3 Apr 2011

Freeitag, 1.4.11, Poliedro in Pontedera, Non piu’ sola: Auffuehrung in Ponsacco

Geschrieben von hreichling

 Poliedro: Figur mit vielen Gesichtern – so stellt es sich uns auch dar. Jedenfalls ein integriertes Zentrum fuer behinderte und nicht behinderte Jugendliche. Alessandro, ein ehemaliger streetworker, scheint die Seele vom Ganzen zu sein. Das Zentrum, durch das er uns fuehrt, ist ein Integrationsort fuer alle Arten von jungen Leuten. Da gibt es einen Konferenz -und Versammlungsraum fuer alle moeglichen Organisationen auch von ausserhalb, einen Kreativraum zum Malen, Basteln, Recyclingprojekten, wo auch Ausstellungen und Versteigerungen stattfinden; eine grosse Gymnastikhalle, in der wir an einer Veranstaltung fuer brustkrebsgeschaedigte Frauen teilnehmen duerfen; Laboratorieni, einen Computerraum mit 8 Arbeitsplaetzen, einen grossen Raum fuer Musik, Gesang, Theater; in der grossen Eingangshalle ist neben den Bueroschreibtischen eine Cafe’-Theke, eine Tischtennisplatte und ein Tischfussball untergebracht. Beim Kaffee erzaehlt uns Alessandro von seinem neuesten Projekt, auf das er sehr stolz ist: ein Internetradio ist in Vorbereitung, das Studio mit Instrumenten aller Art ausgestattet, einige Jugendliche werden in Kursen als Redakteure und Sprecher geschult.

Wie sieht die Finanzierung der 4 Mitarbeiter aus, die diesmal keine “Freiwilligen” sind? Es handelte sich bisher um die gemischte Finanzierung eines Consortiums, darunter auch private Sponsoren, bei der die Regierung bisher den groessten Teil uebernommen hatte. Zum Ende des Jahres strich die Berlusconi-Regierung die Gelder, so dass das Zentrum von den angeschlossenen Organisationen Geld fuer die Benutzung der Raeume etc verlangen muss. Das wird nicht einfach, auch fuer Annas Gruppe der brustkrebsgeschaedigten Frauen nicht, aber sicher auch nicht fuer die Gruppen der Langzeit-Drogenabhaengigen, der ehemaligen Gefangenen, der Jobsuchenden, der Schul-Dropouts, der Selbsthilfeorganisationen (ein Poster warb fuer Multiple-Sklerose-Betroffene)  und wer sonst noch das Zentrum  nutzt.

Zum Schluss ueberreicht uns Alessandro eine Art Fotoillustrierte, die anhand einer Bildergeschichte, von Behinderten des Zentrums mit grosser Begeisterung hergestellt, die Geschichte des Zentrums in Rollen und Verkleidungen darstellt. Endlich darf ein Maedchen mal Prinzessin sein und ein Junge mit dem hohen Oncle-Sam-Hut herumlaufen.

Wir verlassen das Zentrum, das auch noch mit einem freien, beinah kostenlosen Taxiunternehmen fuer einkommensschwache Beduerftige wirbt, sehr beeindruckt.

Unser naechster Ort ist das Vespa-Museum der Gebrueder Pioggia; wir sind hier im Zentrum der Herstellung unserer / meiner fruehesten Jugendsehnsuechte (mit der Vespa in den italienischen Sommer!).

Den Nachmittag verbringen wir in Marcos und Annas alter Toscana-Villa in einem Dorf unweit von Pontedera: riesiges Wohnhaus mit groessem Wirtschaftsgebaeude, Loggia und Sommerkueche. Wir werden fuerstlich bewirtet mit allerlei toskanischen Spezialitaeten und bekommen als Nachtisch Erdbeeren serviert mit der Empfehlung, uns etwas zu wuenschen (ein alter toskanischer Brauch anlaesslich der ersten Fruechte des Jahres) Der Hoehepunkt des Tages ist eine abendliche Theaterveranstaltung in in Ponsacco, wozu Anna sehr viel beigetragen hatte:  es ist die erste Auffuehrung der uns schon bekannten Gruppe “Non piu’ sola”, die Anna vor vielen Jahren fuer brustkrebsgeschaedigte Frauen gegruendet hat. Die Veranstaltung ist ueber einen Artikel der Provinzzeitung “Il Tirreno” angekuendigt worden und hat ein grosses Echo gefunden. Als Anna den Abend mit einer kleinen Rede einleitet, ist der Saaal gut gefuellt, sie hat Hunderte von Leuten begruesst, Flyer und blaue Nelken (das Wahrzeichen der Organisation) verteilen lassen; am Ende des Abends hat sie nicht nur Blumenstraeusse und Ehrungen ausgegeben , sondern auch viel Geld eingenommen und kann das Ereignis als vollen Erfolg feiern.

Die Frauen auf der Buehne (und auch die wenigen Maenner, die zwischendurch einen schwungvollen Can-Can und spaeter mit ihren Partnerinnen einen Walzer vorfuehren) haben ein offensichtliches Interesse an dem, was sie da bieten: die typische Geschichte einer Brustkrebserkrankung  mit allen wesentlichen Facetten, angefangen beim unsensiblen Verhalten der Aerzte, den Schwierigkeiten im Krankheitsverlauf (z.B. dem Verlust der Haare und der Wahl der passenden Perruecke – eine der Aufgaben von “Non piu’ sola”) bis hin zur Untreue der Maenner, die sich ebenso wie in Deutschland nur schwer mit einer solchen Krankheit bei der Partnerin arrangieren koennen. All diese Themen werden nicht etwa larmoyant, sondern mit grossem Schwung, Witz und Situationskomik, aber nicht ohne Tiefe auf die Buehne gebracht und entspechend vom Publikum honoriert.

Ein sehr gelungener Abend, den wir  in einem der zahlreichen Zimmer unserer Gastgeber bei einer Tasse Pfefferminztee beschliessen.

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