Glasmacher

                                     von Anne Pöttgen
Wie bei vielen Handwerken reicht auch die Geschichte des Glasmachens weit zurück. Über Rom, Byzanz, Murano bis in die deutschen Wälder.  

Ferne Vergangenheit

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Frühes ägyptisches Gefäß (1)

Zugegeben, dieser Becher sieht zwar schön aus, hat aber nicht die Zartheit, die wir bei Glasgefäßen kennen und schätzen. Die Gefäße wurden so hergestellt, dass man um einen Keramikkern herum erweichte Glasstäbchen wickelte, oder ihn in Glas tauchte. Der Kern wurde anschließend herausgekratzt. Die Kunst des Glasierens bei Keramiken war längst bekannt und führte wahrscheinlich zu dieser neuen Technik.
Leichter war natürlich die Herstellung von Glasperlen, die ältesten sind aus dem nördlichen Irak, aus einer Grabung nahe Kirkuk bekannt. Sie werden in die Zeit Mitte des zweiten Jahrtausend v. Chr. datiert.

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Diatretglas (2)

Aus römischer Zeit sind die Diatretgläser bekannt. Zu dieser Zeit wurde Glas in zwei Arbeitsgängen hergestellt, zunächst das Rohglas, das auch über weite Strecken transportiert wurde hin zu den Werkstätten, die die endgültigen Gefäße formten.
Inzwischen waren der Glasschmelzofen und die Glasmacherpfeife erfunden worden, Flach- und Hohlglas konnten hergestellt werden.

Mittelalter
Neben vielen anderen Handwerkskünsten geriet auch die Glasmacherkunst am Ende der Antike in Vergessenheit. Über Byzanz kam sie nach Venedig und von dort in die nordischen Wälder. Im ganzen Mittelalter waren die Glashütten im Eigentum der Kirche insbesondere der Klöster und irgendwann begann die Zeit der wundervollen Kirchenfenster. Farblose oder einfarbige Gläser wurden mit Schmelzfarben bemalt und anschließend in Schmelzöfen bei 550 bis 640 Grad gebrannt. Die Glasteile wurden durch Bleiruten, also Bleistege, verbunden.

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Glasmacher bei der Arbeit
 

Wissenschaftlich sind Erfindung und Verarbeitung des Glases nicht einwandfrei belegt. Das hängt damit zusammen, dass die Glasmacher auf größte Geheimhaltung ihrer Kunstfertigkeit achteten. Besonders streng ging es in Venedig zu. Die Glaswerkstätten wurden auf die Insel Murano verlegt und die Glasmacher lebten dort als esoterische Gemeinschaft. Abwanderung war ihnen verboten und Verrat technischer Geheimnisse wurde mit hohen Strafen geahndet.

Was ist das - Glas?
Laut Lexikon ein homogener nicht kristalliner spröder Körper von hoher Lichtdurchlässigkeit. Oder: Glas ist ein anorganisches Schmelzprodukt, das abgekühlt ist, ohne zu kristallisieren. Es besteht aus wenigen Grundstoffen: Sand -  Siliziumdioxid, Soda - Natriumcarbonat, oder Pottasche - Kaliumcarbonat - und Kalkstein - Kalziumcarbonat.
Um aus diesen Stoffen das durchsichtige Glas zu gewinnen, bedarf es eines Ofens, in dem bis zu 1.700 Grad Hitze erzeugt werden kann. Die Öfen waren dreiteilig, unten der Feuerofen, darüber die Gefäße mit dem Glasgemenge, die Häfen, und dann der Kühlofen, in dem die fertigen Gefäße abkühlen konnten.

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Der Schmelzvorgang konnte Tage dauern, da die nötige Hitze oft nicht erzeugt werden konnte. In der Zeit waren die Glasmacher zum Nichtstun verurteilt, andererseits musste anschließend das einmal geschmolzene Glas ununterbrochen verarbeitet werden, bis die Häfen leer waren.

Waldglas
Glashütten entstanden dort, wo alle Rohstoffe vorhanden waren. Sie bestanden so lange, wie es genügend Holz gab, dann wurden sie aufgegeben und die Glasmacher zogen weiter. Das gab den Glasmachern eine große Selbstständigkeit.
Oberhaupt der Gruppe war der Meister, ihm halfen die Einbläser und die Anfänger, die letzten in der Reihe, die Einträger waren lediglich für das Verbringen der fertigen Ware in den Kühlofen zuständig. Sie waren sozusagen die Lehrlinge, die erst nach langen Jahren in der Hierarchie aufstiegen. Der Einbläser holte mit der Pfeife einen Batzen, den Kölbel, aus der flüssigen Glasmasse und blies ihn auf. Fertig gestellt wurde das Stück durch den Meister. Der Anfänger reichte ihm weitere Glasbatzen, mit denen er das Glas oder die Flasche verzierte.

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So genannter Krautstrunk (3)


Das Waldglas wird auch Grünes Waldglas genannt, wegen der durch Eisenoxyd verursachten grünen Farbe. Ein weiteres Kennzeichen sind winzig kleine Bläschen.

Böhmisches Glas
Der Begriff Böhmisches Glas ist eigentlich ein Sammelbegriff, es kam und kommt nicht nur aus Böhmen sondern auch aus Mähren und Schlesien. Es wird vermutet, dass in den östlichen Waldgebieten schon seit dem 11. Jahrhundert Glas erzeugt wurde. Ein eigener Stil beginnt jedoch erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Zeit des Grünen Waldglases, so wird auch eine Epoche der Glasherstellung bezeichnet, ging zu Ende.

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Die Formen wurden anspruchsvoller, durch Beimischungen wurde weißes Glas erzeugt und durch Zugabe von Farbe entstanden die bekannten böhmischen Gefäße. Damit nicht genug, es wurde versucht Bergkristall nachzuahmen, um Muster ins Glas zu schleifen, so wurde das Kristallglas erfunden, durch Beimischung von Kreide.
Über die böhmischen Glasmacherdynastien, die den Ruhm des böhmischen Glases begründeten, gibt es viel Literatur, auch im Internet.

Glashütten
Die Glashütten waren Werkstätten, in denen viele Handwerker zusammen arbeiteten. Der Hüttenmeister war das Oberhaupt einer Gruppe von manchmal bis zu 20 Familien. Zu den Glasmachern gehörten nicht nur die, die tatsächlich das Glas herstellten. Auch zahlreiche andere Handwerker fanden Lohn und Brot: der Schmelzer mischte die Rohstoffe zum Gemenge und war für das Gelingen der Schmelze verantwortlich. Der Ofen musste gebaut werden - vom Hafenmacher, die Öfen mussten beheizt werden, die richtige Temperatur war wichtig, und für das Holz waren die Holzfäller zuständig.
Die Glasmachen waren seit alters her dafür bekannt, dass sie nicht allzu treu zu ihren Glasmeistern hielten. Wenn ihnen etwas nicht passte, zogen sie weiter zur nächsten Hütte. Das mussten auch noch die großen ortsfesten Glashütten des neunzehnten Jahrhunderts erfahren, die daher mit der Bereitstellung von mietfreiem Wohnraum dafür sorgten, dass die Fabrikation nicht lahm gelegt wurde.

19. Jahrhundert
Das Jahrhundert der industriellen Revolution ging auch am Glasmachen nicht vorbei. Es bestand Bedarf an preiswertem Glas: Fensterglas, Hohlglas wie Flaschen und Gläser oder Spiegelglas. Wein wurde zunehmend nicht mehr in Fässern versandt sondern in Flaschen, ebenso das beliebter werdende Mineralwasser. Es entstanden zahlreiche neue Glashütten, die bestehenden wurden ausgebaut.

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Turmhütte


Die früher übliche Trübung bei einfachem Glas wurde durch Entfärber entfernt und das machte das Glas zu einer farblosen, durchsichtigen Flüssigkeit. Nach wie vor war die Glasmacherpfeife das wichtigste Handwerkszeug des Glasmachers. Nach wie vor holte er mit der bis zu 1,20 Meter langen Pfeife den Kölbel aus dem flüssigen Glas, ließ ihn in die erforderliche Form, etwa die für eine Flasche, fließen und begann, die Glasmasse in dieser Form aufzublasen. Und nach wie vor stand er dabei in der Nähe der bis zu 1.700 Grad heißen Glasmasse. Nach wie vor aber auch war er ein selbstständiger Handwerker.

Anfang der 20. Jahrhunderts

Welch eine Erleichterung, nicht mehr in der schrecklichen Hitze zu arbeiten! In Amerika wird vom Glasmacher Owens die Saugblasmaschine erfunden, die mechanisch die Arbeit des Glasmachers übernimmt. Aber welcher Preis: Bisher konnte ein Flaschenmacher mit zwei Gehilfen in einer Achtstundenschicht ungefähr 225 bis 250 Flaschen blasen, die vollautomatische sechsarmige Owens-Maschine und zwei angelernte Kräfte schafften 1904 in einer Achtstundenschicht 4.800 bis 9.600 Flaschen.

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IS-Maschine


Im Jahre 1907 wurde diese Maschine in der Gerresheimer Glashütte, Düsseldorf, der  größten Glashütte Europas eingeführt. Allerdings wurde nur die Hälfte der Produktion mit Hilfe der Maschine erzeugt, Spezialgläser wurden weiterhin auf traditionelle Weise erzeugt. Für die Flaschenerzeugung gab es bereits vorher Halbautomaten, deren Beschickung noch manuell erfolgte, allerdings nur durch angelernte Arbeiter. Der Handwerker war zum Fabrikarbeiter geworden.

Jetzt
Heutzutage gibt es eine dreijährige Ausbildung, die zu einem sehr vielfältigen Beruf führt. In Deutschland gibt es weiterhin Glashütten, die erstklassige Gläser für den gehobenen Bedarf herstellen, ebenso werden Spezialgläser für optische und medizinische Zwecke hergestellt, erinnert sei an das „Jenaer" Glas. Auch Gerresheimer Glas, Düsseldorf, gehört zu den führenden Herstellern solcher Glasinstrumente, die Betriebsstätte Gerresheimer Glashütte ist allerdings seit 2005 geschlossen, die zuletzt noch Beschäftigten arbeitslos. Einfache Glaswaren werden heutzutage in China hergestellt.
"Boddels för Bier, für Schluck on för Saft, für den Saft der rheinischen Reben", so hießen die Erzeugnisse der Gerresheimer Glashütte im Hötter Platt, der eigenartigen Sprache der Glasmacher, die aus allen Teilen Deutschlands, Polens und Russlands stammten und ihre eigene Sprache, das Hötter Platt, sprachen.

Links


Geschichte des Glases, Zeittabellen

Böhmisches Glas

Glasmacherfamilien

Wie eine Flasche entsteht

Ausbildung Glasmacher

Quellen:
Texte aus Gerresheimer Glas, Bruno Kammann, Klartext Verlag Essen, 2007

Bilder mit Lizenz CC
Fotografen:
Bild mit der Ziffer 1 Einsamer Schütze

Bild mit der Ziffer 2 Mattias Kabel
Bild mit der Ziffer 3 Vetraia

 
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