Ausgabe Nr. 36                         Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung älterer Erwachsener
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Digitales Vergessen

                                                                    von Anne Pöttgen


Wem passiert es nicht gelegentlich, dass ein vielversprechender Link sozusagen ins Nichts führt. Die versprochene Seite im Netz gibt es nicht mehr. Oder dass statt der erwarteten Seiten, die man hin und wieder besucht hat, etwas ganz Anderes angeboten wird. Es ist passiert: das digitale Vergessen, die Informationen sind gelöscht.
Da haben wir zum Beispiel in einer älteren Ausgabe des Lerncafés einen interessanten Artikel gelesen, zu dem es einen weiterführenden Link gab. Wir haben in Erinnerung, dass es auf der Website, zu der der Link führte, eine Information gab, die wir gerade jetzt gut gebrauchen könnten. Dann kann die Enttäuschung groß sein, wenn zwar die Website noch vorhanden ist, die Information aber nicht mehr.
Vielleicht ist die Seite ganz verschwunden, vielleicht hat der „Erzeuger“ inzwischen seine Meinung geändert, vielleicht ist er klüger geworden, kurz – die für uns wichtige Information ist dem digitalen Vergessen anheim gefallen.


James H. Billington von der Kongressbibliothek Washington meint: „Vieles, was geschaffen worden ist, ist nicht mehr zugänglich. Und viel von dem, was verschwindet, ist wichtiges einmaliges Material, das niemals wieder reproduziert werden kann, sondern nach dem man verzweifelt suchen wird.“
So hoch müssen wir es nicht hängen, ärgerlich ist es aber allemal, wenn wir etwas nicht wiederfinden können. Da loben wir uns dann unsere Bibliothek, da führt die Suche sicher zum gewünschten Ergebnis. Vielleicht ist das Papier inzwischen vergilbt, aber der Inhalt steht uns zur Verfügung

Zukünftige Historiker
Es ist ganz spannend sich vorzustellen, was Historiker in gar nicht so ferner Zukunft aus unserer Zeit vorfinden werden. Sie können sich noch erfreuen an den Tontafeln mit Keilschriften,


Quelle: Wikipedia

an den Papyri mit Hieroglyphentexten und an den Urkunden auf Pergament in unseren Museen.
Unsere Bücher und Zeitungen, sie sind dahin. Und erst recht alles, was wir in digitale Informationen umgewandelt haben. Vielleicht finden sich Hinweise auf die genialen Leistungen der größten Geister unserer Zeit. Aber diese Hinweise führen ins Leere, die Informationen wurden in der Technik unserer Zeit gespeichert: auf CDs, Festplatten und anderen digitalen Medien. Mögen die CDs noch so schön glänzen, die Festplatten noch so handfest wirken. Wer kann die Informationen auch nur sehen? Um wie viel weniger lesen.
Die Entzifferung der Keilschrift und der Hieroglyphen war dagegen ein Kinderspiel.


Quelle: Wikipedia


Die Technik
Das ist die technische Seite des digitalen Vergessens: Bekannt ist, dass CDs ihre Bits nicht über viele Jahrzehnte fehlerfrei erhalten können. Aber selbst wenn das so wäre, gibt es in zwanzig Jahren noch die Laufwerke, auf denen sie abgespielt werden könnten? Heute schon haben viele von uns Disketten herum liegen, deren Inhalte wir nicht mehr nutzen können, weil wir am neuen PC kein Diskettenlaufwerk mehr haben.
Und wen plagt nicht die Angst, dass durch einen eigenen Fehler oder durch einen der viel beschworenen Schädlinge aus dem Netz unser ganzer Datenbestand ruiniert werden könnte. Und so speichern wir auf CDs, DVDs und zusätzlichen Festplatten alles, was uns lieb und teuer ist. Er ist wirklich teuer, der Kampf gegen das digitale Vergessen. Er erfordert zusätzliche Hard- und Software und viel Zeit.
Übrigens gibt es auch das akute digitale Vergessen, wenn wir nämlich vergessen, den gerade geschriebenen Text zu sichern, falls wir mal eine Pause einlegen wollen.


Der GAU
Aber sehen wir mal von unseren kleinen Misshelligkeiten ab. Was wäre, wenn die Datenspeicher, die unsere Bankkonten, unsere Renten- oder Versicherungsunterlagen enthalten, verschwinden würden? Oder sehen wir es ganz global:  wenn der gesamte weltweite Datenbereich der Banken untergehen würde. Das Chaos in der Wirtschaft wäre unvorstellbar. Wir können nur hoffen, dass kluge Köpfe darüber nachgedacht und für die entsprechenden Sicherungen gesorgt haben. Im Zeitalter des Terrorismus ist das wichtiger denn je.


Die Bibliothek von Alexandria
Die Menschheit, oder vielmehr die griechische Welt, hat schon einmal den größten anzunehmenden Unfall erlebt: den Untergang der Bibliothek von Alexandria. Je nach Sichtweise wird einmal den Römern, Julius Cäsar im Jahre 47 v.Chr. und zum anderen den Arabern die Schuld am Untergang gegeben. Gegen Cäsars Schuld spricht, dass die Bibliothek auch nach ihm einen großen Ruf hatte. Und gegen die Schuld der Araber spricht, dass die Bibliothek im Jahre 640 längst nicht mehr existierte.
Tatsächlich soll das Jahr 272 n.Chr. das Sterbedatum sein. Aber auch dieses Datum ist nicht unumstritten. Ein Link im letzten Kapitel gibt ausführliche Auskunft über die Bibliothek.

Digitale Archive
Digitale Archive stehen erst am Anfang der Entwicklung. In den USA ist im Jahr 2000 ein Programm zum Aufbau einer nationalen digitalen Informationsinfrastruktur verabschiedet worden. In England begann man 2001 mit der Arbeit an der Langzeitarchivierung.
In Deutschland soll versucht werden, eine Kooperationsstruktur zu entwickeln, die Archive, Museen und Bibliotheken einbindet, ebenso wie Verlage, Universitäten und Forschungseinrichtungen. Nicht zu vergessen Rechen-, Daten- und Medienzentren sowie die Großdatenbankbetreiber. Einen Link zu diesen Planungen finden Sie im letzten Kapitel.


Der Barbastollen

Blick auf die Website


Bereits seit 1975 existiert in einem alten Bergwerksstollen in der Nähe von Freiburg im Breisgau der Zentrale Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland. Sozusagen das stoffliche Gedächtnis der deutschen Kultur. Handschriftliche Werke der großen deutschen Schriftsteller und Komponisten, historische Urkunden und Verträge wurden auf Mikrofilme aufgenommen, die in luftdicht verschlossenen Stahlbehältern aufbewahrt werden.
Als Beispiele werden auf der Website der Behörde genannt die Krönungsurkunde Ottos des Großen von 936, die Baupläne des Kölner Doms, die Goldene Bulle von 1213, der Vertragstext des Westfälischen Friedens.
Vielleicht ärgern sich die Mitarbeiter des Bundesvermögensamtes, die die Bestände betreuen, darüber, dass nun alles noch einmal gesichert werden soll über die digitalen Medien. Vielleicht lesen sie aber auch die vielen Beiträge über das digitale Vergessen und sind sicher, dass sie selbst zum Erinnern beitragen.



Links
http://www.emaildruck.de/lexikon-begriff-digitales-vergessen.html#top
http://www.langzeitarchivierung.de/
Der Barbarastollen:
http://www.sueddeutsche.de/,tt4m2/panorama/artikel/334/67267/
Die Bibliothek von Alexandria:
http://www.stub.unibe.ch/stub/vorl96/04/exk.html


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