2 Mai 2011

Einführung in die Freiwilligenarbeit – auf finnisch

Geschrieben von bkoenig

Montag, 02.05.2011

Heute wurden wir zum ersten Mal arbeitsmäßig gefordert. Unser Arbeitstag begann um 9 Uhr in der Universität “AGORA” mit unserer Präsentation über das ZAWiW, seine Ziele und Aktivitäten und unsere eigene Freiwilligenarbeit. Nach unserer Präsentation meinte Marjatta, in Ulm habe sie ja vieles erahnt, aber jetzt habe sie verstanden.
Anschließend erläuterte die Koordinatorin für Freiwilligenarbeit der Stadt Jyväskylä, Sari Välimäki, die Entwicklung der Freiwilligenarbeit in der Stadt und im ganzen Land. Diese habe in Finnland eine über 100-jährige Tradition, sei aber immer von altruistischem, helfendem Charakter gewesen und sowohl über die Kirchen wie über soziale Institutionen mehr oder weniger staatlich gesteuert worden. Überraschend war daher für uns Saris Bemerkung, dass die Freiwilligenarbeit hier weit hinter der Mitteleuropas hinterherhinke. Diese Bemerkung bezog sich wohl auf den Umstand, dass Sari durch ihre Aufenthalte im europäischen Ausland, insbesondere in Irland, den Eindruck gewonnen hatte, dass sich die Freiwilligenarbeit von der rein caritativen, helfenden Art hin zur “win-win” – Variation verändert hatte, das bedeutet, dass der Freiwillige auch für sich einen persönlichen Gewinn aus der Arbeit ziehen möchte und diese zunehmend als tätiges Engagement eines politisch denkenden Bürgers in einer zivilen Gesellschaft versteht. Dieser Wandel vollziehe sich auch derzeit in Finnland.
Ein anderer Aspekt der Ungleichzeitigkeit der Entwicklung stellte für sie die Vernetzung der mit freiwilliger Arbeit befassten Institutionen und Organisationen dar. Diese sei in vielen Ländern Mitteleuropas schon wesentlich weiter fortgeschritten als in Finnland und sie seien derzeit dabei, diesen Vorsprung aufzuholen. Konkret verwies sie etwa auf die Einrichtung von “Time-banks” (Zeitkonten), die sie erst jetzt gerade in Jyväskylä eingerichtet hätten. Außerdem verfüge sie selbst mitlerweile einen guten Einblick darüber, in welchen Organisationen (Kirchen, sozialen Verbänden usw.) welche Freiwilligenarbeit benötigt werde. Darüber hinaus erfuhren wir, dass die Freiwilligen auf ihre Arbeit, teilweise von Professionellen (Ärzten, Krankenschwestern…) vorbereitet werden. 
Am Nachmittag stellte Hanne Laitinen, die Koordinatorin der Stadt für die Arbeit der “Cultural Pilots” (Kulturlotsen) deren Tätigkeit  vor. Zunächst waren in diese spezielle Arbeit alle Museen der Stadt eingebunden und sorgten gemeinschaftlich für die Ausbildung der Kulturlotsen, die an fünf Abenden stattfindet. Mit der Zeit beschränkte sich diese Arbeit aber nicht nur auf den musealen Innenbereich, z. B. auf die Begleitung eines Besuchs in einer Ausstellung, der Teilnahme an Workshops in Museen u.ä., sondern das Arbeitsfeld verlagerte sich weiter nach außen, wo die Lotsen z.B. die Leute zu einem Kinobesuch ausführten, sie zu literarischen Lesungen oder zu Konzerten begleiteten u.v.ä.m. 
Mittlerweile gibt es sogar mobile Museen in Form von Exponatenkoffern, die von den Kulturlotsen zu Menschen nach Hause gebracht werden, die in ihrer Mobilität stark beeinträchtigt sind und die an kulturellen Ereignissen sonst nicht mehr teilhaben könnten.
Es gibt inzwischen sogar eine begleitende Forschung, an der Hanne teilnimmt und die untersucht, wie sich die Teilhabe an den kulturellen Ereignissen der Umwelt bzw. deren Mangel auf das psychische und physische Wohlbefinden auswirkt.
Wir sind noch immer sehr beeindruckt von dieser Idee und ihrer konsequenten Umsetzung. Und es wundert uns überhaupt nicht, dass Hanne für diese Arbeit keinerlei Nachwuchsprobleme hat und dass sich auch und gerade viele junge Leute neben den Senioren an diesem Projekt beteiligen. Und wir können uns nur wünschen, dass diese Idee auch in Ulm und andernorts in Deutschland – wenn sie nicht schon realisiert ist – aufgegriffen wird.

Als Abschluss des Tages hatten uns unsere Gastgeber zum “Nordic-Walking” verdonnert und uns in die Obhut von zwei toppfitten Seniorinnen, Aulikki und Lisa, beide um die siebzig, gegeben, die uns eine Stunde lang um den Jyväsjärvi – See herumjagen mussten, wobei die besondere sportliche Herausforderung eigentlich darin bestand, den rasenden Radlern und Skatern auszuweichen.
Ihre gut gemeinte Einladung, anschließend in ihrem Kirchenchor mitzusingen, mussten wir erschöpfungsbedingt ablehnen.

.

Schreiben Sie einen Kommentar

Nachricht:

  • Suchen

  • Logo Grundtvig
  • Logo ZAWiW
  • Logo ViLE