
verlangt danach, möchte nicht mehr dürsten. Jetzt kommt ihre
Lebenssituation zur Sprache, werden Männer erwähnt, doch keiner
gehört zu ihr. Waren es Not, Lebenshunger, Lebensdurst oder
Lebensgier, die sie getrieben haben? Keine Vorwürfe fallen.
Samaritanerin am Brunnen;(Quelle St. Michael Afalterbach)
Sie
ist überzeugt von den Worten Jesu. Auch von den zurückgekehrten
Jüngern schätzt sie keiner gering, nicht als Frau und nicht als
Samaritanerin. Sie holt andere herbei auch diese glauben. Zwei Tage
bleiben Jesus und die Jünger in der Stadt. Am Brunnen hat sich
Lebenssinn eröffnet. Der Abschnitt endet: mit der Erkenntnis:
„Dieser ist wahrlich der
Welt Heiland.“ (Joh.4,42)
Quellen
und Links:
Vätergeschichten: 1. Mose 23 ff.;
Josephsgeschichte 1. Mose 37 ff; Johannesevangelium: Jesus und die
Samaritanerin, Joh. 4
Aus einer Bibelarbeit zu Amos
5,24
|