51 - Handwerk arrow 51 - Handwerk arrow Vergangenheit arrow Das alte Möbelhandwerk
Das alte Möbelhandwerk

                                     von Lore Wagener

Die frühen Möbelmacher hatten in Deutschland viele Namen. Je nach Region nannte man sie Tischler, Schreiner, Kistler, Kontormacher oder Schnitker. Sie galten als „junges" Handwerk, weil sich Ihre Zünfte erst im 13. Jahrhundert bildeten.

Möbelkunst im Alten Orient
Dabei gab es Möbelmacher schon seit mehreren tausend Jahren. Ihre hölzernen Originale haben die Jahrtausende zwar nicht überdauert. Aber auf antiken Wandbildern, Reliefs oder bemalten Vasen findet man Abbildungen von Stühlen, Tischen, Liegen oder Truhen, die auf eine hohe Kunstfertigkeit schließen lassen. Gezeigt werden vorwiegend Palastmöbel, die vermutlich auch kultischen Zwecken dienten. Sie waren sehr prunkvoll mit Einlegearbeiten aus Elfenbein oder gedrechselten Löwenfüßen. Die alten Ägypter kannten um 2900 vor Christus auch schon die Furniertechnik.

Image
ägyptische Schreine; Pressefoto


Ein Glücksfall für die Forscher war das Grab des Tutanchamun in Ägypten. Dort fanden sich noch originäre kleine Holzmöbel, die sehr fein gearbeitet und elegant waren. Ähnliche  Formen finden sich auf den Abbildungen der alten Griechen und der Etrusker wieder.

Möbel im frühen Europa

Römische Holzmöbel fanden die Archäologen kaum. Die italienische Halbinsel ist ja ziemlich waldarm. Holzmöbel waren dort vermutlich Luxus. In Herkulanum und Pompeji fand man aber antike Möbel aus Stein und Bronze, zum Beispiel prunkvoll gearbeitete Liegen oder kleine Tische. Sie zeigten, dass die Römer die griechischen Formen mit diesen Materialien weiter entwickelt hatten. Nach der Teilung des römischen Reiches verlagerte sich der Schwerpunkt dieser alten Möbelkunst in das byzantinische Reich. Dort mischten sich antike, orientalische und asiatische Einflüsse, und es entstand prachtvolle Kunst, die auch die Möblierung umfasste.
Im nördlichen Europa dagegen, wo sich nun die germanischen Reiche entwickelten, waren die Herrschenden genügsamer. Karl der Große, in Rom gekrönt, förderte zwar die Baukunst aus Stein, die er dort gesehen hatte. Doch er und die übrigen karolingischen und ottonischen Fürsten begnügten sich mit wenigen einfachen Holzmöbeln in ihren Pfalzen.

Möbel der Romanik
In der Frühzeit machten die Zimmerleute alles. Sie bauten die obligatorischen hölzernen Wohnhäuser und stellten mit ihren traditionellen Werkzeugen, wie Breitbeil, Queraxt und Ziehklinge, auch die Möbel her, die also praktisch verkleinerte Zimmermannsarbeiten waren. Diese aus dicken Brettern gezimmerten Möbel hatten große glatte Flächen, waren wuchtig und - bis auf die Stühle und Tische - fest mit dem Haus verbunden. Es gab Wandregale, Klapptische, Betten und verschiedene Arten von Bänken, zum Beispiel die Ofenbank. Truhen wurden ursprünglich mit der Axt aus dem ganzen Baumstamm geschlagen. Die schweren Möbel waren oft mit Drechslerarbeit versehen oder bekamen Schnitzwerk. Vielfach waren sie mit dem romanischen Rundbogen verziert.

Image
Detail Oseberg; Foto Karameli CC


Aus der Frühzeit gibt es auch hier einen berühmten originären Fund, das „Oseberg-Schiff": In Norwegen fand man das Totenschiff einer Wikinger-Königin aus dem 9. Jahrhundert, Bett, Truhe und Stuhl der Königin waren noch erhalten.

Möbel der Gotik
Image
Gotische Truhe; Foto JoJan CC


Die Ansprüche erhöhten sich mit dem wachsenden Wohlstand des städtischen Bürgertums. Dessen Wünschen nach einem repräsentativen Mobiliar konnten die Zimmerleute „mit der kleinen Axt" nicht mehr folgen. So gingen nun die Schreiner oder Tischler mit dem Hobel ans Werk. Diese nahmen die antike „Rahmen-Füllungs-Bauweise" wieder auf, die eine tragende Konstruktion aus festen Rahmen und leichtere Füllwände konzipierte. Das gab den Möbeln eine neue Struktur und entsprach auch der gotischen Bauweise mit ihrem stabilen Pfeilerwerk und ihren grazilen Fensterwänden. Elemente der gotischen Baukunst, wie Maßwerk, Krabben, Spitzbogenarkaden und figurale Motive, finden sich in den gotischen Möbeln wieder. Es entstanden immer bessere Werkzeuge und Techniken: Die neuen Sägemühlen produzierten dünnere Bretter, die Hobeltechnik ließ anspruchsvollere Ornamente zu. Typisch war das „Faltwerk" spätgotischer Möbel, eine Art hölzerner Leinenstruktur, die mit dem Profilhobel erzeugt wurde.

Die Schreinerzünfte entstehen

Image
Tischler 19.Jh.


Die Spezialisierung brachte die neuen Möbelmacher dazu, sich von den alten Verbänden zu lösen und eigene Tischler- oder Schreinerzünfte zu gründen. In Ostdeutschland nannten sie sich meist Tischler, in den übrigen Gebieten Schreiner. Die ersten Schreinerzünfte spalteten sich um 1400 von den Zimmermannszünften ab. Es gab zu Anfang noch mehr spezielle Berufsbezeichnungen. In Lübeck waren in alten Urkunden noch „Kuntormaker", „Panelenmaker" oder „Kistenmaker" aufgeführt. Es gab auch noch die Schnitker und die Drechselschreiner. Vielfach waren die Schnitker und Kontormacher in den Zünften tonangebend und entzogen sogar den Kistlern die feineren Arbeiten. Es gab also mancherorts schon eine Arbeitsteilung in handwerkliche und künstlerische Tätigkeiten. Die Zunftgründung war - trotz mancher Querelen -  für alle Beteiligten nützlich, denn so konnten die neuen Organisationen die Privilegierung ihrer Geräte, Methoden oder Produkte erreichen.

Die Renaissance

Image
Truhe 15.Jh.


In der Renaissance setzte sich die Abgrenzung zwischen einfacheren und universellen Handwerkern fort, weil neue Techniken und Werkstoffe Spezialkenntnisse erforderten. Die Epoche der Renaissance begann im 15. Jahrhundert in Florenz und erfasste im Verlaufe des 16.Jahrhunderts alle europäischen Länder. Sie sah ihr Vorbild in der Kunst der Antike und entdeckte deren „Säulenordnung" neu. Diese antike Proportionslehre wurde nun nicht nur auf die Baukunst, sondern auch auf den Möbelbau übertragen, so dass manches  Möbel wie eine "verkleinerte Architektur" aussah. Säulen, Pilaster, Gesimse, Sockel, Friese, Figuren, Medaillons, also antike architektonische und plastische Elemente, aber auch der antike Sinn für klare Verhältnisse im Aufbau und in der Gliederung, finden sich in den Möbeln der Renaissance wieder. Als besondere Möbeltypen tauchen zum Beispiel das Himmelbett mit Säulenpfosten oder der Schreibschrank auf - und es gab wunderschöne Schränke.

Kunst-Handwerk
In der Renaissance bekamen teure Möbel oft den Charakter eines Kunstwerkes. Es gab bereits Künstler, die Entwürfe zu Möbelstücken lieferten, sich aber an der Ausführung nicht beteiligten. Berühmt war der Nürnberger Peter Flötner, der etwa von 1485 bis 1546 lebte. Flötner war Bildhauer, Goldschmied, Kunstschreiner und Zeichner und arbeitete nach Studien in Italien ab 1522 in Nürnberg. Er hatte durch zahlreiche Entwürfe für Architekturteile, Innenausstattungen und Möbel großen Einfluss auf das Kunsthandwerk seiner Zeit sowie auf den Durchbruch des Renaissance-Stils in Süddeutschland. Er verbreitete die Grundideen der Säulenordnung und der Proportionslehre sowie neue Zierformen über alle Grenzen hinweg. Neu war, dass die reichen Auftraggeber aus Adel und Patriziat aus seiner Vorbild- und Vorlagen-Literatur das Aussehen ihrer Möbel mitbestimmen konnten. Auch die Stiche von Albrecht Dürer, der einige Zeit in Italien verbracht hatte, trugen zur Verbreitung des neuen Stils bei.

Die Ebenisten

Image
Furnierstapel; Foto Tórizs CC


Die alte Technik des Furnierens erlebte In der Renaissance eine neue Blütezeit. Sie wurde benutzt, um weniger wertvolles Holz mit einem edlen Blattholz zu verleimen. Die Herstellung selbst kleiner Mengen Furnier war damals so aufwändig, dass die furnierten Möbel nur reichen Leuten vorbehalten blieben. Wenn dann noch Furniere aus wertvollen Tropenhölzern verarbeitet wurden, konnten sie oft nur von den Herrscherhäusern bezahlt werden. Das Ansehen der Ebenisten, der Kunsttischler, die„mit dem „Ebenholz" arbeiteten, war entsprechend hoch. In den Zeiten von Spätrenaissance, Barock und Rokoko waren Ebenisten die Hofhandwerker der französischen Könige. Sie hatten ihre eigene Zunft, unterlagen aber keinem Zunftzwang. Sie besaßen meist große Werkstätten, in denen sie gerne zünftige Gesellen beschäftigten. Ihre Kreationen - nach dem jeweiligen König benannt - waren über lange Zeit Vorbild für die Kunsttischler an allen Fürstenhöfen Europas.

Einfache Gebrauchsmöbel

Image
Volkskundemuseum Wien


Die städtischen Meister bekamen die lukrativeren Aufträge von der nur kleinen Oberschicht ihrer Stadt. Die meisten von ihnen mussten daher ihr Auskommen in der Herstellung einfachster Gebrauchsmöbel suchen, von denen heute so gut wie gar nichts erhalten ist. Anders war es auf dem Lande. Der langsam steigende Wohlstand der bäuerlichen Bevölkerung und die Nachfrage der ländlichen Honoratioren nach schickeren Möbeln verschafften den „Landmeistern" ihr Auskommen. So konnten sie eigene, stark regional geprägte Möbel entwickeln, sofern die Kapitalkraft ihrer Kunden dies zuließ. Davon zeugen besonders die unterschiedlichen Bauernschränke. Die Landmeister unterlagen zwar nicht dem Zunftzwang, doch hielten sie sich an dessen Hierarchie von Meister, Geselle und Lehrling und an die städtischen Vorbilder. So beachteten sie zum Beispiel auch die Proportionslehre. Heute kann man landestypische bäuerliche Gebrauchsmöbel in Freilicht- oder Volkskundemuseen bewundern.

Link
Möbelstile

Tischler Schreiner Ebenisten

Alte Meister der Möbelkunst

Die Geschichte des Furniers

Tutanchamun-Ausstellung in Hamburg


Die mit CC gekennzeichneten Bilder wurden unter den Bedingungen der Creative Commons „Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported“ Lizenz veröffentlicht. Die übrigen Bilder sind gemeinfrei.


 

 
< zurück   weiter >