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Brunnengeschichten
                         von Roswitha Ludwig

Weil Wasser lebensnotwendig ist, siedelten die Menschen an Brunnen und Quellen. Zu diesen Wasserstellen machten sich Menschen auf den Weg, trafen sich, redeten miteinander und dachten nach über die Tiefe, in die sie blickten.


Suche nach dem richtigen Platz
Die mittelalterliche Klosteranlage Maulbronn liegt zwischen Bruchsal und Stuttgart, seit 1993 eine Weltkulturerbe-Stätte. Gegründet wurde dieses Zisterzienserkloster von dem Ritter Walter von Lomersheim 1174. Der zunächst vorgesehene Platz erwies sich nicht als geeignet. In Absprache mit dem Bischof von Speyer errichteten die Mönche das Kloster im Tal der Salzach.
Zu dieser Ortswahl gibt es eine Legende: Die Mönche legten einem Esel einen Geldsack auf den Rücken und gaben ihm einen Segensspruch mit auf den Weg. An einer Quelle blieb er stehen, um seinen Durst zu löschen. Darin sahen die Mönche ein Zeichen des Himmels und erbauten hier Kirche und Kloster. Das Maulbronner Wappen und ein Fresko in der Brunnenkapelle erinnern daran.

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Wappen von Maulbronn (gemeinfrei)

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Klosterbrunnen (privat:Frau Arcangeli)

Nach den griechischen Sagen brachte Pegasus, das geflügelte Dichterross, durch seinen Hufschlag die Quelle Hippokrene zum Fließen. Sie liegt auf dem Berg der Musen und belegt die Nähe von Brunnen und Dichtung.

Der Blautopf von Blaubeuren

Die Stadt liegt am südlichen Abhang der Schwäbischen Alb. In dieser Karstlandschaft herrschte früher Wasserknappheit. Wasserläufe versickerten im Kalkgestein und traten andernorts wieder hervor. Noch heute werden Höhlen entdeckt. Der Blautopf ist ein trichterförmiger 22 Meter tiefer und über 30 Meter breiter Quelltopf, in dem sich Wasserarme in einem verzweigten Höhlennetz unterirdisch sammeln. Das Wasser ist bei schönem Wetter von intensiver blauer Farbe.
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Hier entspringt das Flüsschen Blau, das in die Donau mündet. Um diesen Quelltopf rankt sich eine berühmte Sage von einer Wasserfrau, der schönen Lau. Sie wurde von einem Donaunix vom Mündungsgebiet des Schwarzen Meeres dorthin verbannt.

“Die Historie von der schönen Lau“

von Eduard Mörike (1804 – 1875)
Die Lau mit Schwimmhäuten an Händen und Füßen lebt bis zu ihrer Rückkehr mit ihren Dienerinnen in den Tiefen des Blautopfs. Von der argen Lau sprechen die Bewohner, wenn Überschwemmung droht. Verbannt wurde sie weil sie nicht lachen kann und deshalb nur tote Kinder gebiert. Erst wenn sie fünfmal gelacht hat, wird dieser Fluch von ihr genommen.
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Die schöne Lau

Im Keller des Gasthofes Nonnenhof erscheint sie in einem Brunnen und freundet sich vor allem mit Frau Betha an. Diese zeigt ihr Haus und Hof und lädt sie in die Spinnstufe ein. Unter Menschen kommt die Lau endlich zum Lachen, unter anderem, als sie das Enkelkind von Frau Betha mit einem Apel in der Hand auf einem Töpfchen sieht und den Erfolg riecht. Beim Sprechen des Blaubeurer Zungenbrechers lacht sie so sehr, dass sie davon ohnmächtig wird. Der Wirtssohn trägt sie zum Blautopf im Übermut küsst er sie, bevor er sie ins Wasser gleiten lässt. Sie lacht in ihrer Ohnmacht und ist erlöst. Mit Abschiedsgeschenken bedankt sie sich.

Mythische Wasserwesen und Menschen
Die Lau in Mörikes Erzählung kann glücklich und erlöst ans Schwarze Meer heimkehren. Sie erfährt Befreiung in der Verbindung mit den Menschen. In einem geschenkten Spiegel sieht sie sich erstmals, als würde sie sich ihrer selbst bewusst.
Mit den Menschen verbindet sie Freundschaft, selbst den Abt des Klosters kann sie milde stimmen, wenn sie seinem Orgelspiel lauscht.
Doch in vielen Sagen in antiker Zeit, in denen sich Menschen und Wasserwesen begegnen, sei es in Spinnstuben oder in der Natur, gibt es schmerzvolle Abschiede, wenn Grenzen überschritten werden. Wird die mitternächtliche Stunde der Rückkehr nicht eingehalten, kehren sie nie wieder zurück. Manchmal zeigt sich eine rote Wasseroberfläche. Bei einem Liebesverhältnis kann es keine Erfüllung geben, nicht wie in der griechischen Mythologie können sich Götter und Halbgötter mit Menschen verbinden.

Die Frauenkapelle in Munderkingen

Das Wasser an besonderen Quellen und Brunnen wird als heilsam und heilend empfunden. In solcher Nähe ist man Heiligem nahe. Oft werden Kapellen errichtet, wie in Munderkingen auf dem Brunnenberg. Schon in alemannischer Zeit vermutet man dort ein Quellheiligtum, das Frauen mit Kinderwunsch aufgesucht haben.
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Schwangere Frau (Quelle: Stadt Munderkingen)

Dieses Bild befindet sich in der Ortskirche. Es zeigt „die Rond von Munderkingen“. Sie habe aus dem Brunnen getrunken und sei schwanger geworten, doch in ihrem Leib wuchsen Schlangen heran. Eine Prozession mit dem Priester zieht um Brunnen, wo sich noch die Schlange aufbäumt, ein beredtes Zeugnis für die Gefährlichkeit des heidnischen Kultes.
Beim Pflügen fand ein Bauer in der Nähe ein Marienbild. Er nahm es mit, doch es befand sich immer wieder an der Fundstelle. Diese Legende gab den Anstoß zum Bau einer Kapelle. Wie der unglücklichen Schwangeren konnte den Frauen die Marienverehrung helfen.

Narzissus im Blick
Unvergessen ist diese Gestalt der griechischen Mythologie in Kunst und Dichtung. Die Metamorphosen Ovids (43 v.Chr.-17 n. Chr.) beschäftigen noch heute Lateinschüler. Narzissus ist der Sohn einer Nymphe. Als er zum Jüngling herangewachsen ist, zieht er begehrliche Blicke auf sich. Die Nymphe Echo verliebt sich leidenschaftlich in ihn. Doch er weist sie ab. Sie verfällt in so großen Kummer, dass sie abmagert, bis sich ihr Skelett in Felsen verwandelt, von denen das Echo klingt.
An einer klaren Quelle löscht Narzissus seinen Durst und entdeckt sein Spiegelbild und ist voller Liebessehnsucht. Annäherung wird zum Entschwinden, irgendwann hat er die Unerfüllbarkeit seiner Sehnsucht begriffen. „Was ich begehr`, ist bei mir; zum Darbenden macht mich der Reichtum. O wie möchte ich so gern vom eigenen Leibe mich sondern!*
Es wächst seine Bereitschaft zum Sterben; auch das wird gemeinsam sein mit seinem Gegenüber. So entschwindet er und wird betrauert; in die Trauerrufe stimmt auch das Echo ein. Es bleibt von ihm die Narzisse.

Zusammenschau

Diese Auswahl von Brunnengeschichten reißt das breite Spektrum von Realität und Symbolik an, das durch die Kulturgeschichte zu verfolgen ist.
Der Blick in das spiegelnde Wasser bewegt innerlich etwas in uns. Narzissus zerstört sich, indem er sich von dem Spiegelbild nicht mehr abwenden kann. Die schöne Lau kennt diese Eigenschaften des Wassers offenbar nicht. Sie betrachtet sich staunend im geschenkten Spiegel, und das verhilft ihr dazu, sich selbst zu finden und ihre Traurigkeit zu überwinden.
Was die Orte betrifft, so sind manche stets Ziele gewesen des Wassers wegen. Doch viele wurden auch aufgesucht mit Wünschen und Hoffnungen, davon erzählen die Menschen. Auch wenn sich im Laufe der Zeit Naturerkenntnis und Sinngebung geändert haben, sind besondere Brunnenorte Ziele geblieben. Manche Menschen sprechen in neuer Sensibilität von „Kraftorten“.

Links:

Kloster Maulbronn
http://www.archaeologie-bw.de/welterbe/maulbronn.html

http://www.maulbronn.de/relaunch/d_800/html/kloster-geschichte.php


Hobbyhomepage:


Zum Blautopf :

Text von Eduard Mörikes „Historie von der schönen Lau“

Munderkingen:

Narzissus
Übersetzung von Ovids Meamorphosen
davon Zitat *)

Interpretation

Registrierte Heilquellen in Österreich mit den jeweiligen Gründungslegenden











 
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