Der Beruf Zimmerer
                                    von Bertram Wegemer
„Josef, der Vater von Jesus, war ein Zimmermann“, heißt es in der Bibel. Dass der Beruf etwas mit Holz, Gerüst und Dach zu tun hat, dass manchmal Wandergesellen in schwarzer Tracht  zu sehen sind und beim Richtfest vom Zimmermann ein Richtspruch gesprochen wird, weiß fast jeder zu sagen, wird nach dem Beruf des „Zimmerer“ gefragt.

Berufsbild früher
Aber was ein Zimmermann früher gemacht hat und welche Bedeutung der Beruf heute hat, ist nur wenigen bekannt. Ein Zimmerer oder Zimmermann - weibliche Bezeichnung heute Zimmerin -  ist ein traditionsreicher Beruf des Holzbaugewerbes. Die Mehrzahl lautet Zimmerleute.
Der Beruf des Zimmerers ist bestimmt einer der ältesten und traditionsreichsten in unserem Kulturkreis. Er gehört neben den Steinmetzen und Schmieden schon zu den frühgeschichtlichen Berufen und ist andererseits einer der modernen Bauberufe. Tradition und neuzeitliche Innovation liegen in kaum einem anderen Berufsfeld so eng beieinander.
Eine Hochzeit erlebte das Zimmererhandwerk im Mittelalter. Nicht nur bei der Errichtung großer Fachwerkhäuser waren die Zimmerleute „Innovationsträger“ der damaligen Gesellschaft, bei der Errichtung der großen romanischen und später gotischen Kathedralen spielten sie durch die Realisierung der Lehrgerüste, auf welche Kuppeln und Gewölbe gemauert wurden, eine entscheidende Rolle.

Berufsbild heute
In unserer Zeit ändert sich das Berufsbild des Zimmerers. Neben den traditionellen Holzkonstruktionen gibt es heute den Holzrahmenbau und den Ingenieursholzbau.
Neue Werkstoffe, Maschinen, Anlagen und Verfahren fließen in die Tätigkeit ein. Der zukunftsorientierte Wandel zeigt sich im Einsatz modernster Planungs- EDV und CNC- gesteuerter Produktionsanlagen.
Dagegen steht der gesamte Bereich des Erhalts denkmalgeschützter Bausubstanz. Die Restaurierung von Kulturdenkmälern, vor allem in den Innenstädten ehemaliger mittelalterlicher Zentren, stellt eine große Herausforderung dar. Auf der einen Seite gilt es, die historischen Gegebenheiten zu verstehen und alte Gebäude fachgerecht instand zu setzen, auf der anderen Seite in Strukturen moderner Wohnnutzung einzubinden. Das Arbeitsgebiet umfasst die Sanierung alter Bausubstanz, neuerdings die so genannte „energetische Sanierung“, das heißt alte Bausubstanz den modernen Anforderungen anzupassen
Weiterhin alle Bauwerke, welche aus Holz erstellt werden können: Carports, Garagen, Hütten, Gartengestaltung mit Pergolen und Holz-Terrassen, Wintergärten, aber auch im Innenausbau Treppen, Fußböden, Verkleidungen.

Die Ausbildung heute
Die Ausbildung in Deutschland ist im Handwerk generell im so genannten Dualen System organisiert, das heißt der Auszubildende besucht eine Berufsschule und arbeitet im Ausbildungsbetrieb.
Im Bauhandwerk ist eine einjährige Vollzeitschule eingerichtet, in der das erste Lehrjahr als Berufgrundbildungsjahr absolviert wird. Im 2. und 3. Lehrjahr besucht der Lehrling in Zeitblöcken von 2 bis 4 Wochen die Berufsschule und Kurse zur überbetrieblichen Ausbildung. Nach 3 Jahren wird die Ausbildung mit der Gesellenprüfung abgeschlossen. Danach besteht die Möglichkeit, über Fortbildungskurse Polier-, Meister- oder Technikerausbildung zu absolvieren. Bei entsprechenden schulischen Voraussetzungen, welche unter anderem mit diesen Abschlüssen erworben werden können, steht auch ein Studium der Baustatik oder Architektur offen.
Der Weg zum selbstständigen Handwerker erfordert nach der deutschen Gewerbeordnung nach wie vor den Meistertitel.

Anforderungen
Trotz aller moderner Technologie steht die körperliche Arbeit auf der Baustelle im Mittelpunkt der Tätigkeit des Zimmerers. Körperliche Fitness, Belastbarkeit und Schwindelfreiheit gehören ebenso dazu, wie die Bereitschaft, zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter im Freien zu arbeiten. Daneben fordert die Tätigkeit aber auch die Fähigkeit, nach Bauplänen zu arbeiten, Zusammenhänge zu erkennen und umzusetzen.

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Umfangreiche theoretische Kenntnisse sind hierfür unerlässlich. Nicht zuletzt muss ein guter Zimmerer oder Zimmerin – es gibt nur wenig Frauen in diesem Beruf - im hohen Maße teamfähig sein, denn die Arbeit kann nur gemeinschaftlich erledigt werden.
War früher die Arbeit stark saisonal von der Witterung abhängig, das heißt im Sommer viel Arbeit und im Winter Ruhe, wird heute durch Werkhallen und Tätigkeiten im Innenausbau eine ganzjährige Beschäftigung angestrebt.
Nicht zu verschweigen ist allerdings auch das Unfallrisiko, das bei aller moderner Technologie und Unfallprävention besteht. Nicht umsonst sind Zimmerleute neben Maurern, Dachdeckern und Gerüstbauern bei der Berufsgenossenschaft mit dem höchsten Risikozuschlag versichert.

Traditionen
In kaum einem anderen Handwerk lebt die Tradition so stark wie bei den Zimmerleuten. Ihr Arbeitskleid, die so genannte Kluft, ist aus schwerem, schwarzem Manchesterkord. Sie wird heute weitgehend von allen Zimmerleuten so getragen:
Eine Arbeitshose mit weitem Schlag, eine Weste, ein Jacket ein weißes Bisenhemd, die so genannte Staude. Der breitkrempige Schlapphut schützt vor Wind und Wetter, war aber im Mittelalter auch das Zeichen des freien Mannes; Knechte, Leibeigene und Arbeiter durften nur Mützen oder Kappen tragen. Die Koppel ziert ein Schloss mit dem Zunftzeichen der Zimmerer: Axt, Winkel, Säge und Zirkel.

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Richtfest


Auch leben noch Traditionen wie das Richtfest mit zünftigem Richtspruch, der Zimmererklatsch oder eigene Lieder. Hier ein Beispiel eines allgemein gehaltenen Richtspruches, der neben den Segenswünschen für die Bauherrschaft und das neue Haus auch unverhohlen den Stolz auf die eigene Arbeit ausdrückt. Oft werden auch individuell auf das jeweilige Projekt Sprüche verfasst, immer aber in Reim und Versform, oft auch etwas launig bestimmte Ereignisse karikierend.

Mit Gunst und Verlaub
Verhallet sind des Beiles Schläge,
verstummt ist die geschwätzige Säge;
drum preiset laut der Zimmermann
– so gut wie er es eben kann –
den herrlich schönen, stolzen Bau,
der sich erhebt zum Himmelsblau,
der unter unseres Meisters Hand
zu aller Freude hier erstand.

Nun müssen andre noch vollenden
den Bau, mit kunstgeübten Händen,
das Innere sorgsam schmücken aus,
dann wird´s fürwahr ein prächtig´ Haus.
Mög’ Eintracht und Zufriedenheit
darinnen herrschen allezeit.
Mög´ Lieb´ und Freundschaft schwesterlich
am heim´schen Herd begegnen sich.

Mög´ Gott in diesem Hause sein! –
Darauf trink ich den Becher Wein.
Dem Bauherrn, seiner Familie
und allen Anwesenden

ein dreifaches Hoch! Hoch! Hoch!

Die Walz
„Auf du junger Wandersmann, jetzt so kommt die Zeit heran, die Wanderszeit, sie bringt uns Freud….“. Dieses alte deutsche Wanderlied steht für eine lange Reihe von Wanderliedern, die unmittelbar mit dem Fakt zu tun haben, dass bestimmte Handwerksberufe früher Wanderberufe waren. Eine alte Tradition besagte, dass ein Gesell gewandert sein muss, das heißt fremde Verhältnisse und Umstände kennen gelernt haben muss, bevor er in der Lage ist, einen eigenen Betrieb zu führen und andere anzuleiten. Denn nur die Erfahrungen in der Fremde, das bezog sich auf das Gewerke selbst wie die Lebenserfahrung überhaupt, war die Voraussetzung, in seinem Beruf anerkannt zu werden. So heißt es in dem Lied weiter „... Den soll man als Gsell’ erkennen oder gar ein' Meister nennen, der noch nirgends ist gewest nur gesessen in sei’m Nest?“
Bei dem Zimmermannsberuf nahm die Walz früher eine besondere Stellung ein, und zentrale Regeln gelten auch noch heute für den, der auf die Walz geht. 

Althergebrachte Regeln
Dort herrschen ganz eigene alt-hergebrachte Regeln und Gesetze. Der wandernde Geselle darf nicht älter als 30 Jahre und muss ledig sein – das gilt auch für die wenigen sich auf der Walz befindlichen Zimmerinnen. Er/sie wandert 3 Jahre und einen Tag, darf dem Heimatort nie näher als 50 km kommen, soll sich nicht zu lange bei einem Meister (Krauter) aufhalten, und vieles mehr. Es gibt vor allem strenge Verhaltensregeln, Benimmvorschriften, Begrüßungs- und Verabschiedungsrituale, Kleider- und Verhaltensvorschriften, wie zum Beispiel, dass die Kluft immer sauber und ordentlich gehalten sein soll.

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Abschied von der Herberge, Gemälde Koch


Die meisten „Fremden“ oder „Fremde Freiheitsbrüder“, wie sich die wandernden Gesellen selbst nennen, sind in so genannten Schächten organisiert und pflegen untereinander regen Austausch. Sie sind nicht mit den mittelalterlichen Zünften zu verwechseln, die Standesorganisationen waren. Diese Schächte unterhalten eigene Unterkünfte, die so genannten Herbergen zur Heimat. Zurzeit geht man von mehren 1000 wandernden Gesellen im deutschsprachigen Raum aus.

Zünfte früher - Innung heute
Ab dem 12. Jahrhundert schließen sich Handwerker in den mittelalterlichen Städten zu Zünften zusammen. Die Wahrung gemeinsamer Interessen und die Kontrolle des Marktes sind die zentralen Anliegen. Nur wer nach strengen Kriterien in eine Zunft aufgenommen wird, darf dann auch ein Handwerk ausüben. Die Macht der Zünfte hält sich durch das gesamte Mittelalter,  erst die französische Revolution und die beginnende Industrialisierung lässt die Bedeutung der Zünfte schwinden, der Zunftzwang wird aufgehoben.
Als Nachfolger der Zünfte können die heutigen Innungen angesehen werden, die im Gegensatz zu den gesetzlich verankerten Handwerkskammern freiwillige Zusammenschlüsse von Handwerkern darstellen. Ihre Aufgaben sind neben gemeinsamer Interessenvertretung und Werbung vor allem - gemeinsam mit den Handwerkskammern - die Organisation und Durchführung überbetrieblicher Ausbildung für die Lehrlinge und die berufliche Weiterbildung.

Des Zimmerers Reiselied
Wohlan, Zimmermann, schau in die Welt,
zieh wandernd durch die Länder!
Fehlt es dir an Hab' und auch an Geld,
sie sind unnütze Blender.
Ich bin ein freier Zimmermann,
der überall hingehen kann.
wo mir die Welt gefällt, wo mir die Welt gefällt.
Wohlan, Zimmermann, Holz her dem Glück!
Zieh auf die Hölzer alle,
richte auf den Stuhl flink Stück für Stück
mit einem kräft'gen Schalle:
Ich bin ein freier Zimmermann...
Wohlan, Zimmermann, hoch ist die Welt
vom First zur Erde nieder.
Ist's Richtfest bestellt und dazu das Geld,
dann singe deine Lieder:
Ich bin ein freier Zimmermann...
Wohlan, Zimmermann, hineingestellt!
Die Welt ist frei und offen
trotz Mangel an Geld. Was der Meister freihält,
wird dann erst recht versoffen.
Ich bin ein freier Zimmermann...
Wohlan, Zimmermann, genug getan!
Geh nach Haus in deine Heimat.
Lach ein Mädchen an, das kochen kann
und auch eine Aussteuer hat.
Ich bin ein freier Zimmermann...
Wohlan, Zimmermann, kommt's Alter dann,
setz dich zur letzten Ruh'.
Bedeckt dich das Grab, mit dem Wanderstab
reis' du dem Herrgott zu!
Ich bin ein freier Zimmermann,
der auch in' Himmel kommen kann,
wo mir's bestimmt gefällt,
wo mir's bestimmt gefällt.


Links

Die Zimmerleute

Auf der Walz

Das Richtfest

 
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