Die Sprache als Kulturform
                                     von Elisabeth Grupp
Die Sprache ist eine Form, um sich anderen Menschen mitzuteilen und sich auszudrücken.
Schon im Mutterleib wird dem werdenden Kind durch Schwingungen signalisiert, welche Sprache die Mutter spricht, deshalb spricht man von „Muttersprache".
Entwicklungen
Das Kind lernt die Sprache seiner Eltern. Später im weiteren Umfeld wie Kindergarten und Schule orientiert es sich an anderen Menschen. Dadurch ist die Sprache in Bewegung.
Aus diesem Sprachfluss entstanden seit dem sechsten Jahrhundert vom Süd- zum Nordgefälle Sprach-Dialekte. Allein in den verschiedenen Regionen Deutschlands sind über 20 unterschiedliche Dialekte verankert. Sie alle bauen auf den Grundformen der deutschen Sprache auf, sind aber trotzdem in Klang, Aussprache und Wortvielfalt grundverschieden.

Gründung des Südweststaates
Da ich vom badischen Ländle komme und später ins schwäbische Musterländle geheiratet habe, lege ich mein Augenmerk auf diese zwei Mundarten.
Schon mit der Muttermilch saugt man die badische Zugehörigkeit ein und sollte ein schwäbischer Laut das Ohr erreichen, wird die Flucht angestrebt.
Warum diese angeborene Abneigung von Seiten der Badener besteht, konnte nicht genau ermittelt werden.
Voll zum Tragen kam diese Aversion, als 1952 über eine Verbindung der beiden Länder abgestimmt wurde. Die Badener, die bei diesem Vorgang überstimmt wurden, gründeten die Altbadener Bewegung, die über das Bundesverfassungsgericht eine nochmalige Abstimmung erwirkten.
Somit durfte Baden 1962 alleine abstimmen.
Da die Verbindung der Länder sich in zehn Jahren etabliert hatte und viele der Altbadener in dieser Zeit gestorben waren, endete die Wahl als Niederlage. Der Südweststaat war endgültig besiegelt.
Es wurde vereint, was nicht zusammen gehören wollte.

Schwabenstrophe im Badnerlied
Wem heute fern vom Heimattal
die fremde Sonne scheint,
weiß nicht, dass unser Badnerland
mit Württemberg schon lang vereint.
Wir grüßen dich du Schwabenland,
vereint in unserm Badnerland,
reicht euch die Hand,
reicht euch die Hand,
dreifach Hoch unserem Heimatland.
In diese Epoche fiel auch die Gründung unserer Ehe. Mir fiel die Aufgabe zu, meinem Vater, einem Altbadener zu sagen, dass er einen schwäbischen Schwiegersohn bekomme.
Seine Antwort war: "Auch unter den Schwaben gibt es gute Leute."
Weniger gut war die Antwort meines Heimatpfarrers, der meinte: "Eine Sünd ist es nicht, aber eine Schande."

Der Dialekt mit seinen Verwirrungen
So kam ich in das Ländle der Häuslesbauer, in dem ich mich wohlgeborgen und daheim fühle.
Der schwäbische Dialekt ist gewöhnungsbedürftig, er hat so seine Tücken und Verwirrungen.
Sagt man hier: "Ma sod", ist das nicht auf später bezogen, sondern es ist eine Befehlsform.
Oder das Wort: "keien". Ein Schwabe keit nichts weg. Keit er etwas weg, so keit es ihn, dass er es weggekeit hat.
Man keit die Leiter hinunter und die Treppe hinauf, wobei das berufliche Hinaufkeien positiver ist.
Es keit einem auch, etwas gemacht zu haben.

Weitere Kuriositäten
Auch an das Wort "sauen" muss man sich gewöhnen. So hat es manchen schon gekeit, dass er etwas nachgesaut ist, was ihn später saumäßig gereut hat.
Heimlichkeiten kennt der Schwabe nicht. "Hehlingen" gehört zu den schwäbischen Grunddispositionen. Zumindest wird hartnäckig behauptet, die Schwaben seien hehlingen fröhlich, hehlingen reich und hehlingen g'scheit.
Eine beliebte schwäbische Multifunktionsformel lautet: "Ha no!" Es wird als Ausdruck des Grollens, Staunens, Betonens wie auch der Entrüstung verwendet.
Arbeiten ist für den Schwaben ein Fremdwort. Er kennt nur "schaffe" und wenn man g'schafft hat, ist man "hee".

Eine lästige Neubürgerin
Schwäbischen oder badischen Dialekt lernt man durch Geburt oder überhaupt nicht.
So bleibe ich immer "a Reig'schmeckte". Eine Reig'schmeckte ist also für gewöhnlich eine lästige Neubürgerin, die ungefragt ihren Senf absondert.
Schmecken hat im Schwäbischen eine breitere Bedeutung als im Hochdeutschen. Schmecken und Riechen sind zusammen verbandelt. Sagt der Hochsprachler "Das Fleisch schmeckt" und meint es mundet, so stellt es für den Schwaben einen Verwesungsprozess dar - es riecht übel.
Der Verliebte sagt zu seiner Angebeteten "i ka de so schmecke" und meint: Ich mag dich so sehr.
Während bei einer undurchsichtigen Sache er zum Ausdruck bringt „lau d'Finger weg, des hot a G'schmäckle".

Schluss-Sequenz
Aus allem was ich so berichte, merkt man wie schwierig es sein kann das Badische mit dem Schwäbischen zu vereinen.
Inzwischen aklimatisiert, kann ich auf gelungene von Gott gesegnete 50 Jahre zurückschauen.
Alle Kinder sind jetzt aus dem Haus, in die weite Welt hinaus und machen all auf ihre Weise viele lust'ge Schwabenstreiche.
Mit einem guten Trollinger Wein begießen wir das Werk, Gott segne Baden-Württemberg!

 
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