Osterbrunnen
                              von Margret Budde

Um das Osterfest ranken sich viele Bräuche. Einige haben ihren Ursprung im christlichen Glauben wie das Palmstockbinden, das auf den Einzug Jesu in Jerusalem hinweist; andere haben auch einen weltlichen Bezug wie das Schmücken des Osterbrunnens.


Gelebte Bräuche
Bei allen Völkern und Kulturen der Welt nimmt die Pflege der ureigenen Bräuche für den Gemeinsinn einen hohen Stellenwert ein. Unter Brauch versteht man eine Handlung, die in bestimmter Regelmäßigkeit und Wiederkehr stattfindet und für eine Gruppe durch die Ausübung eine Bedeutung erlangt. Bräuche haben sich innerhalb eines festen sozialen Gefüges gebildet und haben einen zeitlichen Rahmen, in dem sie stattfinden. Sie zeichnen sich durch ihre umfangreichen Zeichen und Symbole aus, die den Teilnehmern bekannt sind.
Bräuche begleiten Jahreszeiten, religiöse und weltliche Festtage, Berufe und viele andere Begebenheiten, die sich für den Menschen als wichtig erwiesen haben.
Gelebte Bräuche vermitteln den Menschen Sicherheit und Geborgenheit.

Ursprung und Verbreitung

In der Fränkischen Schweiz wird der Brauch des Osterbrunnenschmückens schon seit Anfang des 20. Jh. beschrieben. Es wird als das Ursprungsland dieses Brauches angesehen. Aus Aufseß wird das Jahr 1909 angegeben. Im Bayreuther Umland soll laut Überlieferung schon Mitte des 19. Jahrhunderts der Brunnenschmuck zur Osterzeit üblich gewesen sein.
Um den historischen Hintergrund zu erhellen, sind viel Nachforschungen betrieben und etliche Berichte geschrieben worden. Aber niemand kann bisher eindeutig belegbare Beweise liefern. Zeitweilig wurden auch heidnische Überlieferungen angenommen. Zudem weiß man nicht genau, ob zuerst im Frankenland oder im benachbarten Thüringen die Menschen ihre kostbaren Wasserstellen geschmückt haben.
Inzwischen hat dieser schöne Brauch in vielen Städten und Gemeinden im Inland und Ausland, wie in Österreich und der Schweiz, Einzug gehalten zur Freude aller Beteiligten.

Grundgedanken
Bei der heutigen Selbstverständlichkeit, an fast allen Orten in Deutschland und zu jeder Zeit Trinkwasser zur Verfügung zu haben, geraten die Schwierigkeiten der Menschen von vor 100 Jahren leicht in Vergessenheit. Noch in den frühen Jahren des 20.Jahrhunderts legten die Menschen Brunnen an und mussten in den Bergregionen das Wasser mühsam zu ihren Häusern bergauf tragen. Daher ist es verständlich, dass dieses kostbare Gut, ohne das ein Leben nicht möglich ist, geschützt werden muss. Über besonders aufwändig errichtete Brunnen wurde zum Schutz auch ein Brunnenhaus gebaut.
Aus christlicher Sicht bezieht der Brauch seinen Ursprung aus dem Glauben an das Wasser des Lebens. Die vielen Brunnen-, Wasser- und Quellensymbole werden hier als Beweis angegeben. Der heidnischen Zeit schreibt man das Schmücken der Quellen und Brunnen zu Ehren der Quellgöttin oder der Frühlingsgöttin Ostera zu.

Osterbrunnen in Engelhardsberg
In Engelhardsberg ist das Schmücken der Osterbrunnen urkundlich im Jahr 1914 erwähnt. Hier ist es üblich, in den schlicht geschmückten Brunnen eine Tafel mit den Informationen zur Entstehung dieses Brauches aufzuhängen.
Darauf heißt es:
Am Gründonnerstag eines jeden Jahres beauftragte die Gemeinde zwei “Feger”, die Quelle am Wiesenthal - den einzigen Ort für sauberes Wasser - und das Umfeld zu säubern. Anschließend wurde ein geschmücktes Bäumchen aufgestellt. Als Lohn für diese wichtige Arbeit erhielten die Feger Eier von den Dorfbewohnern geschenkt. Beim Bau der örtlichen Wasserleitung 1914 wurden auch die drei neu errichteten Brunnen im Ort genau wie zuvor die Quelle geschmückt – zum Dank, dass sie nun keine Wassernot mehr zu befürchten brauchten. Traditionsgemäß werden in Engelhardsberg die Osterbrunnen erst in der Nacht zu Ostern mit einfachem Schmuck aus bunten Eiern und farbigen Papierbüscheln behängt.

Vorbereitungen und Schmücken
Als ein Brunnen noch das notwendige Wasser für die Menschen lieferte, musste er auch regelmäßig gereinigt werden. Dies wurde in den einzelnen Regionen unterschiedlich gehandhabt. Während die Reinigung eines Brunnens von Jungfrauen des Ortes vorgenommen wurde, die ihre Tätigkeit mit Gesang begleiteten, durfte keine männliche Seele anwesend sein, nach einem Bericht aus Thüringen.
In der Fränkischen Schweiz, so erinnern sich ältere Bürger, habe es bis Mitte des 20 Jahrhunderts noch eine ganz entgegengesetzte Arbeitsteilung beim Brunnenschmücken gegeben. Hier war das “Brunnenfegen”, also die Brunnen und Quellen vom Unrat zu befreien, die Aufgabe der jungen Männer, während die jungen Mädchen für das “Brunnenputzen” zuständig waren. Sie schmückten die frisch geschlagenen jungen Bäumchen mit bunten Eiern und zu Büscheln zusammengefügten Papierbändern, den Pensalas. Anschließend war es Pflicht der Burschen, das Bäumchen aufzustellen.

Osterbrunnen im Frankenland

Hier werden schon in der Woche vor Palmsonntag alle Vorbereitungen getroffen, um die herrlichen Brunnen oder andere Wasserstellen von Palmsonntag für drei Wochen im festlichen Schmuck erstrahlen lassen.
Viele Tage dauert das Binden der mehr als 80 m Girlandenbögen, die für einen durchschnittlichen Osterbrunnen benötigt werden. Kleine Fichtenreiser werden mit Bindedraht um einen dickeren Drahtkern gebunden und zu kunstvollen Bögen und Kronen zusammengefügt, die den gesamten Eier- und Papierschmuck tragen.
Heute lässt sich kaum eine Gemeinde im Frankenland die Gelegenheit entgehen, an markanten Punkten des Ortes einen geschmückten Osterbrunnen zu präsentieren.
Der Osterbrunnen in Bieberbach mit etwa 11 000 bemalten Eiern schaffte es sogar 2000, ins Guinessbuch der Rekorde zu kommen, was jährlich mehr als 30.000 Besucher innerhalb der drei Wochen anlockt.

Brauchtumspflege und Tourismus

Welcher Gedanke auch immer dahinter stehen mag, die Pflege dieses Brauchtums stellt für die Menschen eine große Bereicherung dar. Die zwischenmenschlichen Begegnungen können gepflegt werden, was der Gefahr einer Vereinsamung entgegenwirkt.
Inzwischen hat auch der Tourismus die Schönheiten der Osterbrunnen entdeckt und bietet unter anderem in Ebermannstadt Osterbrunnenwanderungen an. Dies gibt den Besuchern die Möglichkeit, bei einer Führung Informationen und Hintergründe des für diesen bestimmten Ort so wichtigen Ereignisses zu erhalten, meistens aus erster Hand.
Jedoch sollte man sich auch darüber Gedanken machen, ob nicht bei einer allzu großen Kommerzialisierung sowie durch sinnentfremdete Begleitangebote ein Brauch seines eigentlichen Sinnes beraubt werden könnte.

Osterbrunnen in Haselünne

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Haselünne 2006; Foto Don Bosco Schule

Seit 2006 werden auch in Haselünne, im fernen Emsland Brunnen und Pumpen festlich geschmückt. Als der Initiator dieser Idee, Dietmar Gotzhein, nach längerer Abwesenheit nach Haselünne zurückkam, brachten ihn die vielen Brunnen und Pumpen der Stadt auf die Idee, diese bedeutsamen Orte der Bevölkerung etwas mehr in den Blickpunkt zu rücken. Für ihn spielte Generationenübergreifendes Tun eine zentrale Rolle. So beteiligen sich jährlich Vereine, Gruppen, Privatpersonen und Schulklassen an dieser Gemeinschaftsarbeit.
Der zweite Grund war die Verbundenheit der Bevölkerung im christlichen Glauben.
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Haselünne 2006; Foto Don Bosco Schule

Daher das Schmücken zu Ostern, dem wichtigsten christlichen Fest, das das Wasser des Lebens besonders wieder in unsere Gedankenwelt rückt. Durch seine Lage an historisch wichtigen Handels- und Wasserstrassen kommt dem Wasser für Haselünne lebenswichtige Bedeutung zu. 16 geschmückte Brunnen und Pumpen sind inzwischen Blickfang und gern besuchte Orte zur Osterzeit in Haselünne.

Projekt der Don-Bosco-Förderschule

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Schülerarbeit; Foto Don Bosco Schule

Besonders erfreulich ist, dass mit Kindern aller Klassen der Don Bosco Schule in Haselünne dieses Thema ausgiebig bearbeitet wurde. Hier wurden nicht nur die Eier bemalt, sondern auch über das Sinnbild der Farben weiss und gelb gesprochen, mit denen sie die Bänder und Eier verzierten. Die Kinder der Haselünner Förderschule erhielten Einblick in die Welt des Wassers.
Das gemeinsame Arbeiten an diesem schönen Projekt hat ihnen nicht nur viel Hintergrundwissen vermittelt, sondern vor allem auch in der Zusammenarbeit Gemeinschaft erfahren lassen. 2006 schenkten die Schüler allen Besuchern der Haselünner Osterbrunnen ein gelungenes Gemeinschaftsprojekt. 2010 schmückten sie abermals mit großer Freude ihren Osterbrunnen.

Gedanken zu Bräuchen
“… Es wäre besser gewesen, du wärst zur selben Stunde wiedergekommen”, sagte der Fuchs. “Wenn du zum Beispiel um vier Uhr nachmittags kommst, kann ich um drei Uhr anfangen, glücklich zu sein. Je mehr die Zeit vergeht, um so glücklicher werde ich mich fühlen. Um vier Uhr werde ich mich schon aufregen und beunruhigen; ich werde erfahren, wie teuer das Glück ist. Wenn du aber irgendwann kommst, kann ich nie wissen, wann mein Herz da sein soll....Es muss feste Bräuche geben.” Erklärt der Fuchs dem kleinen Prinzen. (Antoine de Saint-Exupéry: Der Kleine Prinz, Karl Rauch Verlag Düsseldorf, 1951, S. 68)
“Was heißt 'fester Brauch'?” sagte der kleine Prinz.
“Auch etwas in Vergessenheit Geratenes”, sagte der Fuchs. “Es ist das, was einen Tag vom andern unterscheidet, eine Stunde von den andern Stunden. Es gibt zum Beispiel einen Brauch bei meinen Jägern. Sie tanzen am Donnerstag mit den Mädchen des Dorfes. Daher ist der Donnerstag der wunderbare Tag ...”

Links

Allgemeiner Text, der einen historischen Längsschnitt versucht

Claudia Schillinger hat den Brauch Osterbrunnen zu schmücken untersucht.

Osterbräuche in Thüringen – mit sorbischen Traditionen

 
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