Ausgabe Nr. 36                         Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung älterer Erwachsener
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Erinnern im Alter


                                                                    von Dr. Erna Subklew

Alle wollen alt werden, keiner will es sein – dieser Satz dürfte zu den bekanntesten Sätzen, nicht nur bei den Alten gehören. Ganz gleich wie man sich selber wahrnimmt und fühlt, das Alter bringt, wenn auch zunächst schleichend und kaum wahrnehmbar, viele Einbußen an körperlichen und geistigen Fähigkeiten, an Verlusten und Ängsten. Für manche bietet das Alter keine Zukunft und damit keine Perspektiven mehr, und die Erinnerung an die Vergangenheit wird immer stärker.
Schon Aristoteles sagte: Sie leben vom Gedächtnis anstatt von der Hoffnung, weil das, was ihnen vom Leben bleibt, wenig ist im Vergleich zur langen Vergangenheit.

Alte Menschen erinnern sich anders
Zwar erinnern wir uns über unser ganzes Leben hinweg, wenn auch die Erinnerung in den verschiedenen Lebensabschnitten unterschiedlich ist, aber im Alter erhält das Erinnern eine andere Bedeutung, sagt Dr. V. Faust (Psychologie des Alltags S.2):

-         Das autobiographische Erinnern setzt in der Regel bereits im fünften Lebensjahrzehnt ein. Man erinnert sich an Menschen, von denen man glaubte, sie längst vergessen zu haben.

-         Bei kritischen Lebenssituationen, z.B. einer länger währenden Krankheit oder anderen Lebenskrisen, kann das Erinnern bereits eher einsetzen.

-         Das Erinnern im Alter wird intensiver und gewinnt an subjektiver Bedeutung.

-         Das Erinnern steht in Wechselwirkung zu unserer Gegenwart und unterliegt dadurch Veränderungen.

Weil unsere jeweils aktuelle Situation auf die Vergangenheit einwirkt, bestimmt die Gegenwart die Qualität des Erinnerns:
Früher war alles viel rücksichtsvoller, wärmer, man hielt mehr zusammen. Wenn wir uns heute an die Großfamilie erinnern, dann spüren wir nur ihre Sicherheit, Geborgenheit und nichts mehr von den Unannehmlichkeiten, vielleicht sogar Streit und Neid, was es auch gab.

Die Qualität des Erinnerns
Das Erzählen von früher über die eigene Kindheit und Jugend lässt uns die Gegenwart besser ertragen. Erinnern führt zu einer positiven Stimmungslage und unterstützt sie.
Ältere Menschen, die dem Alter entsprechend, bei guter Gesundheit sind, sich aber mit dem Ruhestand nicht abfinden können, jetzt weniger Kontakte haben, sich nicht sozial engagieren,  keine Pläne für die Zukunft machen, erinnern eher die frühe Vergangenheit und seltener die Kindheit.
Menschen, die genauso gesund sind, die dem Ruhestand aber positiv gegenüber stehen, sich sozial betätigen und Zukunftspläne machen, erinnern Untersuchungen zufolge eher die Kindheit und diese auch nicht so intensiv.
Kranke Ältere, deren Stimmung pessimistisch ist, die nicht mehr sozial aktiv sein können und nur geringe Zukunftsperspektiven sehen, erinnern sich dagegen sehr intensiv an ihre Kindheit.

Die Rolle der Kindheitserinnerungen
Wenn man überlegt welcher Abschnitt der interessanteste und schönste im Leben eines Menschen ist, dann meint man, dass es sicherlich das Erwachsenenalter mit seiner Vielfältigkeit, Selbstverantwortung, Produktivität, aber auch mit seinen Herausforderungen, den Beschränkungen und Belastungen ist.
Aus Untersuchungen geht jedoch hervor, dass ein Drittel der älteren Befragten sich an keine einzige negative Erfahrung in ihrer Kindheit erinnerte. Wir alle aber wissen, dass auch in der Kindheit negative Erfahrungen gemacht werden. Dieses positive Erinnern liegt jedoch nicht daran, dass Ältere sich schlechter erinnern, das Gegenteil ist der Fall. Positive Ereignisse, überhaupt wenn die Akteure noch dazu nahe stehende Personen waren, werden intensiver gespeichert.
Diese Glorifizierung der Kindheitserinnerungen sind so stark, dass sie selbst Altersdepressionen positiv beeinflussen können.

Wieso sind Kindheitserinnerungen positiv?
Die Diskussion über die Glorifizierung von Kindheitserinnerungen ist noch in vollem Gange. Die Wissenschaftler meinen allerdings einige Anhaltspunkte dafür zu haben, warum sie positiv sind.
Sowohl Kindheit als auch Alter sind Randzeiten des Lebens. Die in dieser Lebensphase Lebenden sind beide stark von der weit größeren Erwachsenengruppe abhängig. Kinder und Alte sind auf  die liebevolle Fürsorge der Erwachsenen angewiesen. Während die Älteren diese Erfahrung für ihre Kindheit schon gemacht haben, besteht die Angst, wie die Fürsorge für sie in der Zukunft aussehen wird.
Gemeinsam haben Kinder und Alte, dass sie wesentlich mehr Zeit haben als die Erwachsenen, sich mit der Welt und dem Leben zu beschäftigen. Beide Gruppen erleben intensiver die Schönheit der Alltagsdinge und haben Zeit sich ihrer zu freuen.

Weitere Ausführungen zum Erinnern finden Sie unter
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychohygiene/alter.html

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